Die FIA hat in einer ad-hoc-Aktion die Nachwuchsfahrer-Tests für alle Piloten freigegeben. Regeln sollen geändert werden. Nur eines soll sich nie wiederholen: Der Reifen-Alptraum vom Sonntag.

Paris. Der Automobilweltverband hat aus dem gefährlichen Reifen-Alptraum von Silverstone erste Konsequenzen gezogen und die kommenden Nachwuchsfahrer-Tests für alle Piloten freigegeben. Das teilte FIA-Präsident Jean Todt am Montagabend in einer Presseerklärung mit. Um die Lage so schnell wie möglich zu beruhigen, sollen sogar zwei Regeln geändert werden.

„Unsere Priorität ist, die Sicherheit für alle in der Formel 1 zu gewährleisten und wir glauben, dass die Vorfälle in Silverstone ernsthafte Sicherheitsbedenken für die Fahrer bedeuten“, sagte Todt, nachdem es beim Großen Preis von Großbritannien am Vortag zu vier Reifenplatzern im Rennen gekommen war.

Die Nachwuchsfahrer-Tests finden vom 17. bis 19. Juli ebenfalls auf dem Traditionskurs in England statt. Die Tests könnten zudem um einen Tag verlängert werden, teilte die FIA zudem mit. Der deutsche MercedesAMG-Rennstall wird nicht daran teilnehmen.

Das Team um den Silverstone-Sieger Nico Rosberg war wegen eines Privattests für Exklusiv-Ausrüster Pirelli Mitte Mai von den sogenannten „Young-Driver-Tests“ ausgeschlossen worden. Die Silberpfeile hätten nun im „Interesse des Sports“ akzeptiert, weiterhin nicht bei den Zusatzfahrten auf die Strecke zu gehen, obwohl die Nachwuchsfahrer-Tests nun für alle Piloten offen sind.

Um dies alles zu ermöglichen, soll umgehend der entsprechende Artikel im Sport-Regelwerk umgeschrieben werden. Des Weiteren soll auch der Paragraf in den Technik-Statuten geändert werden, wonach eine Änderung der Reifenspezifikationen noch der einstimmigen Zustimmung aller Teams bedarf. „Dies wird es uns erlauben, die notwendigen Aktionen zu unternehmen, um die Sicherheit zu gewährleisten“, hieß es in der FIA-Mitteilung.

Unterdessen habe man Pirelli um eine Rückversicherung gebeten, dass sich die Ereignisse von Silverstone nicht noch mal wiederholen würden beim kommenden Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Am Sonntag in Silverstone waren gleich zu Beginn des Rennen jeweils drei linke Hinterreifen förmlich explodiert. Gegen Ende erwischte es einen weiteren Fahrer. Die Piloten sprachen nachher ungewohnt offen über große Sorgen um die eigene Sicherheit und schlossen sogar einen Boykott unter diesen Voraussetzungen nicht aus. Bei Pirelli wurde am Montag unter Hochdruck nach den Ursachen für die Reifenplatzer gesucht.

Auch die Presse geht hart ins Gericht mit Pirelli. Lesen Sie hier die Pressestimmen zum Großen Preis in Silverstone:

ITALIEN

Gazzetta dello Sport: „Chaos mit den Reifen, doch Ferrari rettet sich. Vettel gewinnt den Oscar fürs Pech. Er hat das Rennen in der Hand, doch sein Auto verrät ihn. Red Bull verschwendet damit 25 Punkte, die für den Ausgang der Saison entscheidend sein könnten. Hamilton ist ein vom Pech verfolgter Held. Als ihm ein Reifen zerplatzt, muss er eine Runde auf drei Reifen drehen, doch in der letzten Phase wird er für Alonso sogar gefährlich“.

Corriere dello Sport: „Das Rennen der Angst, die Reifen explodieren. Während Vettel sein Red Bull Vettel im Stich lässt, gelingt es Alonso wie ein alter Boxer trotz allem, das Podium zu erobern. Das ist die richtige Strafe für den arroganten Vettel. Jetzt ist die Meisterschaft wieder offen“.

Tuttosport: „Ein Wunder für Alonso, der aufs Podium kommt. Sein dritter Platz ist nach dem Ausfall Vettels Gold wert und verbessert die Position des Spaniers wesentlich. Vettel hat keinen einfachen Tag erlebt. Er sieht seinen vierten Titel in der Ferne und muss 10 Runden vor dem Ende des Rennens kapitulieren. Das war der traurigste Sonntag für Vettel in dieser Saison“.

Repubblica: „Vettel gerät einmal in die Kategorie der schlechten Schüler. Alonso profitiert davon. Bis zu sieben Runden vor dem Ende hatte er ein absolut anonymes Rennen bestritten. Danach ändert sich alles. Nachdem der Rivale Vettel aus dem Weg geräumt ist, greift Alonso nach dem Podium. Vier Reifen explodieren, das Thema Sicherheit wird zu einer akuten Frage“.

