Im Video: Zum fünften Mal siegt ein Deutscher - und das trotz Krämpfen. Dabei war Geschke gar nicht für die Tour vorgesehen.

Pra Loup. Erst schrie Simon Geschke auf dem Alpengipfel seine ganze Freude heraus, dann flossen vor lauter Glück die Tränen. Nach einem bravourösen 49-Kilometer-Soloritt durch die Alpen ist der Berliner mit dem großen Kämpferherz am Ziel seiner Träume angelangt. Geschke gewann fast sensationell die 17. Etappe in Pra Loup fügte der deutschen Erfolgsstory bei der 102. Tour de France ein weiteres Kapitel hinzu. Geschke erreichte nach 161 Kilometern mit einem Vorsprung von 32 Sekunden auf den Amerikaner Andrew Talansky als Erster den Skiort. Dritter wurde der Kolumbianer Rigoberto Uran 1:01 Minuten zurück.

„Das ist der schönste Tag in meinem Leben. Jeder träumt als Kind von so einem Sieg. Ich wusste, dass ich durch die Schmerzgrenze durch muss. Ich hatte noch Krämpfe am letzten Anstieg, aber heute hat alles gepasst“, sagte Geschke, der sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischte. „Ich habe es heute mit der Brechstange probiert, soviel habe ich ja in meiner Karriere noch nicht gewonnen.“

Der 29-Jährige, der erst durch die Formschwäche von Sprintstar Marcel Kittel ins Tour-Team gerutscht war, sorgte mit seinem Coup für den fünften Etappensieg eines deutschen Radprofis bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt. Zugleich erlöste er sein Giant-Alpecin-Team, das nach vielen Enttäuschungen erstmals jubeln durfte.

