Bad Mitterndorf . Severin Freund sieht sich gerüstet, wartet aber auf die nötige Leichtigkeit. Lukas Müller kämpft im Krankenhaus um seine Gesundheit.

Das Vorgeplänkel zum WM-Showdown am Kulm bereitete Skiflug-Weltmeister Severin Freund noch keinen Genuss. „Der ganz große Überflug war noch nicht dabei“, stellte der Titelverteidiger nach dem Training und der Qualifikation am Donnerstag fest. „Wenn man gleich den richtigen Sprung aufliegen hat, ist es natürlich schöner. Aber für diesen Tag war es okay.“

Immerhin nahm der deutsche Hoffnungsträger für den zweitägigen Kampf um WM-Gold die wichtige Erkenntnis mit, dass auch Überflieger Peter Prevc mal patzt. In der Qualifikation, die Weltrekordler Anders Fannemel aus Norwegen mit 233 Meter für sich entschied, kam der Topfavorit aus Slowenien nur auf 188,5 Meter. Freund sprang 206,5 Meter weit.

„Es wäre natürlich grandios, wenn ich den Titel verteidigen könnte. Aber das ist im Skifliegen noch schwerer als beim Springen, weil viele Spezialisten eine Chance haben“, sagte der Weltmeister von 2014 danach. „Ich gehe nicht mit dem Ziel in den Wettkampf, es unbedingt schaffen zu müssen.“

„Severin ist innerlich ruhig und verbreitet keinen Stress“

Überbewerten wollte er die für die Top Ten des Gesamt-Weltcups ohnehin bedeutungslose Qualifikation nicht. Zumal Prevc, der in dieser Saison schon sieben Siege gefeiert hat, zuvor im Training auf die Tagesbestweite von 235,5 Meter geflogen war. „Er ist im Moment einfach sehr gut in Form. Deshalb wird es ohnehin schwierig“, sagte Freund. „Aber die Ergebnisliste muss man nicht schon vorher schreiben. Kleinbeigeben tue ich nicht.“

Auch Bundestrainer Werner Schuster sieht die Medaillenchancen für seine Nummer eins intakt. „Severin ist noch auf der Suche, aber er ist stabil. Wir müssen noch im Materialbereich Kleinigkeiten abstimmen, dann wird er konkurrenzfähig sein“, sagte der Coach. Dem Wettkampf sieht er gelassen entgegen: „Severin macht einen positiven Eindruck, ist innerlich ruhig und verbreitet keinen Stress. Er wird mit all seiner Routine bei der Medaillenvergabe ein Wort mitreden.“

Das Supergefühl vom Fliegen stellte sich bei Freund - anders als im Vorjahr beim Schanzenrekord von 237,5 Meter - am Tag eins der Titelkämpfe in Bad Mitterndorf noch nicht ein. „Du merkst, wenn der Sprung richtig aufgeht. Dann ist alles ganz einfach“, berichtete der 27-Jährige. Erzwingen könne man dies jedoch nicht. „Beim Skifliegen muss man es mehr über das Gefühl lösen und nicht so viel mit dem Kopf arbeiten. Ich will es genießen und schauen, dass ich möglichst weit unten lande.“

Schuster: „Stark angefangen und dann stark nachgelassen“

Während der Bayer in allen drei Versuchen zumindest die 200-Meter-Marke knackte, erlebten seine Teamkollegen ein Wechselbad der Gefühle. „Wir haben stark angefangen und dann stark nachgelassen. Die Qualifikation war sehr holprig und zum Anschauen nicht angenehm“, erklärte Schuster nach einem Tag der Extreme.

Immerhin schafften es auch die anderen vier DSV-Springer in den Einzelwettbewerb am Freitag und Sonnabend. Richard Freitag, Andreas Wellinger, Andreas Wank und WM-Neuling Stephan Leyhe hatten bei ihren Sprüngen noch viel Luft nach oben. „Sie wollten das Beste herausholen. Aber wenn man es zu verkrampft macht, kann es auf dieser riesigen Schanze unangenehm werden“, bilanzierte Schuster und stellte erleichtert fest: „Zumindest sind alle gesund auf ihren Füßen gelandet.“

Nach Horror-Sturz: Skispringer Müller in stabilem Zustand

Der Ausgang des Sturz-Dramas um Österreichs Skispringer Lukas Müller bleibt unterdessen ungewiss. Nach seinem Horror-Unfall am Kulm und einer umgehenden Operation an der unteren Halswirbelsäule befindet sich der 23-Jährige zwar in stabilem Zustand. Doch ob der frühere Junioren-Weltmeister wieder ganz gesund wird, ist offen.

„Es gibt eine gewisse Sensibilität im Bereich der unteren Extremitäten. Man muss schauen, wie sich der Zustand in den nächsten Tagen entwickelt“, sagte Österreichs Teamarzt Jürgen Barthofer am Donnerstag. „Es ist natürlich eine schwere Verletzung, die sowohl ins Positive wie auch ins Negative alles offen lässt. Die Möglichkeit von Folgeschäden besteht immer.“

Derzeit liegt Müller im Universitätsklinikum in Graz auf der Intensivstation. Nähere Angaben zu seinem Gesundheitszustand und einem möglichen Heilungsverlauf wollen die behandelnden Ärzte erst am Freitag machen.

„Skispringen war eigentlich nur noch sein Hobby“

Bundestrainer Werner Schuster, der Müller noch aus seiner Zeit am Skigymnasium Stams kennt, äußerte sich betroffen über den Unfall. „Mir tut es extrem weh, dass er sich möglicherweise schwer verletzt hat“, sagte Schuster am Donnerstag nach der WM-Qualifikation in Bad Mitterndorf. „Skispringen war ja eigentlich nur noch sein Hobby. Für ihn ist das tragisch.“

Müller, der keinem Verbandskader mehr angehört, hatte sich bei seinem Sturz beim Einfliegen der WM-Schanze am Mittwoch den sechsten und siebten Halswirbel gebrochen. „Wichtig ist, dass die Wirbelsäule mit Platten stabilisiert und das Rückenmark entlastet worden ist“, berichtete Teamarzt Barthofer. Die Operation sei „sehr gut verlaufen“.

2014 war Olympiasieger und Ex-Weltmeister Thomas Morgenstern an gleicher Stätte ebenfalls schwer gestürzt. Der Österreicher zog sich damals Schädel- und Lungenverletzungen zu. Zwar kehrte er bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi noch einmal auf Schanze zurück, beendete danach aber seine Erfolgskarriere. Im Vorjahr stürzte der Amerikaner Nick Fairall bei der Vierschanzentournee so tragisch, dass er seither gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt.