Hamburg. Sein Körper ist angeschlagen. Dennoch will der Hockey-Spieler bei der Europameisterschaft und Olympia auflaufen.

Es ist ein kleines Wort, dieses „Nein“. Aber es auszusprechen, wenn ihn jemand um einen Gefallen bat, das fiel Tobias Hauke so schwer, dass er lieber seine Gesundheit aufs Spiel setzte, anstatt andere zu enttäuschen. Also spielte er weiter, auch wenn er verletzt war, oder kam früher zurück, als es gut gewesen wäre. Viele Jahre ging das so, bis Ende vergangenen Jahres sein Körper die Notbremse zog. Ein Knorpelschaden im linken Knie stellte den Hockey-Nationalspieler in Diensten des Harveste­huder THC vor die entscheidende Frage: Werfe ich weiter Schmerzmittel ein, versuche, den Rest Willenskraft aus dem geschundenen Leib zu pressen, oder lasse ich mich operieren, um im Spätherbst der Karriere noch einmal mein Leistungslimit erreichen zu können?

Tobias Hauke, Welthockeyspieler von 2013, ist 31 Jahre alt. Fortschreitendes Lebensalter garantiert nicht für vernünftiges Handeln. Aber spätestens bei der WM im Dezember in Indien, die er trotz bereits feststehenden Knorpelschadens spielte, musste der Mittelfeldmotor einsehen, dass die Beschwerden ihn so sehr in seiner Dynamik einbremsten, dass er nicht die von ihm gewohnte Leistung bringen konnte. Also entschloss er sich zur Operation. Ende Januar wurde bei einem Spezialisten in Berlin eine Mikrofraktur durchgeführt, bei der der Oberschenkelknochen leicht angebohrt wird, um die Neubildung von Knorpel anzuregen. Vier Wochen musste er an Krücken laufen, seit Ende Februar läuft die Reha. Einen Termin für die Rückkehr auf den Platz gibt es noch nicht, die Europameisterschaft in Antwerpen (Belgien) Ende August ist sein Ziel.

Vollständige Genesung im Vordergrund

Im Vordergrund steht die vollständige Genesung. „Ich habe so häufig meinen Körper geschunden und zu früh wieder angefangen, weil ich überzeugt davon war, meinen Teams helfen zu müssen und auch zu können. Aber ich habe verstanden, dass das diesmal nicht geht. Ich muss mich in Ruhe aufbauen und werde mir die dafür nötige Zeit geben.“ Dabei unterschlägt er nicht, dass der gewählte Behandlungsweg letztlich auch ein Kompromiss war. In vier, fünf Jahren könnte ein erneuter Eingriff nötig werden. Aber eine umfangreichere Operation hätte eine noch längere Ausfallzeit bedeutet. „Jetzt habe ich die Chance, meine alte Leistungsfähigkeit zurückzuerlangen, ohne allzu lange zu fehlen“, sagt er.

Schon jetzt nagt es schwer an Tobias Hauke, in der Rückrunde der Feldbundesliga seinem HTHC nicht beim Erreichen der Final-Four-Endrunde helfen zu können. Vom Training hält er sich bewusst fern. Aus Selbstschutz, aber auch, weil er dem Team, das an diesem Wochenende Krefeld (Sa, 14 Uhr) und Mülheim (So, 12 Uhr, jeweils Barmbeker Straße) empfängt, verdeutlichen will, dass es auf ihn aktuell nicht bauen kann. „Ich brauche den Abstand, um mich auf meine Reha fokussieren zu können“, sagt er. Am Olympiastützpunkt schuftet er mit Rehaspezialist Norbert Sibum, zusätzlich sind die Physiotherapeutinnen Julia Boie und Tanja Bindschädel eingebunden.

100-jähriges Bestehen der Hauke KG

Warum er sich in seinem für Hockeyspieler fortgeschrittenen Alter überhaupt noch einmal quält, anstatt die Karriere auslaufen zu lassen?, könnte man sich angesichts seiner privaten Verpflichtungen durchaus fragen. Seit Mai vergangenen Jahres hat er mit seiner Ehefrau Alina, einer ehemaligen Bundesligaspielerin, eine gemeinsame Tochter. Beruflich ist der studierte Betriebswirtschaftler nach dem Abschied als Teammanager des Fußball-Zweitligisten HSV Anfang dieses Monats in die Firma seiner Eltern eingestiegen. Die Hauke KG, die in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen feiert, handelt mit Kohlenwertstoffen und Mineralölprodukten. „Meine Eltern hatten immer den Plan, dass eine meiner drei Schwestern oder ich die Firma mal übernehmen“, sagt er, „nun schaue ich, ob es mir liegt. Ich finde diese neue Herausforderung sehr spannend.“

Allerdings ersetzt sie nicht das Gefühl, noch drei bis vier Jahre Bundesliga-Hockey in sich zu haben. International sollen die Olympischen Spiele 2020 in Tokio der krönende Abschluss werden, „zu 99,9 Prozent ist danach Schluss in der Nationalmannschaft“. Und nach Japan will er nur, wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte ist. „Ich will nicht nur dabei sein, sondern das Team führen und das Spiel lenken können“, sagt er. Deshalb gibt er sich die Zeit, um vollständig gesund zu werden.

Leben ohne Hockey ist undenkbar

Was aber, wenn es nicht gelingt; wenn die Dynamik, die er für sein Spiel braucht, nicht mehr zurückkommt? Ein Leben ohne Hockey ist für Tobias Hauke genauso undenkbar wie Hockey ohne Tobias Hauke. Er baut ja auch schon vor, hat gemeinsam mit seinen langjährigen Teamkollegen Tobias Lietz (32) und Paul Pongs (28) die Betreuung der abstiegsbedrohten HTHC-Bundesligadamen übernommen, die an diesem Wochenende den TSV Mannheim (Sa, 12 Uhr) und Mülheim (So, 14 Uhr) empfangen. Lietz, der seine Karriere beendet hat, und er sind für die Spieltage zuständig, während Pongs, der dann selbst spielen muss, die Trainingsarbeit verantwortet.

Seine A-Lizenz will er so schnell wie möglich abschließen, der Deutsche Hockey-Bund bietet für Nationalspieler einen Turbo-Lehrgang an. „Trainer zu sein macht mir Spaß, auch wenn ich es nicht hauptberuflich machen möchte“, sagt er. Auch ein Engagement im Verband, der am 25. Mai ein neues Präsidium wählt, könne er sich für die Zeit danach vorstellen. Es wird, so viel ist klar, auch in Zukunft genügend Gelegenheiten geben für Hauke, Ja zu sagen, wenn ihn jemand um einen Gefallen bittet.