Leeres Stadion, langatmige Wettkämpfe schlechte Stimmung – nach den Wettkämpfen in Moskau sorgen sich die Leichtathleten um ihre Weltmeisterschaften.

Moskau. Offenheit zählt im globalen Sportgeschäft nicht zu den verbreiteten Tugenden. Insofern überraschte es, dass ausgerechnet der größte Entertainer der Leichtathletik am letzten Abend der Weltmeisterschaften maulte. „Ich muss ehrlich sein“, sagte Usain Bolt. „Es war irgendwie eine andere WM. Es war nicht die beste.“

Die Kritikpunkte des dreimaligen Weltmeisters: Ewig gleiches Essen, kaum lächelnde Menschen, dafür aber die stete Gefahr, dass ihm welche zu nahe rücken konnten. Und vor allem: „Ich bin es gewohnt, das Stadion gerammelt voll zu sehen.“ Immerhin sei es nach einigen Tagen ja besser geworden.

Tatsächlich waren diese 14. Weltmeisterschaften nach müdem Beginn erst spät einigermaßen in Schwung gekommen. Offiziellen Angaben zufolge kamen an den acht Wettkampfabenden 268.548 Menschen ins Stadion (Durchschnitt 33.500), mehr als vor zwei Jahren in Daegu/Südkorea. Diese Zahl ist schwerlich nachzuprüfen. Keine andere olympische Sportart neben dem Fußball sei in der Lage, bei einer WM derart hohe Zuschauerzahlen zu generieren, behauptete der Weltverband IAAF.

Auch die Fernsehübertragungen hätten „eine ermutigende Bilanz“ ergeben. Dass die Einschaltquoten deutlich höher waren als 2011, verwundert aber nicht. Nach Daegu in Südkorea sind es vom Leichtathletik-Kernmarkt Europa aus gesehen sieben Stunden Zeitunterschied, nach Moskau nur zwei, sodass die Primetime bedient werden konnte.

2015 finden die Weltmeisterschaften in Peking statt

Allein in Deutschland lag die Zahl der Fernsehzuschauer um 111 Prozent höher. „Vier Millionen beim 100-Meter-Finale war eine höhere Quote als die ZDF-Quote beim Fifa-Confed-Cup“, vermeldete die IAAF. Gleichwohl haben diese Titelkämpfe aufgezeigt, wie schwierig das Unterfangen ist, eine Betonschüssel wie das Luschniki-Stadion zu füllen. Rund 80.000 Menschen fasst die Arena, auf 50.000 wurde ihr Fassungsvermögen reduziert, gekommen sind jedoch oft nur gut die Hälfte, auch wenn die Zahlen angeblich besser waren. Und das, obwohl die russischen Leichtathleten mit siebenmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze den Medaillenspiegel anführten.

Werden die weltbesten Leichtathleten noch zeitgemäß präsentiert? Sind neun Wettkampftage wirklich nötig? Ist eine unübersichtliche Zerfaserung in Qualifikationen, Vorrunden, Halbfinals und Endkämpfe hilfreich – oder sollten nicht besser Finals kompakt stattfinden, um den Abenden die Langatmigkeit zu nehmen? Mit diesen Fragen muss sich die olympische Kernsportart befassen, wenn sie ihre Zukunft als Attraktion absichern will.

2015 finden die Weltmeisterschaften in Peking statt. Bereits während der Olympischen Spiele 2008 war die 80.000-Zuschauer-Arena dort kaum zu füllen. Dass die Fans dann Usain Bolt laufen sehen wollen, ist abzusehen. Ob Bolt seinen Freunden hinterher Ähnliches berichten wird wie aus Russland? „Es gibt eine Menge Frauen hier, eine Menge schöner Frauen“, sagte er über seine russischen Erfahrungen. Dann grinste er.