Hamburg. An diesem Wochenende kämpfen in Hamburg Deutschlands beste Yachtsegler um den Titel. Die Lokalmatadore Gurgel gehören dazu.

Es ist die besondere Lage, die den Reiz dieses Gewässers ausmacht. Mitten in der Stadt, zwischen grünen Wiesen, gesäumt von Bäumen und Häusern, gebärdet sich der Wind oft heimtückisch auf der Außenalster. Unerwartete Böen und Thermik fordern höchste Konzentration, aber auch Einfühlungsvermögen für die perfekte Symbiose zwischen Boot, Mensch und Naturgewalt. Bleibt die Sache mit der Taktik, der Strategie. Gelegenheiten schneller erkennen, den Gegner mit Manövern überraschen, um am Ende Schnellste zu sein – eine Herausforderung, wie sie die Hamburger Segelbrüder Karl und Max Gurgel lieben.

„Uns gibt es auf dem Boot nur im Doppelpack“, sagt Max Gurgel (33), einer der profiliertesten Yachtsegler Deutschlands. Kommt dann noch ein gewisser Thorben Strube mit an Bord, ist die Konkurrenz gewarnt. „Ich staple gern tief“, sagt Max Gurgel, der seinen Sport auch zum Beruf gemacht hat. „Aber wenn es gut läuft, können wir gewinnen.“

Prominente Sportler sind dabei

Wieder gewinnen muss es heißen. 2014 haben sie schon einmal in selber Besetzung den Pokal in der Hand gehalten: Sieger bei der Meisterschaft der Meister. Ein Segelwettbewerb, der in diesem Jahr bereits zum 37. Mal auf der Außenalster ausgetragen wird. Ausrichter ist der Hamburger Segel Club (HSC), der in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen feiert. Ab 10 Uhr am Sonnabend bis Sonntag 15 Uhr kreuzen dort vor dem Steg die besten deutschen Segler um die Krone ihres Sports. Olympiateilnehmer, Deutsche Meister, Sieger bedeutender nationaler und internationaler Regatten, die Crème de la Crème der Branche ist zum Leistungsvergleich im Hamburger Niesel-Herbst gefordert.

Prominente Sportler wie Olympiasieger Paul Kohlhoff, aber auch Hamburgs Nachwuchsstar Leo Beyer (13), amtierender Meister der Jugendklasse O’Pen Bic und viel beachteter Zweiter in derselben Klasse innerhalb des legendären America’s Cup in diesem Jahr, sind dabei. 36 Teams mit je drei Besatzungsmitgliedern haben gemeldet. „So viele wie lange nicht“, sagt Wolf-Dieter Jahn, zuständig für Leistungssport und Wettsegeln. Jeder gegen jeden. Jung gegen Alt. „Leider gibt es in diesem Jahr kein reines Frauenteam“, sagt Jahn. „Aber unser Youngster, der Leo, hat sich die HSC-Bundesliga-Crew um Taktikerin Silke Hahlbrock ins Boot geholt.“

Flexibilität und technische Kenntnisse

Die sechs Boote vom Typ J/70 werden vom Hamburger Segel Club gestellt. Kleine, wendige Hochleistungsyachten, auf denen die Skipper zeigen müssen, dass sie Runde für Runde in den Ausscheidungsrennen mit dem fremden Material zurechtkommen. Etwa 20 Minuten dauert jeder Wettkampf Boot gegen Boot. Am Sonntag dann messen sich am frühen Nachmittag, wenn es das Wetter zulässt, die drei besten Yachten im Finale. Meister der Meister wird, wer zuerst zwei Rennen gewonnen hat.

