Hamburg. Rentenversicherung fordert 245.000 Euro Nachzahlung. Eine Umlage soll die drohende Insolvenz abwenden.

Die Worte, die Horst Müller-Wieland in seinem Anschreiben an die Mitglieder des Uhlenhorster HC gewählt hat, sind eindringlich, und genau das ist gewollt. Schließlich steht der Traditionsclub vom Wesselblek, der Hamburg in den Sparten Hockey und Tennis regelmäßig sportliche Erfolge beschert, vor einer schweren Herausforderung. 245.000 Euro fordert die Deutsche Rentenversicherung (DRV) an Nachzahlungen von Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungsbeiträgen, die im Zeitraum von 2012 bis 2018 bei freiberuflich tätigen Trainern aufgelaufen sein sollen.

„Die Aufforderung, den Betrag zu zahlen, kann in den nächsten Tagen eintreffen. Wir wären dann bilanziell überschuldet und zahlungsunfähig und auf gut Deutsch insolvent! Man muss es leider so krass auf den Punkt bringen“, schreibt Müller-Wieland an die rund 2000 Mitglieder. Um diesen Schaden von seinem Club abzuwenden, will der Präsident auf der Mitgliederversammlung am 30. November um eine Umlage bitten. 199 Euro soll jedes aktive Mitglied zahlen, Familien mit mehr als einem Kind sollen mit maximal 600 Euro belastet werden. Eine hohe Summe angesichts von Jahresbeiträgen zwischen 257 und 762 Euro. „Die Bitte, diese gemeinsame Rettungsaktion mitzutragen, fällt uns sehr schwer. Sie ist allerdings alternativlos“, schließt der 63-Jährige seinen Brief an die UHC-Gemeinde.

Problematik gibt es seit längerer Zeit

Das Schlagwort, das das Problem umreißt, lautet „Scheinselbstständigkeit“ und betrifft Sportvereine bundesweit. „Im Tennis existiert diese Problematik seit längerer Zeit, auch Hamburger Vereine hatten damit zu kämpfen. Allerdings scheint es sich deutlich zuzuspitzen“, sagt Thomas Chiandone, Geschäftsführer des Hamburger Tennis-Verbands. Ulrich Lopatta, Vorsitzender des Walddörfer SV und Sprecher der 27 Hamburger Topsportvereine, ist von der Causa UHC dagegen überrascht: „Die Regelungen zur Scheinselbstständigkeit sind den Vereinen seit vielen Jahren bekannt, entsprechend haben wir darauf reagiert und unsere Trainer angestellt.“ Müller-Wieland wiederum sagt: „Ich bin seit 2002 Präsident, in meiner Amtszeit hatten wir drei Prüfungen ohne Beanstandung. Nun jedoch haben die Prüfer Sportvereine als Einnahmequelle entdeckt und ihre Praxis verändert.“

Im Kern geht es darum, dass freiberuflich tätige Trainer verschiedenen Vereinen ihre Dienste anbieten und in Rechnung stellen. Der Verein führt keine Abgaben ab, da sich der Freiberufler um seine Steuer- und Versicherungsbeiträge selbst kümmern muss. Der für den UHC zuständige DRV-Prüfer stellte nun jedoch die Selbstständigkeit der betreffenden Trainer infrage. Es sei davon auszugehen, dass das Weisungsrecht – wann und in welchem Umfang werden Dienste angeboten – beim Verein liege und damit keine Selbstständigkeit vorliege.

Dem UHC sei überhaupt nichts vorzuwerfen

Das wiederum macht den Freiberufler zum sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, für den der Verein nachträglich den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil in Höhe von rund 40 Prozent Lohnnebenkosten abzuführen hat. Wer vermutet, der UHC habe eine hohe Zahl an Trainern wissentlich falsch beschäftigt: Es geht um je eineinhalb Trainerposten in Hockey und Tennis, auf denen im Prüfzeitraum von sieben Jahren die enorme Summe aufgelaufen ist.

Die Frage, ob der UHC schuldhaft oder auch nur naiv gehandelt habe, beantwortet der Hamburger Anwalt Till Fehr von der Sozietät Jacobsen & Confurius, der den Verein vertritt, deutlich: „Dem UHC ist überhaupt nichts vorzuwerfen. Die Trainer, um die es geht, haben ihre Arbeitstage selbst organisiert und teils sogar eigene Angestellte“, sagt er. Müller-Wieland sagt, man habe zu keiner Zeit Grund zu der Annahme gehabt, dass die beschäftigten Coaches nicht selbstständig arbeiten würden.

Vorstand will Ergebnis nicht hinnehmen

Kompliziert wird die Lage dadurch, dass das Feld der Scheinselbstständigkeit für juristische Laien kaum zu beackern ist. Zudem erschwert die gängige Prüfpraxis den Vereinen ihre Arbeit, da sie in der Pflicht sind, die Selbstständigkeit der Trainer nachzuweisen. Die Prüfer urteilen nach Papierlage. „Mir sind Fälle aus anderen Clubs bekannt, wo Prüfer guten Willen gezeigt und den Vereinen die Chance zum Nachbessern eingeräumt haben. In unserem Fall hat der Prüfer weder mit den betreffenden Personen gesprochen noch den Verein besucht. Es wurden etliche Sachverhalte falsch dargestellt“, sagt Müller-Wieland.

Selbstverständlich will der UHC-Vorstand das Prüfergebnis nicht einfach hinnehmen. Zunächst hat man Widerspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Diese wird nun in Berlin am DRV-Hauptsitz geprüft, was mehrere Wochen dauern kann. Sollte die Behörde bei ihrer Forderung bleiben, will Anwalt Fehr Klage einreichen, deren Bearbeitung mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Gezahlt werden müssten die 245.000 Euro allerdings sofort, was die geplante Umlage notwendig macht. „Dem Vorstand bleibt keine andere Wahl, als so zu handeln“, sagt er.

Willen zur Kooperation

Es gebe gute Chancen, dass die Sozialgerichte der Klage stattgeben würden und die finanzielle Vorleistung der Mitglieder mittelfristig ausgeglichen werden könnte, sagt Fehr. „Ich hatte für einen anderen Hamburger Verein vier sehr ähnliche Fälle mit Tennislehrern, nach drei Jahren Klageverfahren haben wir alle vier gewonnen.“ Dennoch belastet die aktuelle Ungewissheit den Vorstand sehr. „Diese Thematik hat uns viele Stunden und Nerven gekostet“, sagt Präsident Müller-Wieland.

Um sich für künftige Prüfungen zu wappnen, hat er reagiert. Einige der betreffenden Trainersind nicht mehr für den Verein tätig, andere angestellt. Ein Schuldeingeständnis sei das nicht, man wolle damit unterstreichen, sich nicht wissentlich gegen geltendes Recht gestellt und Willen zur Kooperation zu haben. Müller-Wieland hofft nun, dass die Mitglieder am 30. November der Bitte des Vorstands folgen, um gravierende Konsequenzen vom Verein fernzuhalten.