Der Vorstandschef soll nach der öffentlichen Hoeneß-Kritik an van Gaal die Unstimmigkeiten ausräumen. Ein baldiges Gespräch folgt.

München. Im öffentlichen Streit zwischen Uli Hoeneß und Louis van Gaal will Karl-Heinz Rummenigge die beiden Bayern-Alphatiere zur Versöhnung an einen Tisch bringen. Am Montag lotete der Vorstandschef in Gesprächen mit dem überraschend attackierenden Präsidenten und dem gescholtenen Trainer schon einmal die Lage aus - „zeitnah“ soll die gemeinsame Aussprache folgen. Nach dem Affront von Hoeneß gegen van Gaal übernimmt Rummenigge die Vermittlerrolle, „um über die derzeitigen Unstimmigkeiten zu sprechen und sie aus der Welt zu schaffen“, wie es der FC Bayern München am Montag in einer Pressemitteilung formulierte.

Mitten in den Liga-Aufschwung und in die Vorbereitung auf das Champions-League-Spiel bei CFR Cluj platzte aber nicht nur der hausgemachte Ärger. Zu allem Übel musste van Gaal mit Ivica Olic den nächsten Langzeitverletzten beklagen. Der kroatische Stürmer muss wegen einer Außenmeniskusverletzung und eines Knorpelschadens am Knie operiert werden und fällt sechs Monate aus.

Bitter enttäuscht trat Olic die Reise zur OP in die USA an, sein Trainer musste neben dem nächsten personellen Rückschlag noch die kräftige Kritik verdauen. Eine öffentliche Reaktion auf die Hoeneß'schen Worte vom Vortag war am Montag von van Gaal nicht zu vernehmen; aber der Niederländer dürfte sich durch den TV-Auftritt des Vereinsbosses brüskiert gefühlt haben.

Nur sechs Zeilen lang war die am Montagnachmittag versandte Pressemitteilung des deutschen Fußball-Rekordmeisters, weitaus mehr Worte ließ Hoeneß beim wohl überlegten Auftritt auf der TV-Bühne fallen. „Es ist deshalb schwierig mit ihm zu reden, weil er anderer Leute Meinungen nicht akzeptiert“, hatte Hoeneß am Sonntagabend beim Bezahl-Sender Sky über van Gaal gesagt und einen kleinen Einblick in das Zusammentreffen der beiden meinungsstarken Fußball-Fachleute zugelassen. „Er gibt dir immer das Gefühl: Du bist ein guter Kerl, ich respektiere dich, aber ich setze meinen Kopf durch.“

Weniger auskunftsfreudig reagierten einen Tag vor der Abreise zur Königsklassen-Partie nach Rumänien, wo die Bayern vorzeitig ins Achtelfinale einziehen können, die Spieler. „Das ist eine Sache zwischen Präsidium, Vorstand und dem Trainer“, meinte Andreas Ottl. Aber wie viel Sprengstoff hinter der Angelegenheit steckt, zeigt der Fakt, dass der Vorstand um Rummenigge sowie Sportdirektor Christian Nerlinger gemeinsam mit Hoeneß und van Gaal zusammen ein Gespräch führen wollen.

Hoeneß war sich am Sonntagabend sicher, dass van Gaal seine Kritik nicht annehmen wird. Aber: „Er wird sie aufnehmen, und er wird damit leben müssen“, sagte Hoeneß, der sich als langjähriger Manager ein ums andere Mal über präsidiale Attacken seines Amtsvorgängers Franz Beckenbauer hatte ärgern müssen.

Anders als so oft, wenn es aus der vielgerühmten Abteilung Attacke plötzlich herausbrodelte, trat Hoeneß nach eigenen Worten mit Bedacht auf der TV-Bühne auf. Nach außen kam die Kritik zwei Tage nach dem 4:2 des wieder ins Rollen gekommenen FC Bayern über den SC Freiburg überraschend, für den Präsidenten aber war sie nur konsequent. „Ich will ja noch deutscher Meister werden, da muss man Reizpunkte setzen“, sagte Hoeneß. Wenngleich Borussia Dortmund als Spitzenreiter schon auf zehn Zähler davongezogen ist. „Es wird eine Weile dauern, bis wir auf Augenhöhe sind“, sagte Mario Gomez, der bis kurz vor dem Montagstraining „null Komma null“ von der Situation mitbekommen haben wollte.

