Hamburg. Die Hindernisläuferin Jana Sussmann aus Hamburg will bei der Leichtathletik-EM ihre erste Olympia-Teilnahme perfekt machen.

Kürzlich haben Jana Sussmann und Beate Conrad ein gemeinsames Krafttraining absolviert. Auf der Jahnkampfbahn im Stadtpark war weit und breit niemand, der hätte mit anpacken können, also haben sie eben selbst eines der schweren Hindernisse herangeschafft und auf den Rasen gewuchtet, um dort den Sprung am Wassergraben zu simulieren. Anstrengend war das, aber Trainerin Conrad will ganz sichergehen, dass ihrem Schützling bei der Leichtathletik-EM in Amsterdam nicht das Gleiche passiert wie vor zwei Jahren in Zürich. Damals war Sussmann gestrauchelt und bäuchlings ins Wasser gefallen.

Jetzt ist die Trainerin unbesorgt: „Janas Technik sieht gut aus.“ Konzentrieren, nicht trippeln, sondern den Balken aggressiv angehen: Das wird Conrad Sussmann am Freitagmorgen noch einmal einschärfen, bevor um 13.30 Uhr die Vorläufe beginnen. Dann sollte es im dritten Anlauf endlich klappen mit einem Endlauf bei einer großen Meisterschaft. Conrad jedenfalls ist „total optimistisch. Jana hat eine Stabilität wie noch nie.“

Kampf um den dritten Startplatz wird zum Fernduell

28 Bewerberinnen um 15 Finalplätze stehen auf der Startliste. Sanaa Koubaa war zunächst gemeldet, wurde aber kurzfristig gestrichen: Die Leverkusenerin hatte die EM-Norm (9:48,00 Minuten) bei den deutschen Meisterschaften in Kassel Mitte Juni um sieben Hundertstelsekunden verpasst und ist nur Ersatz. Sussmann (25) war damals direkt hinter Koubaa als Vierte ins Ziel gelaufen. Aber weil sie zwölf Tage zuvor in Prag in 9:43,56 Minuten nicht nur die Vorgabe für die EM, sondern auch gleich die drei Sekunden schnellere für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) erfüllt hatte, darf die Hamburgerin in Amsterdam an den Start gehen, neben der WM-Dritten Gesa Felicitas Krause (Frankfurt) und Maja Rehberg (Kronshagen/Kiel).

„Nach dem vierten Platz hatte ich ein bisschen das Gefühl, es nicht verdient zu haben, zur EM zu fahren“, sagt Sussmann. Umso mehr hoffe sie, ihre Nominierung durch eine gute Leistung zu rechtfertigen. Zumal die erste Olympiateilnahme noch abgesichert werden muss – im Fernduell. Koubaa will am Sonnabend in Kortrijk (Belgien) versuchen, die 9:45 Minuten zu unterbieten und Sussmann noch vom dritten Startplatz für Rio zur verdrängen. Schafft es die Hamburgerin in den Endlauf, könnte sie am Sonntag um 17.15 Uhr noch einmal kontern. Am Montag dann wird der Deutsche Leichtathletik-Verband dem Deutschen Olympischen Sportbund seine Kandidaten zur Nominierung vorschlagen. Wäre Jana Sussmann dabei, dann wäre das für sie „die Erfüllung eines sehr großen Traums“.

Sie war ihm vor vier Jahren schon sehr nahe gekommen. Damals wurde die kleine Blonde mit dem ansteckenden Lächeln als Entdeckung gefeiert, die Spiele in London schienen die logische Fortsetzung der Erfolgsgeschichte zu sein, in der sie im Jahr zuvor schon zwei große Kapitel geschrieben hatte: den deutschen Meistertitel und die Teilnahme an der WM in Südkorea.

Auch Rückschläge werfen Sussmann nicht aus der Bahn

Dann aber, Sussmann war gerade von der LG Nordheide zum Lauf-Team Haspa-Marathon gewechselt, machten ihr Atemprobleme zu schaffen. Vielleicht eine Allergie gegen Hausstaubmilben. Vielleicht auch eine Folge des Drucks, den sich Jana Sussmann selbst gemacht hat. Jedenfalls war die Olympiasaison gelaufen.

Sie ist damals trotzdem bei den Spielen gewesen, als Touristin, ihre Familie hatte die Reise längst gebucht, samt Onkeln und Tanten, Großeltern, Cousins und Cousinen. Als Jana Sussmann von der Tribüne aus die Kolleginnen im Vorlauf sah, „da hatte ich schon einen Kloß im Hals“. Sie sei dann einmal ums Olympiastadion gelaufen, habe sich für ein Vermögen einen Cappuccino und einen Muffin gekauft und allein gegen die Tränen angekämpft. Der Rückschlag hat sie nicht aus der Bahn geworfen, auch nicht, dass sie erst 2013 ein Knochenödem und dann 2015 eine Kreuzbeinfraktur eine zweite WM-Teilnahme kosteten.

In dieser Saison hat ihr zierlicher 50-Kilogramm-Körper einmal kein Hindernis in den Weg gestellt. Trainerin Conrad führt es darauf zurück, dass Sussmann neuerdings von ihrer Mutter, einer gelernten Masseurin, ins Trainingslager begleitet und physiotherapeutisch behandelt wird.

Sollte sie es trotzdem nicht nach Rio schaffen, wäre es nicht das Ende aller Träume. Denn davon hat Jana Sussmann nicht nur einen. Im nächsten Semester hofft sie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften ihre Bachelorarbeit im Studiengang Medien und Information fertigstellen zu können. Danach will sie endlich einmal für längere Zeit nach Schweden, jenes Land, das sie schon als Kind in den Büchern Astrid Lindgrens lieben gelernt hat und dessen Sprache sie sich inzwischen beigebracht hat.

Es lässt sie die Dinge mit der nötigen Gelassenheit angehen. „Ich will in Amsterdam mein Bestes geben“, sagt Sussmann, „aber wenn das nicht reichen sollte, habe ich immer noch dieses Ziel.“