Neubrandenburg. In seinem 50. Kampf zeigte Jürgen Brähmer Eduard Gutknecht die Grenzen auf. Als nächsten Gegner wünscht er sich Felix Sturm.

Zwischen acht und 8,5 Millionen Katzen leben in deutschen Haushalten. Und jeder, der sein kleines Raubtier nicht als Stubentiger hält, wird das perverse Schauspiel schon erlebt haben, das aufgeführt wird, wenn das geliebte Haustier eine lebendige Maus anschleppt und mit dieser Fangen spielt bis zum todbringenden Tatzenhieb. Man musste sich in der Nacht zum Sonntag im Jahnsportforum in Neubrandenburg an dieses Katz-und-Maus-Spiel erinnert fühlen während der ersten sechs Runden eines WM-Boxkampfes, der als erbitterte Revanche angekündigt war und als einseitige Vorführung zu enden drohte.

Der Kater hieß Jürgen Brähmer, die Maus Eduard Gutknecht. Dass nach zwölf Runden allerdings die drei Punktrichter benötigt wurden, um dem alten und neuen WBA-Champion im Halbschwergewicht einen einstimmigen Punktsieg (118:110, 116:111, 116:111) zuzusprechen, lag daran, dass der finale Hieb in Form eines K.-o.-Treffers nicht gelingen wollte. Bisweilen verlieren Katzen ja das Interesse an ihrer Beute, weil ihnen die Jagd wichtiger ist als das Fressen. Bei Brähmer indes war es eine wieder aufgebrochene Verletzung in der linken Schlaghand, die ihn von Runde sieben an das letzte Risiko vermeiden ließ. „Ich habe in der sechsten Runde einen stechenden Schmerz gespürt und dachte, dass es besser wäre, vorsichtig zu sein“, sagte der Schweriner.

Gutknecht gestand sein Scheitern ein

Die Möglichkeit, den Kampf vorzeitig zu beenden, hatte er da allerdings schon mehrfach verstreichen lassen. „Mein Fehler war, dass ich in den ersten Runden nicht nachgesetzt habe“, sagte er. Man muss das verstehen, schließlich hatte sich der 37-Jährige zu seinem Jubiläum – Brähmer bestritt in Neubrandenburg seinen 50. Profikampf und schaffte den 48. Sieg – eine Reihe an alten Weggefährten aus dem Hamburger Universum-Stall eingeladen, für den er bis zu seinem Wechsel zum Berliner Sauerland-Team 2012 rund 13 Jahre gekämpft hatte. Exweltmeister wie Dariusz Michalczewski, Juan Carlos Gomez, Artur Grigorian oder Sebastian Zbik saßen am Ring, da will man natürlich nicht nach wenigen Runden schon die Party beenden.

Immerhin war Gutknecht, der im Februar 2013 das erste Duell etwas knapper nach Punkten verloren und seitdem auf die Revanche gewartet hatte, ehrlich genug, sein Scheitern einzugestehen. „Ich hätte viel mehr machen müssen, um zu siegen. Ich habe den Kampfbeginn verschlafen. Jürgen ist ein großartiger Champion, ich hätte über meine Grenzen gehen müssen, aber das ist mir nicht gelungen“, sagte der Gifhorner, der am kommenden Sonnabend 34 Jahre alt wird.

Stattdessen bekam er seine Grenzen aufgezeigt, auch wenn die couragierte Leistung in der zweiten Kampfhälfte sein bisweilen unsauberes Klammern und Nachschlagen auf den Nacken, für das ihm in Runde zehn ein Punkt abgezogen wurde, überlagerte. Seine letzte große Chance hat der frühere Universum- und Sauerland-Profi, der seit knapp einem Jahr für den Berliner Wiking-Stall kämpft, damit wohl vertan, auch wenn Promoter Winne Spiering ankündigte, im Supermittelgewicht nach neuen Herausforderungen für Gutknecht zu suchen.

Brähmer will gegen Felix Sturm kämpfen

Welchen Herausforderungen sich Brähmer in Zukunft stellen wird, ließ Promoter Kalle Sauerland offen. Die Hoffnung auf Kämpfe gegen internationale Topgegner wie WBC-Weltmeister Adonis Stevenson aus Kanada, der bereits zwei Angebote aus Berlin abgelehnt hat, oder den Waliser Nathan Cleverly besteht weiterhin. Brähmer dagegen könnte sich auch ein erneutes deutsches Duell vorstellen, gegen WBA-Supermittelgewichtsweltmeister Felix Sturm am Hamburger Rothenbaum. „Zum Glück ist das nicht mein Job, dafür ist mein Promoter zuständig“, sagte er.

Zur Wahrheit gehörte an einem Abend, an dem alle Beteiligten sich über einen actionreichen und spannenden WM-Kampf freuten, allerdings auch, dass Brähmer im Gefühl des sicheren Sieges wieder einmal zu leichtsinnig boxte und sich in der zweiten Kampfhälfte Treffer einfing, die gegen Spitzenleute vom Schlage Stevensons oder gar des Dreifachchampions Sergej Kovalev (Russland/WBO, IBF, WBA Super) böse enden würden. Dass ihn ein durch Kopfstoß in Runde neun erlittener Cut an der linken Augenbraue nicht aus der Ruhe brachte, war seiner Erfahrung zu verdanken. Dennoch war der Kampf in der zweiten Hälfte nicht mehr so schön anzuschauen, weil beide Boxer meist ineinander verkeilt waren wie Kleinwagen nach einem Auffahrunfall.

Natürlich wächst ein Sportler an seinen Aufgaben, umso wichtiger wäre es deshalb, wenn Sauerland und Brähmer eine Grundsatzentscheidung träfen. Titelverteidigungen wie die jüngste kann Brähmer so lange bestreiten, dass er auch das Jubiläum zum 60. Profikampf gesund und munter erleben wird. Will er aber wirklich beweisen, dass er die Nummer eins der Welt in seinem Gewichtslimit ist, muss er gegen Stevenson oder Kovalev riskieren, einmal nicht die Katze zu sein. Sondern die schlaue Maus, die am Ende doch der Gewinner sein kann.