Zweimaliger Weltmeister unmittelbar vor dem Großen Preis von Deutschland auf Kurztripp in der Hansestadt. Alonso besichtigt das Kraftstofflabor des Ferrari-Partners und spricht über die Reifen, seine gute Deutschland-Bilanz und Sebastian Vettel.

Hamburg. Fernando Alonso trägt einen weißen Kittel und eine Schutzbrille, die ihn hier, weitab von einer Rennstrecke, ein wenig deplatziert erscheinen lassen. Der 1,71 Meter kleine Spanier mit dem Musketierbart schaut auf die klare Flüssigkeit in einem kleinen Fläschchen, die ihm Jens Müller-Belau, Manager der Kraftstoffentwicklung bei Shell, vorsichtig überreicht hat. Das also ist das Lebenselixier, das seinen Ferrari-Formel-1-Rennwagen an diesem Wochenende beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring (Sonntag, 14 Uhr, RTL und Sky) zum Sieg treiben soll. „Hauptsache, es bringt mehr PS“, schmunzelt Alonso.

Der zweimalige Weltmeister und große Gegenspieler des deutschen Branchenführers Sebastian Vettel war am Mittwoch für ein paar Stunden zu seinem ersten Kurzbesuch in Hamburg eingeflogen. Nach dem Laborbesuch, PR-Fotos vor einem ausgedienten Rennwagen und einem weiteren Fototermin an einer Hamburger Tankstelle entschwand er wieder Richtung Nürburgring.

Shell ist seit sechs Jahrzehnten Partner des Ferrari-Teams und entwickelt in den Laboren in Wilhelmsburg die Treibstoffe für die italienischen Rennwagen, schon zu Michael Schumachers großen Zeiten. In dieser Saison wird das Formel-1-Benzin erstmals auch direkt in Hamburg produziert. 50 Mitarbeiter aus dem Hamburger Forschungsteam mixen und brutzeln den Sprit, fünf von ihnen werden auch an der Rennstrecke sein. Wie viel Benzin Ferrari aus Hamburg geliefert bekommt, bleibt allerdings ein Betriebsgeheimnis. „Das würde die Mitbewerber freuen“, sagt Müller-Belau.

Das Rennbenzin made in Hamburg besteht zu 99 Prozent aus den gleichen Bestandteilen wie herkömmlicher Tankstellentreibstoff. Die Mischungsrezeptur aber ist ähnlich geheim wie die Formel für Coca-Cola. Alonso erzählte von einem Praxistest vor zwei Jahren auf der Ferrrari-Piste in Fiorano: „Damals war der Rennwagen mit unserem Tankstellenbenzin nur vier Zehntelsekunden langsamer!“ Eine schöne Werbung für seinen Vertragspartner, eines von sechs Unternehmen, die auf dem Hemd des Rennfahrers verteilt sind.

Fernando Alonso, 31, lässt in Hamburg nichts von dem Druck spüren, unter dem er steht. Ferrari und Shell dürsten nach dem nächsten Titel. Für die Italiener liegt er nun schon sechs Jahre zurück (Kimi Räikkönen 2007), Alonso wartet sogar noch ein Jahr länger (2006). Zweimal innerhalb der vergangenen drei Jahre musste sich der Spanier erst im letzten Rennen Sebastian Vettel geschlagen geben. Und diesmal? 21 Punkte trennen ihn von Vettel. „Wir hätten sogar 50 Punkte zurückliegen können, wenn Sebastian nicht das technische Problem in Silverstone gehabt hätte“, sagt Alonso in Hamburg. „Wir müssen in den beiden ausstehenden Rennen vor der Sommerpause den Rückstand weiter reduzieren. Ich weiß, dass das ein optimistischer Plan ist.“

Obwohl er das aktuelle Modell F138 einmal „den besten Ferrari, in dem ich je saß“ nannte, bekennt Alonso freimütig: „Im Moment sind wir einfach nicht schnell genug.“ Deutsche Rennstrecken sind allerdings für Alonso immer ein gutes Pflaster gewesen. Fünfmal hat er schon auf dem Nürburgring und in Hockenheim gewonnen, auch wenn er mit dieser Statistik nichts anzufangen weiß: „Ich glaube, das sind Zufälle. Es gibt nichts Magisches dahinter.“

Die größte Sorge der Formel 1 ist die ungewisse Reifensituation. Obwohl er selbst in Silverstone von einem Reifenschaden verschont blieb, fuhr Alonso doch am vergangenen Sonntag nur um Haaresbreite an den umherfliegenden Gummi- und Metallfetzen von Sergio Perez’ McLaren vorbei. „Wir haben Dinge erlebt, die wir so nie wieder sehen wollen“, sagte er. „Diese Zwischenfälle hätten noch viel schlimmer ausgehen können. Da müssen unbedingt Lösungen gefunden werden. So wie in Silverstone kann es nicht weitergehen. So kann man keine Rennen fahren, das ist zu gefährlich für Fahrer und Zuschauer. Aber wie ich gehört habe, hat es schon erste Schritte gegeben.“ An einen Fahrerstreik auf dem Nürburgring glaubt Alonso allerdings nicht. Reifenhersteller Pirelli bringt jene neuen Gummis an den Nürburgring, die eigentlich schon in Kanada zum Einsatz kommen sollten, aber nach der Mercedes-Testaffäre zu Hause geblieben waren.

Was bleibt von Alonsos Boxenstopp in Wilhelmsburg? Wir haben gelernt, dass der Rennfahrer privat ein eher defensiver Autofahrer ist und dass er Mesut Özil und Sami Khedira bei seinem Lieblingsfußballverein Real Madrid für unverzichtbar hält.

Bleiben noch zwei Fragen offen: die nach Hamburg und jene nach Vettel.

Alonso fing gar nicht erst an, Interesse an der Hansestadt zu heucheln. „Ehrlich gesagt, habe ich mir sagen lassen, wie schön diese Stadt sein soll.“ Sein Eindruck war ein anderer: „Auf dem Weg vom Flughafen hierher habe ich nur den Hafen und Industrieanlagen gesehen…“

Und ein Satz zu Vettel, der am Mittwoch seinen 26. Geburtstag feierte? „Ich wünsche ihm an diesem Tag das Beste.“ Dann kam doch noch die kleine Stichelei gegen den jungen Rivalen: „Das gilt aber nicht unbedingt für den nächsten Sonntag…“