Hamburg. Die Yachtsegler suchten ihren Meister der Meister. Schüler Leo Beyer wurde sensationell Zweiter hinter Carsten Kemmling.

Als die Arbeit getan war und die nasse Segelkluft abgelegt, zeigte Leo Beyer (14), was ein angehender Gentleman ist: Zur Siegerehrung hatte ihm Mutter Martina drei kleine Rosensträuße mitgebracht, die er artig an seine Frauen-Crew verteilte: Silke Basedow, Louisa Krüger und Anke Lukosch hatten mit dem Hamburger Schüler Beyer am Steuer bei der Meisterschaft der Meister Platz zwei vor Titelverteidiger Jan Philipp Hofmann und hinter Sieger Carsten Kemmling und dessen Crew belegt. Eine kleine Sensation, denn die Frauen mit dem nur 1,58 großen und 50 Kilogramm leichten Nachwuchs-Skipper hatten auf dem Weg dorthin unter anderem Olympiateilnehmer Paul Kohlhoff, Einhandjollensegel-Legende André Budzin sowie Phillip Kasüske, den Junioren-Weltmeister von 2016 im Finn-Dinghy, hinter sich gelassen.

Zuvor hatte sich Matchrace-Meister Max Gurgel, einer der Mitfavoriten, im Halbfinale eine Kollision mit Beyer geleistet. Die anschließende Juryentscheidung gegen ihn bedeutete das Ende der Titelträume. Statt seiner zog der junge O’Pen Bic-Meister in die Vorschlussrunde auf der Außenalster. „So ist der Sport“, sagte Gurgel sportlich fair. „100-mal geht ein enges Manöver gut und beim 101. Mal hat man das Nachsehen.“

Zweiter Wettkampftag im Regen

Segeln im Norden Deutschlands, das bedeutet vor allem in diesem Jahr Schietwetter. Zwar hatte der zweite Wettkampftag sonnig begonnen, doch gegen 13 Uhr, als sich die Traditionsregatta mit dem Halbfinale der sechs qualifizierten Boote in der entscheidenden Phase befand, öffnete der Himmel seine Schleusen über der Innenstadt und überspannte auch die Außenalster sowie das Clubhaus des veranstaltenden Hamburger Segel Clubs (HSC) mit einem dichten Netz aus heftigem Regen.

Doch Wassersportler sind hart im Nehmen, die Altgedienten erkennt man an ihren wettergegerbten Gesichtern und den von der harten Bootsarbeit gezeichneten Händen, und so ließen es sich die in der nassen Kälte ausharrenden Yachtsegelfans, Vereinsmitglieder, Angehörige und Freunde bei belegten Brötchen, Kaffee und Bier nicht nehmen, das Geschehen draußen vor dem Steg bis zum Ende am späten Nachmittag zu beobachten und zu kommentieren. Spontaner Beifall brandete auf, wenn die Sportler ihre etwa 20 Minuten dauernden Ausscheidungsrennen beendet hatten, aber auch ironische Sprüche wie „Segeln hat nichts mit Sport zu tun, sondern mit Sympathie“, waren Kennzeichen der guten Stimmung unter der Plane draußen sowie hinter den Glasscheiben im Inneren des Segelheims.

Sieger Kemmling erhielt für Drehen des Bootes eine Zeitstrafe

Sieger Kemmling, ehemaliger Chefreporter des Segelmagazins „Yacht“, bedankte sich mit einem Augenzwinkern nach der Pokalübergabe für die „nette Hilfestellung“ der Konkurrenz und ihre Kollision, die ihn etwas glücklich ins Finale gebracht hatte. Denn auch Kemmling war in der ersten Halbfinalfahrt wegen einer unerlaubten Aktion mit einer sogenannten Kringelstrafe, dem Drehen des Bootes um sich selbst, belegt worden. Eine empfindliche Zeitstrafe, die ihn zurück warf. Im Finale dann ließ der erfahrene J/70-Segler sowohl Beyer als auch Titelverteidiger Hofmann, keine Chance. Er gewann mit der cleversten Taktik gleich die ersten beiden Rennen und erlöste mit der schnellen Entscheidung nach nur zwei Wettfahrten die fröstelnden Zuschauer, aber auch die Beiboote und ihre Besatzung von weiteren Regengüssen. Laut Reglement wird Meister der Meister, wer bei drei Finalteilnehmern zuerst zwei Rennen gewonnen hat.

Unter den Zuschauern war natürlich auch HSC-Mitglied Jochen Halbe. Der hatte vor 37 Jahren den Wettbewerb ins Leben gerufen. Mit viel Eigeninitiative hatte der Segel-Journalist damals sein berufliches Netzwerk ausgenutzt und den Hamburger Segelfans einen Wettbewerb am Ende der Saison geschenkt, der die Besten der Besten der vielen Bootsklassen noch einmal gegeneinander antreten lässt.

Durchgefroren war am Ende auch Martina Beyer. Sie hatte sich am Morgen leichtsinnigerweise von der Sonne locken lassen und nur eine dünne Sommerhose angezogen. Dass der Sohn es bis ins Finale schaffte, kommentierte sie hanseatisch zurückhaltend: „Cool.“ Dass der kleine Beyer sich die Bundesliga-Crew des HSC als Partnerinnen aussuchen würde, hatte die Familie daheim am Küchentisch gemeinsam besprochen. So geht Taktik im Kleinen.