Die besten Bilder der 102. Tour de France

Das sind die Träger der begehrtesten Trikots: Christopher Froome (M.) holte sich durch seinen zweiten Tour-Sieg neben Gelb auch das gepunktete Bergtrikot, Peter Sagan beendete die Große Schleife im grünen Sprinterdress und Nairo Quintana (r.) erhielt als bester Jungfahrer das weiße Leibchen
Das sind die Träger der begehrtesten Trikots: Christopher Froome (M.) holte sich durch seinen zweiten Tour-Sieg neben Gelb auch das gepunktete Bergtrikot, Peter Sagan beendete die Große Schleife im grünen Sprinterdress und Nairo Quintana (r.) erhielt als bester Jungfahrer das weiße Leibchen © Witters
Froomes Sky-Kollegen standen mit einem eigenen Triumphbogen Spalier
Froomes Sky-Kollegen standen mit einem eigenen Triumphbogen Spalier © Witters
Vom Publikum wurde der Brite  - hier mit Ehefrau Michelle - dagegen nicht unbedingt nur geliebt
Vom Publikum wurde der Brite - hier mit Ehefrau Michelle - dagegen nicht unbedingt nur geliebt © Witters
Konnte sein Glück nicht fassen: Der erst 24 Jahre alte Romain Bardet sorgte auf der zweiten Alpen-Etappe für den zweiten Sieg eines französischen Fahrers in diesem Jahr
Konnte sein Glück nicht fassen: Der erst 24 Jahre alte Romain Bardet sorgte auf der zweiten Alpen-Etappe für den zweiten Sieg eines französischen Fahrers in diesem Jahr © dpa | Kim Ludbrook
Der Gesamtführende Christopher Froome (r.) konnte erneut alle Angriffe seiner Konkurrenten abwehren und hat damit seinen zweiten Tour-Sieg nach 2013 bereits in Sichtweite
Der Gesamtführende Christopher Froome (r.) konnte erneut alle Angriffe seiner Konkurrenten abwehren und hat damit seinen zweiten Tour-Sieg nach 2013 bereits in Sichtweite © dpa | Sebastien Nogier
Rasante Abfahrten entschädigten das Peloton für die kraftraubenden Anstiege in extrem bergigem Terrain
Rasante Abfahrten entschädigten das Peloton für die kraftraubenden Anstiege in extrem bergigem Terrain © dpa | Sebastien Nogier
Die 17. Etappe führte das Peloton vorbei am malerischen Lac de Castillon
Die 17. Etappe führte das Peloton vorbei am malerischen Lac de Castillon © Witters
Nach einem beeindruckenden Soloritt hat Simon Geschke die 17. Etappe in Pra Loup gewonnen
Nach einem beeindruckenden Soloritt hat Simon Geschke die 17. Etappe in Pra Loup gewonnen © dpa | Sebastien Nogier
Der Radfahrer mit dem markanten Bart war beim Schlussanstieg auch noch von Krämpfen geplagt
Der Radfahrer mit dem markanten Bart war beim Schlussanstieg auch noch von Krämpfen geplagt © dpa | Yoan Valat
Simon Geschke war eigentlich gar nicht für die Tour vorgesehen und rutschte erst durch die Formschwäche von Sprintstar Marcel Kittel ins Team
Simon Geschke war eigentlich gar nicht für die Tour vorgesehen und rutschte erst durch die Formschwäche von Sprintstar Marcel Kittel ins Team © Getty Images | Bryn Lennon
Der Spanier Ruben Plaza Molina holte sich auf der 16. Etappe nach 201 Kilometern im Sattel den Tagessieg in Gap. Zuvor war der ...
Der Spanier Ruben Plaza Molina holte sich auf der 16. Etappe nach 201 Kilometern im Sattel den Tagessieg in Gap. Zuvor war der ... © dpa | Kim Ludbrook
... er etwa 18 Kilometer vor dem Ziel aus einer 23 Fahrer starken Spitzengruppe ausgerissen.
... er etwa 18 Kilometer vor dem Ziel aus einer 23 Fahrer starken Spitzengruppe ausgerissen. © dpa | Yoan Valat
Zu dieser gehörte auch der Deutsche Simon Geschke (2.v.r.), der am Ende den unglücklichen vierten Platz belegte
Zu dieser gehörte auch der Deutsche Simon Geschke (2.v.r.), der am Ende den unglücklichen vierten Platz belegte © dpa | Yoan Valat
Vorjahressieger Vincenzo Nibali attackierte auf einer Abfahrt und verringerte mit dieser Aktion seinen Rückstand auf den Gesamtführenden Christopher Froome um wenige Sekunden auf jetzt 7:49 Minuten
Vorjahressieger Vincenzo Nibali attackierte auf einer Abfahrt und verringerte mit dieser Aktion seinen Rückstand auf den Gesamtführenden Christopher Froome um wenige Sekunden auf jetzt 7:49 Minuten © dpa | Yoan Valat
Froome selbst (M.) ließ es wie die anderen Topfahrer eher ruhig angehen. Er erreichte das Ziel mit den anderen Mitfavoriten letztlich rund 18 Minuten hinter Sieger Plaza Molina
Froome selbst (M.) ließ es wie die anderen Topfahrer eher ruhig angehen. Er erreichte das Ziel mit den anderen Mitfavoriten letztlich rund 18 Minuten hinter Sieger Plaza Molina © dpa | Yoan Valat
Stephen Cummings siegt auf der 14. Etappe
Stephen Cummings siegt auf der 14. Etappe © dpa | Yoan Valat
Der gestürzte Ex-Champion sollte ab dem 16. Juli die Etappen der Tour de France immer einen Tag vor dem Hauptfeld abfahren
Der gestürzte Ex-Champion sollte ab dem 16. Juli die Etappen der Tour de France immer einen Tag vor dem Hauptfeld abfahren © dpa
