Hamburg. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft bestätigt mit ihrem Sieg beim Supercup den Aufwärtstrend – dürftige Resonanz.

Hätten sich die 3905 Zuschauer in der Barclaycard-Arena nicht schon längst erhoben, um den deutschen Handballern zu huldigen, dann hätten sie es spätestens jetzt getan, eineinhalb Minuten vor dem Ende des Spiels gegen Serbien. Torhüter Andreas Wolff warf einen Pass über fast das gesamte Spielfeld auf den nach vorn stürmenden Rune Dahmke. Dem gelang es, den Ball durch einen beherzten Sprung mit einer Hand aufzunehmen und nach einer Pirouette an den Kreis auf Jannik Kohlbacher zu spielen. Der zweite Debütant dieses Supercup-Wochenendes brauchte die glanzvolle Vorarbeit mit seinem vierten Tor nur noch zu vollenden.

Es war nicht der Schlusspunkt dieses Spiels, der blieb Dahmke mit einem kaum minder spektakulären Tor zum 37:26 (20:8) vorbehalten. Aber vielleicht der Höhepunkt. Und er steht beispielhaft für den Aufschwung, den die Nationalmannschaft in den vergangenen 15 Monaten seit dem Amtsantritt von Bundestrainer Dagur Sigurdsson genommen hat und der sich beim Supercup erstmals in einem Titel niederschlug. Dem Sieg über die Serben war in Flensburg einer über Olympiagastgeber Brasilien vorausgegangen (29:20), zum Abschluss gab es vor 4511 Besuchern in Kiel einen 31:28 (17:11)-Erfolg über Slowenien, einen der Gruppengegner bei der EM im Januar in Polen.

Sigurdsson, 42, hat das Prinzip, mit dem er über Jahre bei den Füchsen Berlin erfolgreich war, einfach auf sein neues Amt übertragen und dem Nachwuchs eine Chance gegeben. Wetzlars Kreisläufer Kohlbacher, 20, spielte bis zum Sommer in der Zweiten Bundesliga. In Hamburg traf er nur einen seiner fünf Würfe nicht, in Kiel war mit sieben Toren bester deutscher Werfer. Im improvisierten Mittelblock hielten Finn Lemke, 23, und Erik Schmidt, 22, dicht.

Dahmke, 22, war mit sechs Toren sogar bester Werfer beim Weltmeister von 2007, von dem namentlich nur Carsten Lichtlein, 35, noch zum aktuellen Team gehört. Der Gummersbacher Torhüter wurde am Freitag für sein 200. Länderspiel mit einer Anstecknadel geehrt und dankte es mit einer spielentscheidenden Leistung. Gegen die Serben dann hörte Lichtlein nach zehn Paraden und 25 Minuten auf zu halten, was seiner Mannschaft aber reichte, um auf 19:5 davonzuziehen.

Spätestens der Spielstand warf akut die Frage auf, ob die Gegner dieses 19. Supercups tatsächlich ebenbürtige waren. Sigurdsson tat es gereizt ab: „Es wäre respektlos zu sagen, sie hätten nicht unser Niveau. Wir haben einfach nur eine Erfolgswelle erwischt.“ Dann zählte er die Namen des serbischen Rückraums auf: Momir Rnic, Zarko Sesum, Marko Vujin, Petar Djordjic.

Einzelkönner dieser Qualität hat Deutschland nicht viele. Linksaußen Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen ist der Einzige, den man zur Weltklasse zählen darf. Aber die Mannschaft hat phasenweise gezeigt, dass man auch glänzen kann, wenn man keine schillernden Figuren wie HSV-Kapitän Pascal Hens hat – er sah sich das Spiel in Hamburg als Tribünengast mit seiner Familie an. Möglich, dass die vielen Unbekannten ein Grund für die enttäuschenden Zuschauerzahlen waren – in Flensburg kamen 3071 Zuschauer, in der Bundeshandballhauptstadt Kiel 4511. Was aus dem Turnier wird, ist offen. Die düstere Prognose von DHB-Vizepräsident Bob Hanning („Den Supercup wird es in der Form nicht mehr geben“) wollte sein Hamburger Präsidiumskollege Rolf Reincke als Meinungsäußerung verstanden wissen: „Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.“

Reincke plädiert dafür, zunächst ein sogenanntes Customer-Relationship-Management einzuführen, konkret: aus dem Ticketverkauf Informationen über die Kunden zu gewinnen, um sie so noch gezielter ansprechen zu können. Reincke räumte allerdings ein, „dass die Handballversorgung im Norden bereits hoch ist und es in Hamburg viele Konkurrenzprodukte gibt“.

Sollte der Supercup in zwei Jahren eine 20. Auflage erleben, dürfte das nicht in Hamburg sein. Dennoch könnte die Barclaycard-Arena kurz darauf Schauplatz eines Handballhöhepunkts werden: der Finalrunde der Frauen-WM im Dezember 2017. Eine Entscheidung soll bis Ende des Monats fallen. Hamburg ist einer von zwei Bewerbern für die Ausrichtung der Entscheidungsspiele um die Medaillen. Der zweite soll Köln sein – und dem DHB ein finanziell attraktiveres Angebot gemacht haben.

Allerdings kann Hamburg möglicherweise auf einen Bonus als deutscher Olympiabewerber hoffen. Der DHB hatte wie die meisten anderen Spitzenverbände bei der nationalen Olympiaausscheidung im März für die Hansestadt votiert. Gegenkandidat Berlin hatte wenige Tage nach der Abstimmungsniederlage den Verband schriftlich wissen lassen, als Schauplatz der Männer-WM 2019 nicht zur Verfügung zu stehen. In der Hauptstadt soll nach dem Willen des DHB das Eröffnungsspiel des Turniers stattfinden, das Deutschland gemeinsam mit Dänemark ausrichtet. Reincke hat den Plan nicht aufgegeben: „Eine WM ohne Berlin ist für mich gar nicht vorstellbar.“