In der Halle sind nur noch vier Feldspieler und ein Torwart erlaubt. Dass das Ziel der FIH, die Attraktivität des Spiels zu erhöhen, durch das neue System erreicht werden kann, bezweifeln viele.

Hamburg. Man wird sich gewöhnen müssen an Szenen wie die vom vergangenen Wochenende, als beim Schlegel-Cup in Hamburg ein Schiedsrichter einen Trainer darauf hinwies, er möge den fünften Feldspieler vom Platz nehmen, schließlich werde nur noch mit vier Spielern gespielt. Woraufhin der Trainer antwortete, er habe doch den Torhüter vom Feld beordert und dürfe deshalb sehr wohl fünf Feldspieler aufbieten, was der Schiedsrichter mit einem Seitenblick zunächst verifizierte und dann mit Kopfschütteln kommentierte. Es gibt also noch eine ganze Menge Erklärungsbedarf, wenn an diesem Sonnabend die Hallenhockey-Bundesliga in die Saison 2013/14 startet, aber das ist vielleicht auch nicht verwunderlich angesichts der als „kleine Revolution“ bezeichneten Neuerung, die der Weltverband FIH verfügt hat.

Am Rande der Olympischen Jugendspiele 2010 in Singapur war das Internationale Olympische Komitee (IOC) an die FIH mit der Bitte herangetreten, ein Modell für ein Kleinfeldformat zu entwickeln, das weltweit umgesetzt werden könne. Ziel dieser Umstrukturierung sollte einerseits sein, die Attraktivität des Sports zu erhöhen, andererseits aber auch ein System zu schaffen, das global einheitlich vermarktet werden kann. „Es sollte neben der normalen Feld-Variante mit elf gegen elf Spielern nur noch eine weitere Variante geben, nachdem es bisher eine Reihe anderer Spielformen gab“, sagt Michael Green, 41. Der langjährige Nationalspieler vom Harvestehuder THC, der sich mittlerweile mit einer Orthopädie-Praxis in Bahrenfeld selbstständig gemacht hat, war als Vorsitzender der Athletenkommission der FIH in die Neuordnung intensiv eingebunden und kämpfte als kooptiertes Präsidiumsmitglied des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) für die Verbandsmeinung, die im deutschen Hallenhockey gültige Spielform „Sechs gegen sechs“ weltweit umzusetzen.

Doch weil sich die FIH erhoffte, bei nur fünf Spielern mehr bislang noch nicht im Hockey aktive Nationen für sich gewinnen zu können, wurde beschlossen, dass auf Kleinfeld ab sofort nur noch vier Feldspieler plus ein Torhüter zugelassen sind. Der DHB hat diese Änderung nun zunächst für ein Jahr zur Probe in den Hallen-Bundesligen eingeführt. Und die ersten Eindrücke, die in der seit zwei Wochen laufenden Zweiten Liga und in Vorbereitungsturnieren wie dem Schlegel-Cup gewonnen wurden, lassen auf einige taktische Umstellungen schließen.

Vor allem die Torhüter müssen sich umstellen. Weil bei nur noch acht statt zehn Feldspielern gehöriger Freiraum entsteht, ist es ein wichtiges taktisches Mittel, bei eigenem Angriff den Keeper vom Feld zu beordern und mit einem fünften Feldspieler Überzahlsituationen wie im Eishockey zu schaffen. Verliert man dann allerdings den Ball, lässt das dem Gegner Raum für schnelle Konter aufs leere Tor. Deshalb muss der Torhüter stets in der Wechselzone bereit sein, um fliegend zurückzurotieren. Die Herren des HTHC, die als Titelverteidiger in die Saison gehen, zeigten dies beim Schlegel-Cup in Perfektion und gewannen das Turnier überlegen. Trainer Christoph Bechmann ist deshalb überzeugt, dass sich der ständige Torwartwechsel als taktisches Mittel etablieren wird. „Bislang hatte das keinen Sinn, weil man mit einem sechsten Feldspieler das Spiel noch enger gemacht hätte. Aber bei fünf gegen vier ist die Überzahl angesichts des größeren Platzes sehr wirkungsvoll“, sagt er.

Andere Trainer sehen das nicht so. Die Herren des Clubs an der Alster verzichten bislang völlig auf den Torwartwechsel und bauen auf die Paraden ihres Nationalkeepers Tim Jessulat. Kais Al Saadi, Coach der Herren des Uhlenhorster HC, hat beobachtet, dass die verteidigende Mannschaft sich oftmals noch tiefer zurückzieht als bislang. „Früher wurde die eigene Hälfte abgesichert, jetzt ist es oft nur noch ein Drittel. Das sieht aus wie beim Handball, vier Spieler stehen am Schusskreis und mauern“, sagt er. Zwar sei ein fünfter Feldspieler dann hilfreich, weil man eine Option mehr im Spielaufbau habe. „Aber die Kontersicherung wird dadurch schwieriger, und ob das ständige Wechseln nicht eher den Rhythmus stört, muss man auch abwarten.“

Dass das Ziel der FIH, die Attraktivität des Spiels zu erhöhen, durch das neue System erreicht werden kann, bezweifeln viele. Die Anzahl der erzielten Tore war bislang tatsächlich nicht signifikant höher. „Und man konnte schon feststellen, dass die, die früher defensiv gespielt haben, jetzt noch defensiver spielen. Dadurch wird der Raum noch enger und das Spiel immer strategischer, fast wie Schach“, sagt Jens George, Trainer der Alster-Damen.

Einig sind sich alle Beteiligten in zwei Punkten. Zum einen sind technisch starke Spieler im Vorteil, da es mehr Eins-gegen-eins-Situationen gibt und sich bei Kontern mehr Raum für Kabinettstücken bietet. Zum anderen ist das individuelle Pensum deutlich erhöht, da der freie Raum schneller und häufiger im Sprint überbrückt werden müsse. „Wir wollten alle vier Minuten wechseln, jetzt wechseln wir alle zwei, weil es sonst einfach zu anstrengend ist“, sagt Alster-Torjäger Dan von Drachenfels. Die Annahme, bei einem Feldspieler weniger auch mit einem kleineren Kader auszukommen, sei ein Trugschluss. Es dürfte nicht der letzte gewesen sein in der Eingewöhnungsphase.