BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke spricht im Interview über den historischen Sieg gegen Real Madrid, die Transfergerüchte um Stürmer Robert Lewandowski – und seine Bankkonten.

Erst der Last-Minute-Krimi gegen den FC Malaga, nun die 4:1-Gala im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid: Borussia Dortmund übertrifft sich derzeit mal wieder selbst in Sachen Dramatik und Spielkunst. Doch es gibt auch Störgeräusche wie den Wechsel von Mario Götze zum FC Bayern oder das angebliche Werben der Münchner um Stürmer Robert Lewandowski, der mit vier Toren zum Helden des Mittwochabends wurde. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lässt sich davon allerdings nicht erschüttern. Der 53-Jährige genießt den Augenblick und plant die Zukunft.

Hamburger Abendblatt: Wo ordnen Sie den Sieg gegen Real Madrid ein?

Hans-Joachim Watzke: Das war ein historischer Abend. Von dieser Champions-League-Saison werden die Menschen wohl noch in 40 oder 50 Jahren sprechen. Gleichwohl wissen wir, dass wir noch rein gar nichts erreicht haben. Wir haben uns eine gute Ausgangsposition verschafft, mehr nicht. Unsere Chancen aufs Finale liegen nun vermutlich bei über 50 Prozent. Aber ich möchte nicht wissen, wie oft Real Madrid zu Hause 3:0 oder höher gewonnen hat. Also: Wir bleiben wachsam.

Abendblatt: Deutschland acht Tore, Spanien eins in beiden Halbfinalspielen – ist das die große Wachablösung im internationalen Fußball?

Watzke: Ich würde für diese Einschätzung dann doch ganz gern noch die Rückspiele abwarten. Es ist doch bekannt, dass spanische Mannschaften sehr oft in den Heimspielen besser sind als in den Auswärtsspielen.

Abendblatt: Der Druck auf Bundestrainer Joachim Löw dürfte trotzdem gestiegen sein, es mit der Nationalelf den Vereinen gleichzutun.

Watzke: Joachim Löw saß beim Spiel gegen Madrid in meiner unmittelbaren Nähe. Er sah nicht so aus, als ob er gelitten hätte. Im Ernst: Wenn ein Bundestrainer über Spieler mit solchem Potenzial verfügt, dann ist das doch das Beste, was ihm passieren kann.

Abendblatt: Einen Tag vor dem Real-Spiel wurde bekannt, dass Mario Götze im Sommer zum FC Bayern wechselt. Wer ist schuld an dem perfiden Zeitpunkt der Veröffentlichung?

Watzke: Wir haben da klare Erkenntnisse, die wir allerdings nicht öffentlich machen werden. Es ist wie in der Kriminalistik: Du musst Motive hinterfragen, dann kommst du schnell weiter. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Abendblatt: Haben Sie den Zeitpunkt des Lancierens als Sabotage empfunden?

Watzke: Er hat mich nicht total überrascht, und ich habe das alles für mich eingeordnet. Damit kein Missverständnis entsteht: Es war legitim von Bayern München, Mario Götze unter Vertrag zu nehmen. Als wir 2012 seinen Vertrag um zwei Jahre bis zum Sommer 2016 verlängern wollten, gab es nur die Bereitschaft, das mit einer Ausstiegsklausel zu tun. Wir sind natürlich sehr enttäuscht, dass wir einen unserer besten Spieler verlieren. Und persönlich war ich enttäuscht, dass die Bayern uns nicht informiert haben, dass sie sich mit dem Spieler einig sind. Das habe ich auch Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandsvorsitzender des FC Bayern – d. R.) persönlich gesagt. Als wir vor einem Jahr Marco Reus von Borussia Mönchengladbach verpflichtet haben, hat unser Manager Michael Zorc sofort seinen Kollegen Max Eberl angerufen.

Abendblatt: Hat Rummenigge die Kritik angenommen?

Watzke: Der Stil gebietet es, dass Dinge, die wir untereinander besprechen, auch unter uns bleiben. Ich halte das immer so.

Abendblatt: Götze wird also gehen. Kann er ersetzt werden?

