Hamburg. Die deutschen Meisterinnen Victoria Bieneck und Isabel Schneider wollen zu Olympia. “Hamburg ist ein Glücksfall für uns“, sagen sie.

29 bis 31 Grad Celsius im Schatten, den es kaum gibt, schwül, vereinzelte Gewitter – die Wetteraussichten für die südostchinesische Hafenstadt Xiamen versprechen den besten Beachvolleyballern der Welt schweißtreibende Tage, wenn sie von Mittwoch an zum in diesem Jahr bisher am besten besetzten Turnier der Weltserie aufschlagen. Sonnenbrille und Sonnencreme gehören dann auch wie immer zum Gepäck der deutschen Meisterinnen Victoria Bieneck (28) und Isabel Schneider (27), die sich in Xiamen nicht nur gegen die Weltelite, sondern – wahrscheinlich schwieriger noch – auch gegen starke nationale Konkurrentinnen durchsetzen müssen.

Das Viersterneturnier, fünf Sterne sind die höchste Kategorie, ist die erste Standortbestimmung für die Qualifikation zu den Olympischen Sommer­spielen im August 2020 in Tokio, die bis zum Juni nächsten Jahres läuft.

Kira Walkenhorst sorgte für Domino-Effekt

Bieneck/Schneider sind die Kon­stante unter den deutschen Beachvolleyballerinnen. Während die anderen drei Nationalteams nach dem Dominoeffekt des Karriereendes von Olympiasiegerin Kira Walkenhorst, der Partnerin Laura Ludwigs, im vergangenen Dezember neu zusammengesetzt wurden, blieb einzig das HSV-Duo von dem Revirement verschont. „Victoria und Isabel haben sich hervorragend entwickelt, sie harmonieren sehr gut, haben auf der Welttour immer Top-Ten-Resultate abgeliefert und ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft“, begründet Niclas Hildebrand die Entscheidung.

Der Hamburger Sportdirektor des Deutschen Volleyballverbandes (DVV) traut ihnen zu, einen der beiden deutschen Startplätze für Tokio zu erobern. Hildebrand nennt sie die „Herausforderinnen“, weil die Etablierten auf die anderen Teams verteilt wurden. In der noch wenig aussagekräftigen Weltrangliste, die Saison startet erst, sind Bieneck/Schneider als Zwölfte das derzeit beste nationale Gespann.

Verwirrend anmutendes Teambuilding

Und das jüngste. Von den acht aktuellen Nationalspielerinnen senkt nur die Berlinerin Sandra Ittlinger mit knapp 25 Jahren den Altersschnitt. Sie geht jetzt mit Chantal Laboureur (29/Friedrichshafen) in den Sand, der Expartnerin von Julia Sude (31/Friedrichshafen), die nun Karla Borger (30/Stuttgart) zur Seite steht, weil die Hamburgerin Margareta Kozuch (32) Walkenhorst (28) ersetzt und fortan für Laura Ludwig (33/Hamburg) blockt. Das klingt alles ein bisschen verwirrend, und genauso wenig Durchblick haben Teams und Trainer, was den aktuellen Leistungsstand der vier Olympiakandidaten betrifft.

Offenbar aber zählt Erfahrung, die meisten Medaillengewinner internationaler Turniere und Meisterschaften sind um die 30. „Beachvolleyball ist eine relativ junge Sportart, erst seit 1996 olympisch. Technik, Taktik, Trainingsmethoden, Kraftübungen sind noch nicht ausgereift, nicht standardisiert. Da hilft Erfahrung, um vor allem kritische Spielsituationen einschätzen und vorausahnen zu können“, sagen die Neu-Hamburgerinnen.

Bieneck/Schneider: Hamburg als "Glücksfall"

Bieneck/Schneider spielen jetzt im dritten Jahr zusammen. 2017 waren sie an den damals neuen Bundesstützpunkt nach Hamburg-Dulsberg gewechselt, weil der DVV das von seinen Nationalteams verlangte. Nicht alle befolgten die Anweisung, was letztlich ohne Konsequenzen blieb, Bieneck/Schneider aber sagen heute im Rückblick: „Hamburg ist ein Glücksfall für uns. Beachvolleyball wird hier von allen Seiten unterstützt, von der Stadt, von unserem Verein, dem HSV, von der Handelskammer. Es war richtig, dieses Wagnis einzugehen. Die Bedingungen sind hier optimal.“

In den vergangenen zweieinhalb Jahren verbesserten sie sich in der Weltrangliste um fast 30 Plätze bis auf Rang zehn, schlugen sich 2018 bei den Spitzenturnieren in Ostrava (Tschechien) und Fort Lauderdale (Florida) ins Halbfinale. Die Ausreißer nach oben werden in den nächsten 14 Monaten nötig sein, um sich zu den Sommerspielen baggern zu können, das große Ziel des Paares. „Dem ordnen wir alles unter.“

Beide haben ein abgeschlossenes Bachelorstudium, Bieneck ist Wirtschaftsingenieurin, Schneider Betriebswirtin, was sie mit gewisser Gelassenheit in die berufliche Zukunft blicken lässt, die sie sich im Sportmanagement vorstellen können. Derzeit sorgen Bundeswehr und Sponsoren für ein auskömmliches Einkommen.

Das HSV-Duo spricht von Freundschaft

Der permanente Wettstreit im eigenen Land, die deutschen Beachvolleyballerinnen sind seit Jahren in der Spitze und in der Breite die besten der Welt, halten sie für belebend, nicht für behindernd, als einen Grund für das hohe Niveau hierzulande. „Leistungssport heißt Konkurrenz, sich ständig messen und beweisen zu müssen“, sagt Bieneck. „Der Weg, der hinter uns liegt, macht uns stark und zuversichtlich, dass wir unsere Ziele schaffen können.“

Während andere Beachvolleyballer ihre Beziehung oft als geschäftsmäßig definieren, sprechen Bieneck/Schneider von Freundschaft. Aber auch sie nehmen die Unterstützung der Hamburger Sportpsychologin Anett Szigeti an, um gerade in Stresssituationen angemessen und partnergerecht kommunizieren zu können. Das Grundvertrauen zwischen beiden rührt jedoch aus einem gemeinsamen Erfolgserlebnis. 2013 wurden sie in Polen U-23-Weltmeisterinnen, ließen unter anderem heutige Weltklassespielerinnen wie die Kanadierin Melissa Humana-Paredes und die Brasilianerin Duda hinter sich. „Natürlich träumen wir davon, so etwas wiederholen zu können“, sagt Victoria Bieneck. „Das wird schwer, aber Träume sind erlaubt und sollte man haben. Wir haben sie.“