Christopher Froome verteidigte auf der elfte Etappe der Tour de France das Gelbe Trikot
Christopher Froome verteidigte auf der elfte Etappe der Tour de France das Gelbe Trikot © dpa | Yoan Valat
Rafal Majka bei seiner Solo-Tour durch die Pyrenäen
Rafal Majka bei seiner Solo-Tour durch die Pyrenäen © Getty Images | Doug Pensinger
Der deutsche Neuprofi Emanuel Buchmann zählt zu den Überraschungen bei der Tour. Der 22-Jährige fuhr auf der zweiten von drei Pyrenäen-Etappen auf Rang drei
Der deutsche Neuprofi Emanuel Buchmann zählt zu den Überraschungen bei der Tour. Der 22-Jährige fuhr auf der zweiten von drei Pyrenäen-Etappen auf Rang drei © dpa | Sebastien Nogier
Auf der elften Etappe führte die Route 188 Kilometer durch die Pyrenäen
Auf der elften Etappe führte die Route 188 Kilometer durch die Pyrenäen © dpa | Kim Ludbrook
Augen zu und durch? Chris Froome bei der Siegerehrung nach seiner Gala auf der ersten Bergetappe
Augen zu und durch? Chris Froome bei der Siegerehrung nach seiner Gala auf der ersten Bergetappe © Getty Images
Radsport trifft Fun-Sport: Stand-up-Paddler schauen auf der zehnten Etappe dem Hauptfeld nach
Radsport trifft Fun-Sport: Stand-up-Paddler schauen auf der zehnten Etappe dem Hauptfeld nach © dpa
Und pittoresk war die 167 Kilometer lange Strecke von Tarbes nach La Pierre-Saint-Martin ohnehin
Und pittoresk war die 167 Kilometer lange Strecke von Tarbes nach La Pierre-Saint-Martin ohnehin © dpa
Spitzenreiter Chris Froome (r.) erfuhr am Rande der zehnten Etappe von einem Hacker-Angriff auf seine Trainingsdaten
Spitzenreiter Chris Froome (r.) erfuhr am Rande der zehnten Etappe von einem Hacker-Angriff auf seine Trainingsdaten © dpa
Ein Exot unter den Radprofis: Daniel Teklehaimanot aus Eritrea (MTN Qhubeka) wartet als Träger des gepunkteten Trikots auf den Startschuss für die erste Bergetappe
Ein Exot unter den Radprofis: Daniel Teklehaimanot aus Eritrea (MTN Qhubeka) wartet als Träger des gepunkteten Trikots auf den Startschuss für die erste Bergetappe © dpa
Mehr als zwei Pferdestärken: Reiter messen sich mit dem Peloton während der zehnten Etappe von Tarbes nach La Pierre-Saint-Martin
Mehr als zwei Pferdestärken: Reiter messen sich mit dem Peloton während der zehnten Etappe von Tarbes nach La Pierre-Saint-Martin © dpa
Ivan Basso (r.) konnte nach der Schock-Diagnose Hodenkrebs Alberto Contador nicht mehr durch die Berge helfen
Ivan Basso (r.) konnte nach der Schock-Diagnose Hodenkrebs Alberto Contador nicht mehr durch die Berge helfen © dpa
Die neunte Etappe ging an BMC Radsport
Die neunte Etappe ging an BMC Radsport © Witters
Das US-Team setzte sich im Zeitfahren durch
Das US-Team setzte sich im Zeitfahren durch © Witters
Der Brite Christopher Froome hielt zu diesem Zeitpunkt noch das Gelbe Trikot
Der Brite Christopher Froome hielt zu diesem Zeitpunkt noch das Gelbe Trikot © Witters
Alexis Vuillermoz (AG2R La Mondiale) durfte zum Abschluss der achten Etappe in Mur-de-Bretagne jubeln
Alexis Vuillermoz (AG2R La Mondiale) durfte zum Abschluss der achten Etappe in Mur-de-Bretagne jubeln © Witters
Ein letzter Gruß in Gelb: Tony Martin bei der Siegerehrung nach seinem schweren Sturz bei der Tour de France
Ein letzter Gruß in Gelb: Tony Martin bei der Siegerehrung nach seinem schweren Sturz bei der Tour de France © Witters
Der Cottbuser zog sich auf der sechsten Etappe einen Schlüsselbeinbruch zu und wurde in Hamburg operiert
Der Cottbuser zog sich auf der sechsten Etappe einen Schlüsselbeinbruch zu und wurde in Hamburg operiert © Hamburger Abendblatt/Achim Leoni | Achim Leoni
Das Unglück geschah auf  der Zielgeraden in Le Havre
Das Unglück geschah auf der Zielgeraden in Le Havre © Witters
Ob Teufel Didi Senft deshalb zum Rumpelstilzchen wurde?
Ob Teufel Didi Senft deshalb zum Rumpelstilzchen wurde? © Witters
Der Edelfan aus Deutschland darf auch bei der 102. Großen Schleife nicht fehlen
Der Edelfan aus Deutschland darf auch bei der 102. Großen Schleife nicht fehlen © Witters
Andere zogen es vor, das Spektakel als Asterix und Obelix zu verfolgen
Andere zogen es vor, das Spektakel als Asterix und Obelix zu verfolgen © Witters
Diese Kühe durften die drei begehrtesten Tour-Trikots testen
Diese Kühe durften die drei begehrtesten Tour-Trikots testen © Witters
Das Original Bergtrikot ging allerdings vorerst an Daniel Teklehaimanot
Das Original Bergtrikot ging allerdings vorerst an Daniel Teklehaimanot © Witters
Frankreich und der 2CV - auch bei der Tour de France passt die
Frankreich und der 2CV - auch bei der Tour de France passt die "Ente" natürlich ins Bild © Witters
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Van Garderen steigt unter Tränen aus

