Hamburg. Fans des Kiezclubs zweifeln nach null Punkten und 0:8 Toren in zwei Spielen am Trainer. Der Coach fordert mehr Reibereien im Team.

Für Christopher Avevor endete am Sonntagmorgen der Arbeitstag bevor er überhaupt so richtig begonnen hatte. Mit einem Hexenschuss, den er sich beim Auslaufen zugezogen hatte, musste sich der Abwehrspieler des FC St. Pauli in die ENDO-Klinik begeben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in dem Trainingsunfall eine gewisse Symbolik steckt. Der Kiezclub, vor zwei Wochen noch heißer Anwärter auf den Bundesliga-Aufstieg war, ist nach den 0:4-Pleiten gegen den Hamburger SV und dem SV Sandhausen innerhalb von sechs Tagen zu einem humpelnden Fußball-Patienten geworden. „Wir haben es in der Woche nicht hinbekommen, den Genickschlag des Derbys abzuschütteln. Wir müssen Dinge in allen Bereichen, im Kopf und auf dem Platz, aufarbeiten. Wir haben im Moment einen breiten Mangel. Wir wissen ja selbst, was Selbstvertrauen bewirken kann. Ich bin sicher, dass wir wieder aufstehen werden“, sagte Sportchef Uwe Stöver.

Kauczinski fordert mehr körperliche und mentale Härte

Vor allem die Art und Weise wie sich das Team von Trainer Markus Kauczinski am Sonnabendmittag in Sandhausen präsentierte, war alarmierend. Eigentlich wollte St. Paui eine deutliche Reaktion auf die Blamage im Stadtderby zeigen, doch weit gefehlt: Der Auftritt beim Abstiegskandidaten kam einer Bankrotterklärung gleich. Schon vor dem Spiel hatten die mitgereisten Fans eine klare Botschaft an das Team: „Nicht Pyro hat das Derby verloren, sondern eine mutlose Mannschaft“ stand auf einem Banner im Fanblock. Auch nach dem neuerlichen Debakel mussten sich die Profis am Zaun wüste Worte gefallen lassen. Auch ein Bierbecher flog in Richtung der Mannschaft.

„Dem müsssen wir uns stellen. Wir sind nicht gefestigt. Die ganze Situation mit den guten Ergebnissen haben uns nicht das Selbstvertrauen geben, um so etwas einfach wegzustecken. Wir haben keine Truppe, die einfach sagt: „Ach, leck mich doch am Arsch“. Wir müssen brutaler werden, sind einfach zu lieb. Wenn ich immer alles ansprechen muss in der Besprechung, würde sie immer zwei Stunden dauern“, sagte Trainer Kauczinski, der am Sonntag ankündigte, die Zügel etwas fester in die Hand zu nehmen.

St.-Pauli-Trainer streicht Bowlingabend

So wurde ein für Mittwoch geplanter Bowling-Abend kurzerhand abgesagt. Auch am Freitag, an dem eigentlich ein individuelles Auslaufen nach dem Testspiel gegen Vejle BK angekündigt war, lässt der Trainer seine Spieler an der Kollaustraße antanzen. „Uns braucht keiner bemitleiden. Wir suchen die Schuld bei uns. Das Selbstvertrauen müssen wir uns erarbeiten“, sagt der St.-Pauli-Coach. Bei den braunweißen Anhängern gerät angesichts von null Punkten und 0:8 Toren innerhalb einer Woche immer mehr Trainer Kauczinski in den Fokus. Der 49-Jährige hat es nicht geschafft, in der vergangenen Woche in die Köpfe seiner Spieler vorzudringen. Anders ist der erneut emotionslose und desolate Auftritt in Sandhausen nicht zu erklären. Sportdirektor Stöver, der den Trainervertrag erst im November um ein Jahr verlängert hatte, wollte von einer Diskussion um Kauczinski nichts wissen.

Dabei gab es bereits vor der Unterschrift intern und extern immer wieder Zweifel, ob Kauczinski der richtige Mann sei, mit dem man in die Zukunft soll. Klar ist: Die sportliche Führung muss in der Länderspielpause knallhart analysieren, was in den vergangenen Tagen passiert ist. Ein einfaches „weiter so“ kann es bei St. Pauli nicht geben. Deshalb nimmt der Trainer auch seine Spieler in die Pflicht. Kauczinski fordert mehr Reibereien innerhalb der Gruppe. „Man kann gut befreundet sein, aber man muss sich Dinge ins Gesicht sagen können. Da haben wir Potenzial für mehr“, sagte Kauczinski. Wie in so vielen Bereichen in diesen Tagen...