Die deutsche Frauen-Staffel wird ihrer Favoritenrolle nicht gerecht und erlebt ein Fiasko am Schießstand unter schwierigen Bedingungen.

Pyeongchang. Elf Fehlschüsse, drei Strafrunden und ein Patzer, der gar keiner war: Zwei Tage nach dem verkorksten Mixed-Wettkampf mit Platz vier erlebten die deutschen Biathleten im Alpensia-Stadion von Pyeongchang die nächste Staffel-Pleite. Beim überraschenden Erfolg von Weißrussland vor Schweden und Frankreich kam das als Topfavorit gestartete Frauen-Quartett um Laura Dahlmeier lediglich auf den achten Rang.

Während die Doppel-Olympiasiegerin als Schlussläuferin noch Schadensbegrenzung betrieb und eine Minute auf die Konkurrenz gutmachte, verspielten ihre Teamkolleginnen sämtliche Chancen am Schießstand.

Erinnerungen an Sotschi 2014

Franziska Preuß, Denise Herrmann und Franziska Hildebrand leisteten sich bei wechselndem Wind und zeitweisem Schneetreiben lange Schießzeiten und jeweils eine Strafrunde. Zu viel, um das Debakel von Sotschi vergessen zu machen und sich die klar avisierte Goldmedaille zu holen. Der gestrige Auftritt wies sogar traurige Parallelen zu 2014 auf. Wie damals patzte Startläuferin Preuß; wieder war das Rennen praktisch gelaufen, ehe es überhaupt begonnen hatte.

Vor vier Jahren war die Bayerin gestürzt, musste zwischendurch mit einem Skistock auskommen und den Korntunnel an der Waffe vom Schnee befreien. Das kostete jede Menge Zeit und noch mehr Nerven.

Unnötiger Nachlader sorgt für Verwirrung

Diesmal brachte sie kurioserweise ein Treffer völlig aus dem Konzept. Bei der Liegendprüfung lud sie nach, obwohl alle Scheiben längst gefallen waren. „Der Schuss ging wohl an den Rand. Ich hatte ihn aber als Fehler registriert“, erklärte Preuß. „Erst dann habe ich es gesehen und die Patrone wieder rausrepetiert.“

Ein Fauxpas, der mächtig für Unruhe sorgte: bei den Beobachtern am Rande der Strecke, die eine Disqualifikation befürchteten – und vor allem in ihr selbst. „Ich habe es vom Kopf her nicht mehr kontrolliert gekriegt – dazu kam der Schneefall und der Wind...“ Wie in Sotschi musste sie eine Extrarunde drehen.

Die deutschen Medaillengewinner:

Die deutschen Medaillengewinner von Pyeongchang

Francesco Friedrich (r.) führte seinen Viererbob zu einer souveränen Goldmedaille
Francesco Friedrich (r.) führte seinen Viererbob zu einer souveränen Goldmedaille © REUTERS | ARND WIEGMANN
Auch Silber im Viererbob ging an Deutschland um Bobpilot Nico Walther. Im Medaillenspiegel schließt Deutschland auf Rang zwei hinter Norwegen ab
Auch Silber im Viererbob ging an Deutschland um Bobpilot Nico Walther. Im Medaillenspiegel schließt Deutschland auf Rang zwei hinter Norwegen ab © dpa | Tobias Hase
Trotz der unglücklichen Finalniederlage überwiegt die Freude: Kapitän Christian Ehrhoff (r.) und Daryl Boyle konnten sich schon kurz nach dem Spiel gegen Russland über Silber freuen. 55 Sekunden fehlten für die Sensation, die dann auch Rang eins im Medaillenspiegel bedeutet hätte
Trotz der unglücklichen Finalniederlage überwiegt die Freude: Kapitän Christian Ehrhoff (r.) und Daryl Boyle konnten sich schon kurz nach dem Spiel gegen Russland über Silber freuen. 55 Sekunden fehlten für die Sensation, die dann auch Rang eins im Medaillenspiegel bedeutet hätte © dpa | Michael Kappeler
Die deutschen Snowboarderinnen Selina Jörg (l.) und Ramona Theresia Hofmeister freuen sich über Silber und Bronze im Parallel-Riesenslalom
Die deutschen Snowboarderinnen Selina Jörg (l.) und Ramona Theresia Hofmeister freuen sich über Silber und Bronze im Parallel-Riesenslalom © dpa
Die deutschen Biathleten Erik Lesser (v.l.), Benedikt Doll, Arndt Peiffer und Simon Schempp freuen sich über Bronze mit der Staffel – bei einer besseren Schießleistung wäre aber sogar der Sieg drin gewesen
Die deutschen Biathleten Erik Lesser (v.l.), Benedikt Doll, Arndt Peiffer und Simon Schempp freuen sich über Bronze mit der Staffel – bei einer besseren Schießleistung wäre aber sogar der Sieg drin gewesen © Hendrik Schmidt/dp
Gold für Deutschland: Die deutschen Kombinierer Vinzenz Geiger, Fabian Rießle, Eric Frenzel und Johannes Rydzek siegten erstmals seit 1988 mit der Staffel
Gold für Deutschland: Die deutschen Kombinierer Vinzenz Geiger, Fabian Rießle, Eric Frenzel und Johannes Rydzek siegten erstmals seit 1988 mit der Staffel © Reuters/Carlos Barria
Das Duo Mariama Jamanka (r., Pilotin) und Anschieberin Lisa Buckwitz stellte mit seinem Sieg im Zweierbob bereits am zwölften Tag den Gold-Rekord für eine deutsches Olympiateam ein
Das Duo Mariama Jamanka (r., Pilotin) und Anschieberin Lisa Buckwitz stellte mit seinem Sieg im Zweierbob bereits am zwölften Tag den Gold-Rekord für eine deutsches Olympiateam ein © Reuters
Historischer Dreifachsieg in der nordischen Kombination: Johannes Rydzek (Nr. 5) holte Gold, Fabian Rießle (6) Silber und Eric Frenzel (4) Bronze.
Historischer Dreifachsieg in der nordischen Kombination: Johannes Rydzek (Nr. 5) holte Gold, Fabian Rießle (6) Silber und Eric Frenzel (4) Bronze. © Reuters
Stephan Leyhe, Karl Geiger, Richard Freitag und Andreas Wellinger (v. l. n. r.) jubeln über Silber im Mannschaftsspringen
Stephan Leyhe, Karl Geiger, Richard Freitag und Andreas Wellinger (v. l. n. r.) jubeln über Silber im Mannschaftsspringen © dpa | Daniel Karmann
Francesco Friedrich (vorn) und Anschieber Thorsten Margis holten Gold im Zweierbob
Francesco Friedrich (vorn) und Anschieber Thorsten Margis holten Gold im Zweierbob © REUTERS | EDGAR SU
Fotofinish: Biathlet Simon Schempp (l.) hätte im Massenstart beinahe sogar Gold gewonnen. Am Ende musste er sich nur dem Franzosen Martin Fourcade geschlagen geben
Fotofinish: Biathlet Simon Schempp (l.) hätte im Massenstart beinahe sogar Gold gewonnen. Am Ende musste er sich nur dem Franzosen Martin Fourcade geschlagen geben © Reuters
Normalschanzen-Olympiasieger Andreas Wellinger flog auf der Großschanze zu Silber
Normalschanzen-Olympiasieger Andreas Wellinger flog auf der Großschanze zu Silber © imago/GEPA pictures | Christian Walgram
Jacqueline Lölling jubelt über Silber im Skeleton
Jacqueline Lölling jubelt über Silber im Skeleton © Getty Images | Tom Pennington
Die Rodler Tobias Wendl, Tobias Arlt, Nathalie Geisenberger und Johannes Ludwig (v. l. n. r.) jubeln über Gold in der Mixed-Teamstaffel
Die Rodler Tobias Wendl, Tobias Arlt, Nathalie Geisenberger und Johannes Ludwig (v. l. n. r.) jubeln über Gold in der Mixed-Teamstaffel © REUTERS | ARND WIEGMANN
Laura Dahlmeier gewann im Biathlon-Einzelrennen nach zweimal Gold ihre dritte Medaille in Pyeongchang: Bronze
Laura Dahlmeier gewann im Biathlon-Einzelrennen nach zweimal Gold ihre dritte Medaille in Pyeongchang: Bronze © REUTERS | TOBY MELVILLE
So sehen Sieger aus: Die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer goldenen Ehrenrunde. Das Paar lief nach einer starken Kür noch von Platz vier zu Gold
So sehen Sieger aus: Die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer goldenen Ehrenrunde. Das Paar lief nach einer starken Kür noch von Platz vier zu Gold © dpa
Die Rodler Tobias Wendl und Tobias Arlt holten Gold im Doppelsitzer
Die Rodler Tobias Wendl und Tobias Arlt holten Gold im Doppelsitzer © Getty Images
Für das Weltmeister-Duo Toni Eggert/Sascha Benecken (Ilsenburg/Suhl) blieb immerhin noch Bronze
Für das Weltmeister-Duo Toni Eggert/Sascha Benecken (Ilsenburg/Suhl) blieb immerhin noch Bronze © Reuters
Fantastisch: Eric Frenzel (M.) verteidigte in der nordischen Kombination seinen Titel. Österreichs Lukas Klapfer (l., Bronze) und der japanische Silbermedaillen-Gewinner Akito Watabe gratulierten dem deutschen Fahnenträger
Fantastisch: Eric Frenzel (M.) verteidigte in der nordischen Kombination seinen Titel. Österreichs Lukas Klapfer (l., Bronze) und der japanische Silbermedaillen-Gewinner Akito Watabe gratulierten dem deutschen Fahnenträger © Reuters
Natalie Geisenberger gewann als erste Rodlerin zum dritten Mal Gold
Natalie Geisenberger gewann als erste Rodlerin zum dritten Mal Gold © REUTERS | EDGAR SU
Dajana Eitberger machte mit Silber den deutschen Doppelsieg im Rodeln perfekt
Dajana Eitberger machte mit Silber den deutschen Doppelsieg im Rodeln perfekt © dpa | Tobias Hase
Skispringerin Katharina Althaus jubelte über Silber
Skispringerin Katharina Althaus jubelte über Silber © dpa
Benedikt Doll sorgte mit Bronze über 12,5 Kilometer Verfolgung für die zweite Medaille der deutschen Biathlon-Herren
Benedikt Doll sorgte mit Bronze über 12,5 Kilometer Verfolgung für die zweite Medaille der deutschen Biathlon-Herren © dpa
Biathletin Laura Dahlmeier triumphierte auch in der Verfolgung und holte damit ihre zweite Goldmedaille in Pyeongchang
Biathletin Laura Dahlmeier triumphierte auch in der Verfolgung und holte damit ihre zweite Goldmedaille in Pyeongchang © Reuters
Johannes Ludwig gewann völlig unerwartet die Bronzemedaille im Rodeln
Johannes Ludwig gewann völlig unerwartet die Bronzemedaille im Rodeln © Getty
Arnd Peiffer holte überraschend Gold im Biathlon-Sprint
Arnd Peiffer holte überraschend Gold im Biathlon-Sprint
Andreas Wellinger siegte von der Normalschanze und holte damit das erste deutsche Skisprung-Gold im Einzel seit Jens Weißflog 1994
Andreas Wellinger siegte von der Normalschanze und holte damit das erste deutsche Skisprung-Gold im Einzel seit Jens Weißflog 1994 © Getty Images
Laura Dahlmeier holte Gold im Biathlon über 7,5 Kilometer und eröffnete damit den erhofften deutschen Medaillenregen in Pyeongchang
Laura Dahlmeier holte Gold im Biathlon über 7,5 Kilometer und eröffnete damit den erhofften deutschen Medaillenregen in Pyeongchang © dpa
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Dahlmeier hat keine Lust auf Party