Spitzenreiter Christopher Froome erreichte 7:16 Minuten hinter Geschke das Ziel, hatte aber seine Konkurenten um den Kolumbianer Nairo Quintana wieder fest im Griff. Dazu verabschiedete sich der Amerikaner Tejay van Garderen unfreiwillig aus dem Kreis der Rivalen. Der BMC-Kapitän stieg 72 Kilometer vor dem Ziel krankheitsbedingt vom Rad und gab mit Tränen in den Augen auf. Auch Girosieger Alberto Contador verlor nach einem Sturz weitere Zeit.

Vor den noch drei folgenden Alpen-Etappen liegt Froome nun 3:10 Minuten vor Quintana. Dritter ist der spanische Meister Alejandro Valverde 4:09 Minuten zurück.

Geschkes Vorsprung schmolz, doch er kämpfte

Im Mittelpunkt der Etappe stand aber Geschke. Als Mitglied einer 28-köpfigen Spitzengruppe hatte der Mann mit dem markanten Bart den Grundstein zu seinem Erfolg gelegt. 49 Kilometer vor dem Ziel setzte er schließlich eine weitere Attacke und fuhr alleine über den Col d’Allons. Eine Minute Vorsprung hatte er auf dem mit 2250 Metern höchsten Berg dieser Tour vor dem Franzosen Thibaut Pinot.

Und auf der gefährlichsten Abfahrt der Tour konnte Geschke weitere Sekunden gewinnen, weil Pinot in einer Kurve zu Fall kam. Auch Alberto Contador kam zu Fall. Somit startete der Deutsche mit einem Polster von gut zwei Minuten auf fünf Verfolgern in den 6,2 Kilometer langen Schlussanstieg nach Pra Loup, wo 1975 die Ära Eddy Merckx zu Ende gegangen war.

Doch von Meter zu Meter schmolz der Vorsprung dahin. Gut drei Kilometer vor dem Ziel war es nur noch eine Minute. Geschke kämpfte aber weiter verbissen, ging immer wieder aus dem Sattel. Dann war es klar, Geschke ballte die Fäuste.

Geschke hatte es in den vergangenen Tagen immer wieder in Ausreißergruppen versucht, erst am Montag hatte er als Vierter das Ziel in Gap erreicht. „Leider gab es den perfekten Tag für mich noch nicht“, hatte der unermüdliche Arbeiter noch vor dem Start gehadert.

Ausblick: Sieben Berge müssen gemeistert werden

Im Kampf um den Gesamtsieg kontrollierte Froome, der erst am Dienstag im Zuge der anhaltenden Dopinganschuldigungen einen Teil seiner Leistungsdaten veröffentlicht hatte, weiter das Geschehen. Weder die überfallartigen Attacken von Quintana noch ein Angriffsversuch von Contador weit vor dem Ziel konnten ihn schocken.

Bevor das Peloton nach dem Ruhetag am Dienstag wieder auf die Reise ging, wurde der 150 Opfer des Flugzeugabsturzes vom 24. März in der Nähe von Dine-les-Bains gedacht. Neben den Trägern der Leader-Trikots, Chris Froome, Peter Sagan und Nairo Quintana standen anders als sonst der deutsche Meister Emanuel Buchmann sowie Valverde in der ersten Startreihe.

Die Tour wird am Donnerstag mit der 18. Etappe von Gap nach Saint-Jean-de-Maurienne fortgesetzt. Dabei müssen gleich sieben Berge gemeistert werden, allerdings ist mit dem Col du Glandon (1924 Meter) 20 Kilometer vor dem Ziel nur einer der höchsten Kategorie darunter.