Hamburg. Dem insolventen Eishockeyclub droht ein kurzfristiger Abgang der Leistungsträger. Wie gelingt die Rettung?

Für 60 Minuten konnten die Profis der Crocodiles Hamburg am Sonntagnachmittag ihre Sorgen vergessen und sich auf das konzentrieren, was ihnen Spaß bringt: ihren Beruf. Wie schon beim 5:3-Sieg am Freitagabend gegen die Füchse Duisburg zeigte die Mannschaft von Trainer Jacek Plachta beim 4:1 (1:0, 1:0, 2:1) bei den Black Dragons Erfurt einen charakterstarken Auftritt in einer Zeit, die für niemanden in und um den Farmsener Eishockeyverein leicht ist.

Am Freitag hatte der Club aus der Oberliga Nord beim Amtsgericht Hamburg einen Planinsolvenzantrag vorgelegt, nachdem zugesagte Fördergelder in Höhe von 250.000 Euro nicht ausgezahlt worden waren. Finanzielle Engpässe gab es in den vergangenen Monaten immer wieder. Aber dass es so schlimm um den Club steht, der nach dem Rückzug der Freezers vom Spielbetrieb der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) im Mai 2016 zum klassenhöchs­ten Hamburger Vertreter wurde und innerhalb von vier Jahren den Aufstieg in die DEL 2 anpeilte, überraschte alle.

„Ich dachte, dass es die Politik des Vereins sei, jetzt zu sparen und sich mit Blick auf die nächste Saison wirtschaftlich zu entwickeln. Dass es jetzt so kommt, überrascht mich total“, erklärte Trainer Plachta, der seit Wochen vergeblich darauf hoffte, dass sein dünner Kader Verstärkung erhält. Auch die Spieler, die am Freitag zehn Stunden vor dem ersten Bully gegen Duisburg informiert worden waren, stehen unter Schock. „Das ist ein Schlag ins Gesicht. Ich habe bei meinen letzten drei Vereinen Insolvenzen und Fast-Insolvenzen mitgemacht, die sich aber andeuteten. Hier kam es aus heiterem Himmel“, erklärte Torhüter Kai Kristian.

Trainer Plachta will Verbleib nicht garantieren

Obwohl die Gehälter (im Schnitt 2000 Euro monatlich, Topverdiener bis 5000 Euro) bis Ende Januar gesichert sind und die Saison zu Ende gespielt werden soll – im Fall eines vorzeitigen Abmeldens entstünden Regressforderungen durch den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) – deutet vieles darauf hin, dass die Mannschaft auseinanderfallen wird. „Ich muss schauen, dass ich regelmäßig Geld verdiene. Natürlich prüfe ich andere Optionen“, erklärte Kristian. Plachta äußerte Verständnis für seine Spieler. „Jeder muss auf sich schauen. Die Spieler haben das Recht dazu“, sagte der 49-Jährige, der offen ließ, ob er die Saison bei den Croco­diles beendet. „Ich weiß es wirklich nicht. Es wäre aber schön, wenn wir die Saison zusammen zu Ende bringen.“

Im Sommer hatten die Crocodiles vom DEB die Spiellizenz für die Saison 2018/19 ohne Auflagen erhalten. Anfang November gab es eine turnusmäßige Nachprüfung des Verbandes. Auch da: keine Auffälligkeiten. Was also kurzfristig zum Insolvenzantrag führte, bleibt unklar. Die Sponsoren haben ihre zugesagten Gelder pünktlich überwiesen. Der Zuschauerschnitt liegt mit 1379 Fans pro Partie unter dem anvisierten Schnitt von 1600, aber allein das reißt keine Lücke in dieser Größenordnung in den 800.000-Euro-Etat.

Die Verantwortlichen schweigen

Ebenso undurchsichtig ist die Vereinsstruktur bei den Crocodiles. Da der DEB nur eingetragenen Vereinen eine Spiellizenz erteilt, liegt diese beim Stammverein Farmsener TV. Im August 2017 wurde die 1. Hamburger Eissport GmbH gegründet, in der Spieler, Trainer und Geschäftsstellenmitarbeiter angestellt sind. Zwischengeschaltet ist ein Förderverein, der sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert und das Geld an den FTV und über diesen an die ausgegliederte GmbH weiterverteilt. In diesem Förderverein hätten die von einer Einzelperson zugesagten 250.000 Euro eingehen sollen.

Dass es sich bei dieser Person um Klaus-Peter Jebens handeln könnte, wird im Vereinsumfeld vermutet. Der 62 Jahre alte Unternehmer ist einer von zwei Gesellschaftern und hielt den Verein über Jahre mit seinem Geld am Leben. Öffentlich tritt Jebens, der einen Gewerbepark in Stapelfeld betreibt, aber nie auf, sondern schickt Geschäftsführer Christian Schuldt (34) vor. Zuletzt hatte sich Jebens, ohne den bei den Crocodiles keine Entscheidung getroffen wurde, intern rargemacht, fehlte auch bei den Heimspielen.

Staatsrat Holstein hat sich eingeschaltet

Aus rechtlichen Gründen schweigen die Crocodiles-Verantwortlichen. Sponsoren und vor allem die Fans kritisieren dieses Vorgehen, wünschen sich mehr Transparenz bei der Beantwortung der Frage, wie es so weit kommen konnte. Darauf pocht auch Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein. Vor der Frage, was die Stadt zur Rettung des Eishockey-Standorts beitragen könne, müsse die Ausgangslage geklärt werden. „Die Nachricht kam auch für uns völlig überraschend. Ohne die Gründe zu kennen: Jetzt müssen sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, um die Möglichkeiten für den weiteren Spielbetrieb auszuloten“, sagte er.

Zeitnah sollen Gespräche mit den Sponsoren und der städtischen Sprinkenhof AG, die durch Sponsoringbeteiligung und Mieteinnahmen einen niedrigen sechsstelligen Betrag von den Crocodiles kassiert, geführt werden. Danach wollen die Verantwortlichen öffentlich erklären, wie es weitergehen soll. Die geplante Crowdfunding-Aktion, mit der 200.000 Euro gesammelt werden sollen, wird in Teilen des Vereins durchaus kritisch gesehen.