Hoeneß machte sich im TV-Studio für die Spieler aus der zweiten Reihe stark, die den Münchnern am Freitagabend gegen Freiburg den Sieg bescherten. Denn neben Martin Demichelis (39. Minute), der nach wie vor mit einem Wechsel im Winter liebäugelt, trafen die ebenfalls lange frustrierten Gomez (61.) und Anatoli Timoschtschuk (72.), dazu Toni Kroos (80.). Den ukrainischen Mittelfeldspieler Timoschtschuk bewertete Hoeneß, der wie Gomez vor van Gaals Amtsantritt geholt worden war, von der Tribüne als besten Spieler der zweiten Halbzeit. „Dann wundert man sich, wenn man ein Jahr lang hört, dass er nicht gut genug für Bayern sei. Jetzt zeigt sich plötzlich, dass die Spieler sehr brauchbar sind“, sagte Hoeneß. „Da ist dem einen oder anderen bei uns Unrecht geschehen.“ Da er nicht mehr an den montäglichen Runden beim Club teilnehme, habe er nicht mehr viel mit van Gaal zu besprechen, meinte der Präsident. Grundsätzlich mahnte er jedoch an: „Es ist ähnlich wie bei Felix Magath: Ein Fußball-Verein darf heutzutage keine One-Man-Show mehr sein.“


Anfang vom Ende - Ein Kommentar von Marco Mader

Es hat lange gebrodelt in Uli Hoeneß. Seit sechs Monaten habe er sich auf die Zunge gebissen, betonte der Präsident von Bayern München. Doch am Sonntagabend war Schluss: Der Vulkan brach aus. Nein, er explodierte geradezu. Und unter all der Hoeneß'schen Lava begraben wurde kein Geringerer als Trainer Louis van Gaal. Dass der Niederländer noch einmal wie Phönix aus der Asche emporsteigen wird, scheint ausgeschlossen. Die Attacken von Hoeneß könnten vielmehr der Anfang vom Ende der Ära van Gaal gewesen sein.

Zu umfassend, zu direkt, zu schonungslos war die Kritik. Hoeneß hat van Gaal nicht nur Beratungsresistenz vorgeworfen, er hat ihm alle Attribute eines Fußball-Diktators zugeschrieben: Herzlosigkeit, Härte, Gefühlskälte, ja Grausamkeit lässt der Tulpen-General gegenüber seinen Spielern walten - so darf, so muss man Hoeneß verstehen. Er, Hoeneß, der erste Sozialarbeiter des FC Bayern, Retter von gefallenen Spielern, hat dafür kein Verständnis. Mehr noch: Er lehnt van Gaals Verhalten rundheraus ab.

Das gilt auch für die Sturheit des Trainers. Mit Hoeneß selbst, Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer, dazu Karl Hopfner und Christian Nerlinger, verfügt die Führungsetage des FC Bayern über geballte Fachkompetenz - nur van Gaal macht sein eigenes Ding. Unbelehrbar. Das ärgert Hoeneß nicht nur, das beleidigt ihn. Das Gefühl, im eigenen, in seinem Verein nicht gebraucht zu werden, ist für Hoeneß unerträglich. Van Gaal aber vermittelt ihm genau das. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Seit über einem Jahr.

Dass van Gaal mitunter selbstherrlich und weit über die sprichwörtliche Bayern-Arroganz hinaus auftritt, hat Hoeneß bereits im Vorjahr missfallen. Die Bosse waren drauf und dran, das Experiment abzubrechen, ehe Arjen Robbens Geniestreiche van Gaal retteten und seine Philosophie dank des jetzt so schmerzlich vermissten Ausnahmefußballers doch noch griff. Doch der graue Alltag, das mitunter ermüdende van Gaal'sche Ballgeschiebe, hat die Bayern schneller eingeholt als Hoeneß und Rummenigge ahnen konnten.

Für die Verletzungen kann van Gaal nichts. Wohl aber dafür, dass er, wie Hoeneß richtig anmerkt, Spieler geradezu vernichtet hat, indem er sie lange mit Missachtung strafte. Auch darin ist ein Grund für den Holperstart des FC Bayern zu sehen. Hoeneß hat das früh erkannt. Dass er die erst vor einem guten Monat erfolgte Vertragsverlängerung mit van Gaal nicht verhinderte, wirkt in diesem Zusammenhang rätselhaft. Auch der Zeitpunkt seines Angriffs überrascht, verletzte Eitelkeit dürfte dabei eine dominante Rolle gespielt haben.

Van Gaals Replik steht noch aus. Er wird sich genau überlegen, was er der hungrigen Meute am Dienstag in Cluj erzählen wird. Ausgeschlossen scheint bei dem stolzen Coach nichts, nicht einmal ein Rücktritt.

Seit Hoeneß' Verbalattacke ist er ohnehin nur noch Trainer auf Abruf. Und niemand sollte auch nur im Ansatz auf die Idee kommen, dass van Gaal einen Machtkampf gegen Hoeneß gewinnen könnte.