Hamburg. Veranstaltungen in der City sind im Trend. Und Hamburg braucht sie für die Olympia-Bewerbung.

Es ist angerichtet. 1400 Tonnen zweimal gesiebter Sand aus dem Kiesberg Hittfeld, das entspricht 40 Lastwagenladungen, wurden seit Wochenbeginn auf die Hamburger Moorweide geschüttet. Am Donnerstag hinterließen bereits jugendliche Beachvolleyballer gegenüber dem Dammtor-Bahnhof erste Spuren im Sand, am heutigen Freitag schlagen von 13 Uhr an die Profis zum Supercup auf. Insgesamt 40.000 Euro Preisgeld werden bis zum Sonntagnachmittag bei Frauen und Männern auf vier Plätzen ausgespielt.

Beachvolleyball, neben Hockey, Rudern und Schwimmen eine von vier besonders geförderten Hamburger Schwerpunktsportarten, ist zurück im Zentrum der Stadt. „Das war eine der Bedingungen unserer Sponsoren und von Sky“, sagt Organisator Frank Mackerodt, 111-maliger Volleyball-Nationalspieler des HSV, „ansonsten hätten wir das Turnier wahrscheinlich nicht mehr in Hamburg austragen können.“

In den vergangenen Jahren war die Veranstaltung in das Harburger Hafenfest integriert. Zwar lockte diese Kombination an drei Tagen rund 20.000 Besucher zusätzlich in den Süden der Stadt, die den Sprung über die Elbe wagten, der Münchner Pay-TV-Sender hatte sich aber offenbar größere Resonanz und vor allem bessere Bilder erhofft. Sky überträgt nicht nur die neun Turniere der deutschen Serie, sondern vermarktet sie jetzt im dritten Jahr, zunächst mit Verlust, inzwischen mit der klammheimlichen Hoffnung auf eine baldige schwarze Null.

Das temporäre Beachvolleyball-Stadion auf der Moorweide am Dammtor hat 1500 Sitzplätze. Auf drei Nebenplätzen wird ebenfalls gespielt
Das temporäre Beachvolleyball-Stadion auf der Moorweide am Dammtor hat 1500 Sitzplätze. Auf drei Nebenplätzen wird ebenfalls gespielt © Klaus Bodig

Die Rückkehr des Sports in die City liegt seit Längerem im Trend. Veranstaltungen aller Art finden hier ihr Massenpublikum und machen sie für alle Beteiligten, für Athleten, Geldgeber und übertragende Sender zu einem werthaltigen Premiumprodukt. Triathlon, Marathon und das Radrennen Cy­classics versammeln in Hamburg jedes Jahr Hunderttausende Schaulustige während ihrer Elite- und Jedermannrennen an den Strecken, das Fernsehen sendet Bilder vom Rathaus, der Alster und Elbe, was der Stadt offenbar hilft, bekannter – und damit zum Reiseziel – zu werden. Die Zahl der Übernachtungen stieg in Hamburg seit der Jahrtausendwende um das Dreifache, von 4,5 Millionen auf fast 14 Millionen. Etwa zwölf Prozent der Hotelgäste kommen wegen sportlicher Ereignisse in die Stadt, Tendenz steigend.

Die Rückgewinnung innerstädtischer Ballungsräume durch den Sport erfolgte zunächst zaghaft, sagt der Reinbeker Sportsoziologe Hans-Jürgen Schulke, 69, Professor an der Hamburger Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation. „Seit rund 30 Jahren, beginnend mit den Stadtmarathons, zeichnet sich eine temporäre Rückeroberung der Citys durch sportliche Aktivitäten ab. Es handelt sich dabei weniger um eine dauerhafte funktionelle Umwidmung des innerstädtischen Raums zu einem Sportplatz, sondern eine Inszenierung des Sports unter den Maßstäben des Eventmanagements.“

Gleichwohl seien die Veranstaltungen weit mehr als das Amüsement einer Abwechslung suchenden Gesellschaft, meint der ehemalige Direktor des Hamburger Sportamtes (2000– 2005). Sie stünden als Zeichen für das Streben der Menschen, die in weitgehend virtuell geprägten Dienstleistungsberufen kaum noch körperliche Selbsterfahrungen machen, auf deren Basis sie ihre existenzielle wie individuelle Grundlage erhalten: den sich bewegenden Körper. Dieser kann aus Sicht des Gesellschaftswissenschaftlers nicht dauerhaft aus einem wichtigen Teil des Lebens – Arbeit, Versorgung, Unterhaltung – und damit auch nicht aus der pulsierenden, meist hastigen Metropole ausgeschlossen werden.

Die Rückkehr des Sports in die Innenstadt, dort, wo Menschen arbeiten, einkaufen und flanieren, entbehre deshalb nicht einer gewissen Logik. „Sport in der City bedient die Sehnsüchte vieler Menschen, sich mit ihrer Stadt identifizieren und sie ungestört von roten Ampeln und Staus erleben zu können“, sagt Schulke.

