Hamburg. Der Halbschwergewichtler stand bei den wichtigen Boxställen im Schatten von Jürgen Brähmer. Heute kann er im WM-Duell beweisen, dass das falsch war

Warum er diesen Schritt nicht früher gegangen ist, hat sich Eduard Gutknecht in den vergangenen Monaten häufiger gefragt. Der Wechsel zum Berliner Profibox­team Wiking, für das der Halbschwergewichtler an diesem Sonnabend (22.30 Uhr/Sat.1) in Neubrandenburg zum WM-Duell mit WBA-Champion Jürgen Brähmer in den Ring steigt, war der Treibstoff für die Karriere, der dem 33-Jährigen kurzzeitig ausgegangen war.

„Es tut mir richtig gut, die Anerkennung als Topmann zu bekommen“, sagt der frühere Europameister, der nach einer Odyssee durch Deutschlands beste Boxställe mit seinem Sport fast abgeschlossen hatte. 2006 war er beim Hamburger Universum-Stall Profi geworden. Dort traf er auf seinen aktuellen Gegner – und musste verstehen, dass er nur das fünfte Rad am Wagen war. „Jürgen war damals das Jahrhunderttalent, für mich war ganz oben kein Platz, deshalb bin ich bei Universum untergetaucht“, erinnert er sich.

Der Wechsel zum Berliner Sauerland-Team im Jahr 2010, nachdem er gegen den Magdeburger Robert Stieglitz seine erste WM-Chance vergeben hatte, brachte kurzzeitig Besserung. Der Mann, den alle Eddy nennen, wurde 2011 Europameister. Doch als Brähmer nach der Insolvenz bei Universum 2012 ebenfalls zu Sauerland kam, wurden Gutknecht erneut die Grenzen aufgezeigt. Im Februar 2013 unterlag er dem Schweriner im ersten Duell einstimmig nach Punkten – und wusste, dass er auch bei Sauerland keine Zukunft haben würde. „Ich fühlte mich total verarscht, habe das ganze Team gehasst. Diesen Hass habe ich in den Kampf hineingenommen und dadurch viel Energie verloren. Das wird mir nicht noch einmal passieren“, sagt er.

Seine Karriere hätte der gebürtige Kasache damals fast beendet. Als Ulf Steinforth, Chef des Magdeburger SES-Teams, eine Zusammenarbeit mit der Begründung ablehnte, er sehe keine Perspektive darin, in Gutknecht zu investieren, da schien der Weg in ein neues Leben unumgänglich. Gescheut hätte der dreifache Vater, der mit seiner Familie in Gifhorn lebt, den Abschied nicht. Er ist gelernter Industriemechaniker, hat Gesundheitsmanagement studiert und könnte sofort den Übergang in ein geregeltes Berufsleben schaffen. „Aber ich habe gespürt, dass ich dazu noch nicht bereit war. Es fehlte noch etwas“, sagt er.

Drei Kämpfe hat Gutknecht seit Mai 2015 für Wiking bestritten, und er ist überzeugt davon, die beste Entscheidung getroffen zu haben. „Ich blühe hier noch einmal richtig auf“, sagt er. Mit seinem Trainer Hartmut Schröder bereitete sich „Energy Eddy“ im Hamburger EC-Stall mit Europameister Igor Michalkin, ein Rechtsausleger wie Brähmer, auf die zweite WM-Chance seiner Karriere vor.

Und er ist gewillt, diese zu nutzen. „Ich muss Jürgen danken, dass er nicht kneift, sondern das Risiko eingeht, noch einmal gegen mich zu boxen. Er ist ein Weltklassemann, vor dem ich großen Respekt habe“, sagt er. Aber wenn die Karriere noch einmal einen Impuls bekommen soll, dann, weiß Gutknecht, muss er Brähmer besiegen. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragt er. Die Antwort kennt er auch: dann nie mehr.