Watzke: Nicht eins zu eins. Es wird schwer, ihn zu ersetzen, denn er hat eine absolute Qualität. Aber Borussia Dortmund ist größer als jeder einzelne, größer als Klopp, Zorc, Watzke oder jeder andere Spieler. Als Adi Preißler aufgehört hat, ist es weitergegangen, genauso wie nach Siggi Held, Matthias Sammer oder Michael Zorc. Genauso wird es jetzt weitergehen. Wir wissen ja schon seit Jahren, dass der FC Bayern mehr Waffen als wir im Arsenal hat. Das ist wie mit den Galliern und den Römern: Wir müssen auf unsere Art versuchen, Götzes Weggang zu kompensieren, müssen kreativ, mutig und geschlossen bleiben.

Abendblatt: Apropos Waffen: Dortmunds steht für Emotionalität, die Zuschauer, Trainer Klopp, die Geschlossenheit der Mannschaft. Nun kommt Ihnen nach Shinji Kagawa und Nuri Sahin in Götze zum dritten Mal in Folge ein Leistungsträger abhanden. Ist der Ruf des Geldes doch stärker?

Watzke: Wir bilden ein Gesamtpaket aus emotionalen und wirtschaftlichen Komponenten. Was das Wirtschaftliche angeht, gibt es nun mal ein paar Klubs, die besser aufgestellt sind. Fakt ist: Die von Ihnen genannten Spieler haben wir an Real Madrid, Manchester United und Bayern München verloren. Die Zahl der Klubs, die dafür infrage kommen, uns Spieler abjagen zu können, ist in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft.

Abendblatt: In Robert Lewandowski, dessen Vertrag bis 2014 läuft, könnte der nächste Stammspieler gen München entschwinden. Dessen Berater sagte gerade, Lewandowski sei sich mit einem Verein einig und habe vor, diesen Sommer zu wechseln.

Watzke: Dann wäre es schön, wenn dieser Verein sich dann mal mit uns in Verbindung setzen würde. Ich kann nur sagen: Uns liegt kein Angebot für Lewandowski vor. Wir möchten, dass er bei uns bleibt und werden das mit ihm besprechen.

Abendblatt: Hat er eine Ausstiegsklausel?

Watzke: Nein. Das ist der entscheidende Unterschied.

Abendblatt: Also könnten Sie ihn halten, wenn Sie das unter allen Umständen möchten. Geht das, wenn der Spieler sagt: „Ich will weg“?

Watzke: Die Möglichkeit, ihn trotzdem zu halten, hätten wir. Aber in diesem Fall würden wir es machen wie immer: Es im kleinsten Kreis besprechen und dann gemeinsam entscheiden.

Abendblatt: Als Götze-Nachfolger werden Julian Draxler von Schalke 04 und Shinji Kagawa gehandelt.

Watzke: Wir denken momentan an unser nächstes Spiel gegen Düsseldorf und danach an das Rückspiel in Madrid. Aber bestimmt nicht daran, wer nun Götze ersetzen kann.

Abendblatt: 37 Millionen für Götze, zehn Millionen für einen neuen Werbevertrag mit Turkish Airlines, dazu die Champions-League-Einnahmen – der BVB schwimmt im Geld.

Watzke: Bei allem Respekt: Natürlich geht es uns wirtschaftlich gut. Aber zu glauben, wir hätten 70 oder 80 Millionen Euro auf dem Festgeldkonto, die wir nun investieren könnten, ist verrückt. Wir müssen ja unter anderem auch Steuern zahlen für diese Einnahmen.

Abendblatt: Apropos Steuern...

Watzke: Kein Kommentar.

Abendblatt: Warten Sie doch die Frage ab: Sie sind selbst vermögend...

Watzke: ...das ist relativ...

Abendblatt: ...wie stehen Sie zur aktuellen Steuerdebatte, die nach der Selbstanzeige von Uli Hoeneß losgetreten wurde?

Watzke: Egal, wie ich diese Dinge bewerte: Ich habe für mich entschieden, zu der aktuellen Debatte nichts zu sagen. Denn alles, was ich dazu sage, würde automatisch in einen Kontext mit Uli Hoeneß gestellt. Und das lehne ich aus kollegialen Gründen ab. Außerdem bin ich völlig entspannt, denn ich habe nur Konten in Dortmund und Marsberg.

Abendblatt: Sollte es zu einem Finale gegen den FC Bayern München kommen, streben Sie dann Rache für den Götze-Transfer an?

Watzke: Das Wort Rache existiert in meinem Wortschatz nicht. Wir wollen Fußballspiele gewinnen. Außerdem beschäftige ich mich vor Dienstag, 23.00 Uhr, keine Sekunde mit einem möglichen Finale.