Die Vertreibung aus dem Stadtzentrum hatte in Hamburg verstärkt in den 1920er-Jahren während der Weimarer Republik eingesetzt. „Im Zuge der baulichen Verdichtung städtischer Flächen, der Zentralisierung des Verkehrs durch den Bau von Bahnhöfen seit Mitte des 19. Jahrhunderts wie auch der Popularisierung sportlicher Aktivitäten in der Folge kürzerer Arbeitszeiten wurden diese Leibesübungen zeitverzögert räumlich exklusiv: Turn- und Sporthallen, Schwimmbäder, Fußballplätze entstanden zunehmend an der Peripherie, später nicht selten deutlich außerhalb der Stadtzentren in neuen Wohnvierteln. Die boomenden Citys exportierten ihre Stadien und rissen Schwimmhallen ab“, sagt Soziologe Schulke.

Im Juni 2016 soll in Hamburg ein Turnier der Weltserie stattfinden

Sport gehört untrennbar zur Geschichte Hamburgs. Alster und Altstadt sind eine der Wiegen der europäischen Leibeskultur. Zwischen Dammtor und Steintor wurde bereits im 17. Jahrhundert Fußball gespielt. Die HT 16 aus Hamm, ältester Turnverein der Welt, weihte 1817 die weltweit erste Turnhalle ein. 1836 wurde mit dem späteren Hamburger und Germania der zweitälteste Ruderclub der Welt gegründet, 1844 fand die erste Ruderregatta auf dem europäischen Festland auf der Außenalster statt. Das Galoppderby in Horn wird seit 1869 gelaufen, zum Weltklasse-Tennis am Rothenbaum seit 1892 aufgeschlagen. Der Wandsbeker Athleten Club von 1879 ist der älteste Kraftsportverein Deutschlands.

Sport in der City führt aber auch zu Konflikten mit den Interessen der ansässigen Geschäfte und Kaufhäuser. Sind die Zufahrten gesperrt, sinkt der Umsatz. Während 70 Prozent der Hamburger mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt kommen, nutzen vor allem Kunden aus der Metropolregion das Auto. Die weichen bei Großveranstaltungen in der City zum Einkaufen in die Randbezirke aus. „Wir wissen sehr wohl um den Werbewert innerstädtischer Veranstaltungen für Hamburg und den Tourismus, aber es muss immer auch ein vernünftiges Maß gefunden werden“, sagt City-Managerin Brigitte Engler. Mindestens zwei veranstaltungsfreie Wochenenden im Monat seien für die Unternehmen wünschenswert, „das haben wir bei der Stadt hinterlegt“. Die Kooperation mit den Sportagenturen verlaufe inzwischen reibungslos, notwendige Kompromisse und Rücksichtnahmen seien auf beiden Seiten gefunden worden.

Veranstaltungen wie Beachvolleyball auf der Moorweide seien aber geradezu ideal, meint Engler, „weil keine Straße gesperrt werden muss, aber das massentaugliche Unterhaltungsangebot mitten in der Stadt gesteigert wird“.

Beachvolleyball wird bei Kampagne eine Rolle spielen

Welche Effekte Sportereignisse bewirken, hat der Hamburger Wirtschaftsprofessor Wolfgang Maennig, 55, Ruder-Olympiasieger von 1988, vor einigen Jahren anhand Berliner Laufveranstaltungen untersucht, an denen jährlich um die 100.000 Athleten teilnehmen. Die 44.000 auswärtigen Starter lösten laut seiner Studie einen zusätzlichen Ausgabeimpuls von 23 Millionen Euro aus. In der Fortschreibung der Wertschöpfungskette bedeutete dies einen Einkommenszuwachs in Berlin von 35,1 Millionen Euro, was einer Mehrbeschäftigung von 670 Personenjahren entspreche. Ähnliche Kalkulationen sind über die ökonomischen Folgen Olympischer Spiele bekannt. Die Gastgeberstadt darf in einem Zeitraum von zehn Jahren mit 7800 neuen Vollzeitstellen rechnen. In Sydney sind nach den Sommerspielen 2000 diese Resultate eingetreten.

Dass Hamburg sich um die Olympischen Spiele 2024 mit Sportflächen im Zentrum der Stadt bewerben will, ist da nur konsequent. Beachvolleyball wird bei der Kampagne eine Rolle spielen. Der aktuelle Plan ist, für den Juni nächsten Jahres erstmals ein Grand-Slam-Event der Weltserie in die Stadt zu holen. Die Veranstaltung wäre das letzte Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele im August 2016 in Rio de Janeiro – und würde damit weltweite Aufmerksamkeit wecken.

Organisator Mackerodt hat bereits Kontakt zum Volleyball-Weltverband FIVB aufgenommen. Der würde gern nach Deutschland zurückkehren, nachdem sich in diesem Jahr hier kein Veranstalter gefunden hatte. Ein Grand-Slam-Turnier kostet zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro, die Stadt Hamburg wäre bereit, eine Ausfallbürgschaft von 500.000 Euro zu hinterlegen. Zum Vergleich: Der Supercup an diesem Wochenende kalkuliert mit einem Budget von 300.000 Euro, die Ausfallbürgschaft beträgt 50.000 Euro. Die Entscheidung soll bis Juli fallen. Sicher ist: Beachvolleyball müsste sich abermals einen neuen Platz in der City suchen. Die Moorweide wäre zu klein.