pyeongchang/Genf. Der internationale Sportgerichtshof CAS hebt die lebenslangen Sperren für die Athleten auf – und gibt ihnen ihre Medaillen zurück.

Ein sonniger Donnerstag neigte sich am Olympia-Ort Pyeongchang dem Ende zu, die ersten Athleten waren gerade ins olympische Dorf eingezogen, da erschütterte der Generalsekretär des Internationalen Sportgerichtshofs CAS mit seinem Statement die Sportwelt: Der CAS hat alle Doping-Sanktionen gegen 28 russische Wintersportler aufgehoben. Elf weitere Sportler bleiben von den Spielen in Pyeongchang ausgeschlossen, ihre lebenslangen Sperren für Olympia sind aber ebenfalls ungültig.

Leitartikel: Das IOC ist in Sachen Doping gescheitert

Vor allem die Begründung war für das IOC, das die Urteile gefällt hatte, eine schwere Niederlage. Denn der CAS kippte die Sperren aus Mangel an Beweisen. Den Juristen erschien zu dürftig, was das IOC zusammengetragen hatte, bevor es insgesamt 43 russische Wintersportler von künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen hatte, weil die Athleten bei den Heimspielen in Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen.

Was bedeutet das Urteil und welche Auswirkungen hat es? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.


Wie lautet das Urteil des CAS? Wie wurde die Entscheidung begründet?
Der CAS hat aus Mangel an Beweisen alle Doping-Sanktionen gegen 28 russische Wintersportler aufgehoben. Elf weitere Sportler dürfen nicht zu den Spielen nach Pyeongchang, ihre lebenslangen Olympia-Sperren wurden aber ebenfalls kassiert. Der CAS betonte, dass die Athleten nicht für „unschuldig“ erklärt worden seien, sondern dass die Beweislage nicht ausreichend sei.

Wer sind die prominentesten Athleten?
Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow, Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow und Rodler Albert Dem­tschenko gehören dazu. Sie behalten ihre vor vier Jahren gewonnenen Medaillen.


Sind die 28 entlasteten russischen Sportler nun automatisch für die Spiele in Pyeongchang startberechtigt?

Nein. Nach der Suspendierung des russischen Nationalen Olympischen Komitees (ROC) können russische Sportler nur auf IOC-Einladung starten. „Die CAS-Entscheidung bedeutet nicht, dass Athleten aus der Gruppe der 28 zu den Spielen eingeladen werden“, stellte das IOC klar. Wer nicht sanktioniert wurde, bekomme nicht automatisch das Privileg einer Einladung. Allerdings können die Sportler versuchen sich einzuklagen.


Worum ging es in der Causa Russland überhaupt?
Das IOC hatte insgesamt 43 russische Wintersportler von künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen, weil die Athleten bei den Heimspielen in Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen. 42 der betroffenen Sportler legten vor dem CAS Einspruch ein. Ende Januar waren 39 Russen vom Sportgerichtshof angehört worden, via Videoschalte ebenso der Kronzeuge
Grigori Rodschenkow – früher Chef des Anti-Doping-Labors Moskau – und der Wada-Chefermittler Richard McLaren. Die Fälle von drei schon zurückgetretenen Biathletinnen werden erst später behandelt.


Worauf stützte sich das IOC bei seinen Entscheidungen?
Grundlage der IOC-Beschlüsse in der Causa Russland waren die Aussagen von Rodschenkow und die Berichte von Sonderermittler McLaren für Wada. Rodschenkow hatte nach seiner Flucht in die USA über das mutmaßliche Betrugssystem bei Olympia in Sotschi berichtet. McLaren sammelte weitere Beweise für ein groß angelegtes Dopingprogramm. Die vom IOC eingesetzte Disziplinarkommission unter Leitung von Denis Oswald sah nach weiteren „forensischen und analytischen Doping-Untersuchungen“ die Beweislast gegen die Russen als erdrückend an. Dem CAS genügte dies jedoch nicht.


Wie ging Russland mit den Vorwürfen um?
Das Staatliche Ermittlungskomitee hielt die IOC-Sicht von Anfang an für widerlegt. Von einem Schuldeingeständnis sind die Russen weit entfernt. Nationalistische Politiker wollen sogar Wada-Funktionäre strafrechtlich verfolgen. Kremlchef Wladimir Putin hatte Whis­tleblower Rodschenkow als Idioten und Verbrecher bezeichnet. „Man muss ihn ins Gefängnis stecken.“


Wie reagieren Funktionäre und Politik?
Vladimir Putin ist natürlich zufrieden. „Das bestätigt unsere Position, dass die überwältigende Mehrheit unserer Athleten sauber ist“, sagte er. DOSB-Chef
Alfons Hörmann hat das CAS-Urteil als „Schlag ins Gesicht des sauberen Sports“ kritisiert. Jim Walden, Anwalt des Kronzeugen Rodschenko, sagte, das Urteil ermutige Betrüger und lade „das korrupte russische Doping-System und Putin zu weiteren unrechtmäßigen Siegen ein. Für Alexander Legkow hat dessen deutscher Anwalt Christof Wieschemann heftige Kritik am IOC und Wada-Chefermittler Richard McLaren geübt. „Die Verantwortlichen des IOC haben ihnen seit Langem vorliegende Erkenntnisse, die wichtige Teile der Angaben von Dr. Rodschenkow greifbar widerlegen, nie gewürdigt“, sagte er. Der deutsche Sportrechtler Michael Lehner sprach von einer „weiteren Peinlichkeit für das IOC“.


Wie wird Russland bei den Winterspielen nun vertreten sein?
Das NOK Russlands ist nach der IOC-Entscheidung für die Winterspiele gesperrt. Allerdings dürfen Sportler unter neutraler Flagge starten. Sie werden als „Olympischer Athlet aus Russland“ geführt. Nach eingehender Prüfung hat das IOC 169 russischen Athleten erlaubt, in Südkorea anzutreten. Mehrere Spitzensportler wurden aber überraschend ausgeschlossen. Dies erregte Unmut in Moskau. Eisschnellläuferin Olga Graf (Olympia-Dritte in Sotschi) verzichtet aus Protest auf einen Start.