Die Brüder Gurgel, Matchrace-Meister 2016 und gewissermaßen Lokalmatadore an diesem Wochenende, sind darin geübt, auf fremden Booten zu segeln. Wie beim Pferdewechsel in der Dressur, dem Springreiten oder dem Modernen Fünfkampf, wo die Sportler jeweils die Pferde der Konkurrenz reiten müssen, verlangt auch ein Matchrace viel Flexibilität und technische Kenntnisse vom jeweiligen Skipper und seiner Crew. Denn die Boote werden immer vom Veranstalter gestellt. Sich möglichst schnell auf den neuen Schiffstyp einzustellen und als Team zu funktionieren, ist wichtige Voraussetzung für den Erfolg. „Unser Sport ist superbreit aufgestellt“, sagt Max Gurgel. „Ich glaube sogar, es gibt keinen komplexeren Sport.“

Gurgels Wurzeln sind immer noch in Hamburg

Vor einem Jahr hat er sich selbstständig gemacht. Als Berater für Eigner im Yachtsegelsport hilft er, Boote zu optimieren. Eine komplizierte Materie, denn in den Rennen treten, anders als beim Matchrace, unterschiedliche Bootstypen gegeneinander an. Um dennoch eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen, gibt es sogenannte Rennwerte. Dazu gehört unter anderem das Crewgewicht, die Segelgröße, aber vor allem die Beschaffenheit jenes Teils des Schiffs, das unter Wasser liegt. Ein wichtiger Parameter. Computerprogramme errechnen am Ende einer Regatta, wie viel die gesegelte Zeit unter Berücksichtigung der Messwerte tatsächlich beträgt. „Meine Aufgabe ist es, so an den Stellschrauben zu drehen, dass das Boot am Ende vorne ist.“ Drei von ihm optimierte Yachtprojekte führte er schon zum Meistertitel.

Gurgel hat einen Master in Physik. Eine Zeit lang hat er in einer Softwarefirma gearbeitet, ehe er feststellte, dass ihm tägliche Arbeit ohne Bootsbezug keinen Spaß macht. Der neue Job vereint beides. Die Liebe zum Segelsport hat der Vater den Söhnen mitgegeben. Und als ihre drei Männer am Wochenende mehr auf dem Wasser als zu Hause waren, hat auch Mutter Gurgel irgendwann den Weg ins Yachtsegeln gefunden. Regatten wie die an diesem Wochenende nutzt Max Gurgel für einen Besuch zu Hause. Er hat seinen Heimathafen in Kiel gefunden. „Aber die Wurzeln sind immer noch in Hamburg.“

Weil Hauptsponsor absprang, übernahm HSC

Dass die Meisterschaft der Meister überhaupt stattfinden kann, ist dem Engagement des Hamburger Segel Clubs zu verdanken. Im vergangenen Jahr sprang überraschend ein Großsponsor ab, die Traditionsregatta fiel aus. Mit viel Herzblut und dem Einsatz von mehr als 40 ehrenamtlichen Helfern sowie lokalen Sponsoren ist es gelungen, in Eigenregie den Wettbewerb zu reaktivieren. „Back to the roots“, sagt Jahn. „Unsere Veranstaltung ist vielleicht ein bisschen weniger opulent als in der Vergangenheit. Aber die große Nachfrage zeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben.“ 2018 wartet die nächste Herausforderung. Das Aus der Messe „Hanseboot“ nach 56 Jahren ist beschlossen. Auch sie gehört zum Sponsorenkreis der Kult-Regatta.

Ob es am Sonntag zu einem Alsterbad der Sieger-Crew kommt, ist allerdings zweifelhaft. Die Wetterbedingungen an diesem Wochenende verheißen zwar Wind, aber auch Regen und kühlere Temperaturen. „Jeder, der hier mitmacht, kann segeln“, sagt Max Gurgel. „Entscheidend wird die Tagesform sein.“ Und vielleicht ein kleiner Heimvorteil. Die Gurgel-Brüder haben ihren Sport beim HSC gelernt. Sie kennen die Ecken auf der Alster, wo günstige Winddrehungen sind. Vielleicht hilft es.