Die Olympiastarter setzten sich in eigener Halle im Endspiel gegen Oberstdorf-Füssen durch. Jetzt fahren John Jahr & Co für Deutschland zur WM nach Peking.

Hamburg. Martin Beiser wischte mit den Fingern über den Tablet-PC auf seinen Knien und versuchte, die Zahlen vor sich mit dem in Einklang zu bringen, was sich gerade hinter der Scheibe auf dem Eis abspielte. „Eigentlich spielen wir gar nicht schlecht“, fand der Curling-Bundestrainer. Eine Präzision von etwa 80 Prozent wiesen die Tabellen für sein Nationalteam vom Curling-Club Hamburg aus. „Damit verliert man normalerweise nicht.“ Und doch musste Beiser erkennen, dass der bis dahin so klare Plan des Titelverteidigers plötzlich infrage stand.

Die ersten vier Spiele hatten John Jahr und sein Team allesamt souverän gewonnen. Damit benötigte es aus den verbleibenden beiden Partien nur noch einen weiteren Sieg, um in eigener Halle zum dritten Mal hintereinander deutscher Meister zu werden. Keine große Aufgabe eigentlich für dieses Hamburger Wisch-Quintett, das in den vergangenen acht Wochen erst den deutschen Aufstieg in die A-Gruppe der Europameisterschaft, dann die WM-Qualifikation für Deutschland und schließlich noch die Olympiateilnahme für sich selbst gesichert hat.

So dachten es sich wohl auch Jahr und sein Team, jedenfalls ließ der Skip das später durchblicken: „Es fehlte uns wohl an der allerletzten Fokussierung. Und dann geraten ein, zwei Steine nicht, wie sie sollen, und schon verliert man.“ Erst mit 4:5 gegen das Team Baumann von den Klubs Schwenningen und Baden-Hills, am Sonntagmorgen dann auch noch mit 7:9 gegen das Oberstdorf-Füssener Team Kämpf. Und so lagen nach der regulären Doppelrunde jeder gegen jeden plötzlich drei Teams mit 4:2 Punkten gleichauf.

Es bedurfte wohl der folgenden Tiebreaker-Runde, um die Konzentration bei den Gastgebern wiederherzustellen. Das Team Baumann fegten sie mit 9:4 vom Eis, im entscheidenden Spiel schließlich retteten sie gegen das Team Kämpf ein 7:6 ins Ziel. „Die Dramatik haben wir wirklich bis zum Ende ausgekostet“, sagte Jahr. Erst am Sonntagabend stand der Titelgewinn fest – und damit auch, dass die Hamburger den von ihnen erspielten Startplatz bei der Weltmeisterschaft der Herren in Peking (29. März bis 6. April) selbst wahrnehmen dürfen.

Das Meisterteam leistete sich zwei Niederlagen „ohne die letzte Fokussierung"

Im Falle einer Niederlage hätten sie den deutschen Meister nach Olympia noch um den WM-Startplatz herausfordern dürfen. So weit wollten es Jahr und seine Mitwischer Felix Schulze, Christopher Bartsch, Sven Goldemann und Peter Rickmers dann doch nicht kommen lassen. Ursprünglich hätte die deutsche Meisterschaft während der Winterspiele stattfinden sollen. „Aber dann haben wir gesagt: Quatsch, lasst uns das Turnier vorher bei uns machen“, erzählte Jahr: „Wir können jeden Wettkampf vor Olympia gebrauchen.“

Entsprechend gelegen kommt auch das German Masters am kommenden Wochenende, wiederum in der heimischen Halle an der Hagenbeckstraße. Dann bekommt das Hamburger Olympiateam Gelegenheit, sich mit weiteren zu messen: Europameister Schweiz, Pazifik-Asien-Meister China, Dänemark, Olympia-Gastgeber Russland und weitere Topnationen haben für die dritte Auflage des einzigen deutschen Turniers auf der Champions Tour gemeldet. Viel größer als am vergangenen Wochenende kann die Belastung für den Gastgeber allerdings kaum werden. Acht Spiele binnen drei Tagen galt es zu überstehen – allein das sechste Match dauerte knapp dreieinhalb Stunden. „Das ist genau die Herausforderung, die wir vor Olympia haben wollen“, sagte Goldemann.

Zuvor aber gilt es, die Lehren aus dem Schwächeln des Wochenendes zu ziehen. „Für uns waren die Spiele wichtig, um Ansatzpunkte fürs Training zu finden“, sagte Beiser. Der Oberstdorfer Bundestrainer bleibt nun die ganze Woche über in Hamburg, um sein Nationalteam in täglichen Einheiten bestmöglich vorzubereiten.

Im Damenwettbewerb führte Sabine Belkofer-Kröhnert ihr hamburgisch-badisches Gemeinschaftsteam auf den zweiten Platz. Die Hamburger Olympiateilnehmerin von 2002 musste sich einzig dem Team der (allerdings abwesenden) Exweltmeisterin Andrea Schöpp aus Garmisch-Partenkirchen beugen. Dieses darf nun vom 15. bis 23. März Deutschland bei der Damen-WM in St. John (Kanada) vertreten.