Nach zwei verpatzten Staffeln in Pyeongchang sichern sich die deutschen Biathlon-Männer zum Abschluss wenigstens Bronze.
Pyeongchang. Als alles vorbei und sein Puls wieder auf Normalmaß zurückgegangen ist, herzt Mark Kirchner seine Schützlinge. Einen nach dem anderen. Erleichtert und glücklich. Erik Lesser nimmt er dabei besonders lange in den Arm. Bis zum 4 x 7,5-km-Staffelrennen galt der Thüringer als Pechvogel im deutschen Biathlon-Team. Zweimal hatte er trotz guter Leistungen als Vierter das Podest knapp verpasst (Massenstart, Mixedstaffel).
Deshalb war es nicht schwer zu erraten, wem der Bundestrainer diese bronzene Plakette vor allem gönnt. „Jetzt fahren alle mit einer Medaille nach Hause. Mehr konnten wir hier nicht erreichen“, meint Kirchner und bedankt sich anschließend bei den jubelnden Technikern. Sie hatten einen großen Anteil am Erfolg der Skijäger, die in Pyeongchang siebenmal das Treppchen bestiegen (dreimal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze).
Schempp und Doll patzen beim Schießen
Der Olympiasieg sollte es im abschließenden Wettbewerb zwar sein. Doch dafür erwischten Benedikt Doll und Simon Schempp einen zu schlechten Tag. Sie kamen mit dem „Flatterwind“, wie Kirchner die stürmischen Böen bezeichnet, die immer wieder durch Alpensia-Stadion fegten, nicht zurecht. Doll musste trotz drei verwendeter Extrapatronen zwei Strafrunden drehen, Schempp eine.
„Wir müssen heilfroh sein, dass es zu einer Medaille gereicht hat“, bekennt Kirchner. Den Sieg holte sich überraschend Schweden 55,5 Sekunden vor dem Erzrivalen aus Norwegen. Schwedens deutscher Trainer Wolfgang Pichler feierte damit den größten Erfolg seiner Karriere: „Eine Männer-Staffel bei Olympia zu gewinnen, das ist was Großes“, sagt der Ruhpoldinger – und König Carl Gustaf feierte auf der Tribüne mit.
Läuferisch war Deutschland im Vorteil
Den Grundstein für die Sensation legten die Skandinavier am Schießstand. Als einziges Quartett blieben sie ohne Extrarunde und benötigten mit sieben Nachladepatronen die wenigsten. Alle anderen 17 Staffeln mussten die 150 zusätzlichen Meter in Kauf nehmen; die meisten sogar mehrmals. Insgesamt leistete sich das gesamte Feld 257 Fehlschüsse und 44 Strafrunden.
Die deutschen Medaillengewinner:
Die deutschen Medaillengewinner von Pyeongchang
Die wechselnde Winde in den Taebaek-Bergen machten allen Athleten gehörig zu schaffen. Vor allem im Stehendanschlag wackelten Bein und Büchse. Dafür hatten die Deutschen von ihren Technikern wieder „überragende Ski“ angeschnallt bekommen, wie Lesser später anerkennend bemerkt.
Der Startläufer hatte sein Team dank einer souveränen Leistung in Führung gebracht und mit einem Vorsprung von mehr als 18 Sekunden auf Doll übergeben. Weil der Schwarzwälder aber das Flattern bekam und auf seinem Abschnitt nur die elftbeste Zeit schaffte, fiel die Kirchner-Riege aus den Medaillenrängen.
Schempp hatte Gold im Visier – und patzte
Erst der makellose Auftritt von Arnd Peiffer brachte sie zurück in Gold-Reichweite. Beim Wechsel auf Simon Schempp, der in den vergangenen Tagen über Halsschmerzen geklagt hatte, betrug der Rückstand auf die Spitze nur noch 13 Sekunden. Doch der Schlussläufer patzte ebenfalls bei der Stehendprüfung und konnte froh sein, dass es den Verfolgern genauso erging.
„Es war ein Wechselbad der Gefühle“, gesteht Peiffer später im Ziel. Zwei Tage zuvor hatte er in der Mixedstaffel mit einem schwachen Auftritt das greifbare Gold verschenkt. Diesmal avancierte er zum Erfolgsgaranten. „Ich bin sehr erleichtert, dass mein Zimmerkollege, dem ich im Mixed die Medaille vermasselt habe, jetzt auch eine hat. Sonst könnte ich mir das vier Jahre anhören“, meint der 30-Jährige in Richtung seines Freundes Lesser.
Lesser konnte nicht hinsehen
Der wiederum hatte sich während des Rennens verkriechen müssen. „Es war zu aufregend. Da konnte ich teilweise nicht mehr hingucken und bin in die Kabine der Techniker gegangen“, verrät er. „Ein bisschen quatschen und mit dem Handy spielen.“
Geholfen hat es nur bedingt. Die Nerven blieben bis zum Zerreißen gespannt. Umso erleichterter war er, als Bronze feststand. Anschließend ging es zur Party ins Deutsche Haus, „ein, zwei Bierchen zischen“.
Mehr nicht, denn heute ist Kofferpacken angesagt. „Da brauche ich einen frischen Kopf“, sagt Lesser. „Sonst vergesse ich noch einen ‚Schlüpper‘ unterm Bett.“ Oder, viel schlimmer, die so hart erkämpfe Medaille.