Brisbane. Alexander Zverev trug mit zwei Siegen zum deutschen Erfolg in Australien bei. Boris Becker: “Mit Deutschland ist wieder zu rechnen.“

Nach einigen Momenten der kollektiven Freude löste sich Alexander Zverev aus dem Kreis seiner Teamkollegen, hängte sich eine Deutschlandfahne über die Schultern und kehrte zurück ins Rampenlicht. Auch das faire australische Publikum ließ keinen Zweifel daran, wem in diesem Augenblick der Respekt und die volle Aufmerksamkeit gehörten. Warmer Applaus rieselte auf den deutschen Matchwinner nieder, und Zverev klopfte sich ergriffen aufs Herz.

Auch Boris Becker (l.) konnte sich von Alexander Zverevs neuer Hingabe überzeugen
Auch Boris Becker (l.) konnte sich von Alexander Zverevs neuer Hingabe überzeugen © Imago/Hasenkopf

Hinter der Bande hielt Boris Becker die Szenen für die Nachwelt – oder seine Fans auf Instagram – fest. Beeindruckt sagte der Chefberater des deutschen Herrentennis: „Das war heute echte Weltklasse. Es gehört schon viel dazu, Nick Kyrgios auf dessen bestem Belag in dessen Heimat zu schlagen.“ Mit 6:2, 7:6 (7:3), 6:2 hatte Zverev dieses Kunststück vollbracht und Deutschland in Brisbane nach vier Jahren wieder zurück ins Davis-Cup-Viertelfinale geführt.

Der lange Hamburger nutzte seine Chance

Der 20-Jährige veredelte damit seinen hart erkämpften 7:5, 4:6, 4:6, 6:3, 7:6 (7:4)- Auftaktsieg vom Freitag gegen den australischen Aufsteiger Alex de Minaur, mit dem er Deutschland 1:0 in Führung gebracht hatte. Jan-Lennart Struff unterlag anschließend Kyrgios 4:6, 4:6, 4:6. Die Weichen zum Gesamterfolg stellte am Sonnabend das Doppel Jan-Lennart Struff und Tim Pütz, die sich nach 3:17 Stunden mit 6:4, 6:7 (1:7), 6:2, 6:7 (4:7), 6:4 gegen John Peers und Matthew Ebden durchgesetzt hatten.

Dieser zweite Punkt war nicht unbedingt erwartet worden. „Ich hatte das Gefühl, dass die Jungs über fünf Sätze das bessere Duo waren, die Australier über weite Strecken dominiert haben. Wir sind sehr glücklich, dass wir diesen Punkt geholt haben“, sagt Kapitän Michael Kohlmann. Zwei Chancen hatte sein Team nun vor den abschließenden Einzeln – gleich die erste nutzte der lange Hamburger.

„Ohne meine Teamkollegen wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagte Zverev nach seinem Sieg. „Wir wussten, dass alle etwas beitragen und opfern müssen, damit wir die starken Australier schlagen können“, sagte Michael Kohlmann „stolz und erleichtert“.

Ein Team, das weiterkommt

Auch für den Teamkapitän war es nach jahrelangem Abstiegskampf der erste Sieg in der Auftaktrunde der Weltgruppe. „Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, große Teams auch auswärts zu schlagen“, sagte Kohlmann. Becker nannte den Sieg „eine Nachricht an die anderen Tennisnationen, dass mit Deutschland wieder zu rechnen ist“. Und Zverev kündigte an: „Wir haben ein Team, das weit kommen kann.“

Der Weltranglistenfünfte wird auch in der nächsten Runde (6. bis 8. April) in Spanien mit von der Partie sein. Das versprach er noch am Sonntagmittag: „Wenn ich nominiert werde, spiele ich auch im Viertelfinale.“ Gegen Kyrgios lieferte er eine reife Leistung, seine beste seit seinem Debüt im Davis Cup vor zwei Jahren. Ob Kyrgios tatsächlich am Ellbogen verletzt war oder nur eingeschüchtert von Zverevs konzentriertem Auftreten, „muss uns ganz egal sein“, sagte Becker. Mit seinen zielsicheren Returns als Antwort auf Kyrgios’ Aufschlaggeschosse hatte sich Zverev jedenfalls den nötigen Respekt erarbeitet. Nachdem er zwei Satzbälle abgewehrt hatte, rastete Kyrgios aus, zerstörte seinen Schläger und bekam eine Punktstrafe aufgebrummt.

Zverev ließ sich feiern – zu Recht

Zverev durfte sich zu Recht feiern lassen. Noch mehr als eine halbe Stunde nach dem Matchball schrieb er auf dem Platz Autogramme und ließ sich mit den Fans fotografieren. Boris Becker, noch immer der größte deutsche Davis-Cup-Held, kleidete die Anerkennung für den „Klassenbesten“ in Worte: „Sascha nimmt durch seine Leidenschaft alle anderen Spieler mit.“

Für Zverev könnte der Ausflug nach Brisbane auch den Erkenntnisgewinn bringen, dass der Davis Cup die individuelle Karriere nicht behindert, sondern befördert. Und dass er, ganz nebenbei, auch Sympathien einbringen kann, von einer bisher nicht vorbehaltlos hinter ihm stehenden deutschen Tennis­gemeinde. Zverev will nun auf jeden Fall weiter mittendrin sein im Davis-Cup-Geschehen. Nicht zu vergessen auch die in Brisbane verletzt oder erkrankt fehlenden Philipp Kohlschreiber oder Mischa Zverev, die mehr als nur Alternativen für das Team sind. So war es auch weder überraschend noch übermütig, als Alexander Zverev mit sehr gefasster Stimme sagte: „Das war die erste Runde, aber wir wollen nicht hier aufhören.“

Daviscup, Weltgruppe, Achtelfinale: Australien - Deutschland 1:3, Japan - Italien 1:3, Kasachstan - Schweiz 4:1, Spanien - Großbritannien 3:1 ,Frankreich - Niederlande 3:1, Belgien - Ungarn 3:2, Kroatien - Kanada 3:1, Serbien - USA 1:3. Viertelfinale (6.-8. 4.): Spanien – Deutschland, Italien – Frankreich, Kroatien – Kasachstan, USA – Belgien.