Allerdings bestand noch Hoffnung. Anstatt wie damals mit drei Minuten übergab sie mit einem Rückstand von einer Minute. Weil sich jedoch Herrmann und Hildebrand von der Verunsicherung anstecken ließen, blieb die Aufholjagd aus. Die drei Ränge, die schließlich Dahlmeier noch gutmachte, stellten allenfalls Ergebniskosmetik dar.

„Das ist eine blöde Situation. Wir hatten uns viel mehr vorgenommen“, sagte die enttäuschte Doppel-Olympiasiegerin und verspürte keine Lust auf eine Abschlussparty. Bundestrainer Gerald Hönig meinte auf Sotschi verweisend: „Leider konnten wir unseren Frieden mit Olympia-Staffeln nicht machen.“

War die Besetzung falsch?

Was aufgrund der jüngsten Erfolgsserie umso bitterer ist: Zuletzt war die deutsche Frauen-Riege achtmal in Folge aufs Podest gestürmt, stand siebenmal sogar ganz oben. Eine Diskussion um die Besetzung wollte Hönig trotzdem nicht aufkommen lassen: „Die Vier haben ihre Vorleistungen gebracht und sind berechtigt gelaufen. Ich würde immer wieder so aufstellen.“

Auf die in der Mixedstaffel so starke Vanessa Hinz hatte er ebenso verzichtet wie auf die ausgeruhte Maren Hammerschmidt. Sie hatte im vergangenen Winter noch zum Weltmeister-Quartett gehört.

Und Preuß? Die 23-Jährige verschwand zunächst mit hängendem Kopf im Umkleide-Container und stand anschließend wie ein Häufchen Elend im Zielbereich. „Das ist megabitter. Es tut mir so wahnsinnig leid“, sagte sie völlig geknickt. Ihr einziger Trost: Diesmal hatte sie nicht allein versagt.