Corriere della Sera: „Wie in einem verrückten Videogame, in dem sich die Gefahren vermehren, muss Alonso auf die Explosion von vier Reifen reagieren. Das hält ihn jedoch nicht auf. Das Glück ist endlich auf seiner Seite. Vettel wird vom Pech verfolgt“.

ENGLAND

The Telegraph: „Als man gerade dachte, die Formel 1 könnte nicht verrückter laufen: Nico Rosberg entkommt dem Chaos von Silverstone und stiehlt den Sieg für Mercedes. Der britische Grand Prix wurde zum großen Drama, leider aus den völlig falschen Gründen. Fünf Reifenplatzer, zwei Safety Cars, der seltene Ausfall Sebastian Vettels – und am Ende Anschuldigungen, das jemand verletzt werden muss, bevor die Sicherheit erhöht wird.

The Sun: “Rosberg gewinnt, das Reifen-Drama überschattet den britischen Grand Prix. Die unerklärlichen Reifenexplosionen bringen ernsthafte Sicherheitsbedenken. Ausrüster Pirelli muss schwierige Fragen beantworten, der Drei-Tages-Test mit Mercedes hat die Sicherheitsprobleme eindeutig nicht gelöst.

The Guardian: „Nico Rosberg gewinnt einen ereignisreichen britischen Grand Prix. Es war nicht nur ein persönlicher Triumph: Durch den Sieg kletterte Mercedes in der Teamwertung vor Ferrari, wo sie wohl der größte Herausforderer für Red Bull bleiben werden.“

Daily Mail: „Sick and tyred: Die Pirelli-Krise verschärft sich, als Hamilton, Massa, Vergne und Perez Reifenplatzer erleiden.“

SPANIEN

Marca: „Alonso macht Beute, er wurde Dritter hinter Rosberg und Webber und hat die WM wieder im Blick. Die Pirelli-Reifenplatzer hätten zum Abbruch des Rennens führen können. Der Red Bull lässt Vettel im Stich, als keiner ihm den Sieg streitig machen konnte.“

As: „Alonso verkürzt um 15 Punkte auf Vettel und schafft das Wunder im Pirelli-Chaos. Der Rivale dagegen ohne Auto. Vettel muss aufgeben und Alonso lächelt. So ist dieser Sport.“

Sport: „Alonso Dritter durch eine weitere Heldentat. Diesmal hatte er das Glück, das ihm sonst oft fehlte. Die Schlussphase des Rennens war Nichts für Herzschwache. Sieger Nico Rosberg fuhr ein fehlerloses Rennen.“

Superdeporte: „Alonso Dritter in einem Grand Prix der von den Reifen bestimmt wurde. Ab der achten Runde wurde das Rennen wegen der Reifenplatzer zum Wahnsinn.“

FRANKREICH

L'Equipe: „Die Pirelli-Reifen machen schon wieder von sich reden. Nicht wegen zu hoher Abnutzung – sondern weil sie explodieren. Dass niemand verletzt wurde, ist ein kleines Wunder. Pirelli muss sich dieses Problem genau anschauen, derzeit gibt es mehr Fragen als Antworten. Aus dem Chaos geht Rosberg als Sieger hervor.“

ÖSTERREICH

Kurier: „Die Fahrt über die Ziellinie konnte der Sieger des Großen Preises von Großbritannien nicht genießen. Nico Rosberg war unter Druck. 52 Runden und 306,198 Kilometer lang – und erst recht auf den allerletzten Metern des Rennens in Silverstone. Alles andere als gesprächig präsentierte sich Sebastian Vettel. Dem Weltmeister platzte zwar nicht der Reifen, aber dennoch beinahe der Kragen. Der 25-jährige Deutsche hatte das Rennen von der Spitze weg diktiert, ehe zehn Runden vor dem Ende der fünfte Gang im Red Bull streikte.“

Der Standard: „Rosberg gewinnt Reifenmassaker von Silverstone.“

SCHWEIZ

Neue Zürcher Zeitung: „Die Formel 1 in Aufruhr. Silverstone erlebte einen dramatischen und chaotischen Nachmittag. Dem Mercedes-Fahrer Nico Rosberg gelang der zweite Sieg innerhalb von drei Rennen, doch damit ist dieser Grosse Preis von Großbritannien nicht zu Ende. Zu heftig waren die Bilder der explodierenden linken Hinterreifen an vier Rennwagen.“

Blick: „Rosberg siegt nach Reifen-Theater. Geplatzte Reifen und ein Getriebeschaden: Der Grand Prix in Silverstone hat es in sich. Am Ende jubelt Rosberg. Und das Sauber-Team, das dank Hülkenberg einen Punkt gewinnt. Dieser Sonntag macht allen Sauber-Fans Mut.“