Einen Tag vor dem Spiel war sein Wechsel zum FC Bayern bekannt geworden. Statt Pfiffe gab es Beifall für eine schwarzgelbe Zauberstunde.

Dortmund. Mario Götze wirkte unentschlossen. Nur zögerlich und fast ein wenig ängstlich folgte er seinen Noch-Kameraden nach dem historischen 4:1-Erfolg über Real Madrid vor die tobende schwarz-gelbe Wand der Südtribüne. Als letzter Spieler aus den Reihen der Dortmunder kam er vom Mittelkreis Richtung Tor getrabt. Der anschließend frenetische Jubel der Fans nach dem Schlusspfiff nahm ihm dann aber die Angst vor Unmutsäußerungen. Sichtlich erleichtert schloss sich das scheidende Fußball-Juwel der Ehrenrunde der Mannschaft an und verließ schließlich als einer der letzten den Rasen, nachdem er die Zuschauer auf allen vier Tribünen beklatscht hatte.

Ganz geheuer war Götze die Sache aber noch immer nicht. Flankiert von Kumpel Marco Reus mogelte sich der künftige Münchner an den Medien vorbei aus den Stadion-Katakomben. Fragen zum Spiel oder zu seinem Auftritt bei der 4:1-Gala gegen Real Madrid mochte der Fußballprofi von Borussia Dortmund nicht beantworten. Einen Tag nach Bekanntwerden seines Wechsels zum Rekordmeister FC Bayern saß der Stachel über die Teils heftigen Reaktionen offenbar doch tief. So blieb Götzes Gefühlswelt im Dunkeln.

Stattdessen äußerten sich Trainer und Mitspieler über den Umgang mit der schwierigen Situation, ihre Befürchtungen und die Erleichterung darüber, dass die BVB-Fans ihre Liebe zum Club über Wut und Enttäuschung stellten. „Es war ein unfassbar gutes Spiel von Mario. Das war nicht selbstverständlich“, lobte Jürgen Klopp die Coolness des 20-Jährigen, der auf dem Rasen unbeeindruckt vom Wechsel-Theater brillierte.

Dabei war selbst Klopp zuvor nicht sicher gewesen, ob die Fans ihren Frust unter Kontrolle haben würden – nur einen Tag nach dem Nackenschlag. Oder ob sich ihr Zorn über den einstigen Publikumsliebling Bahn brechen würde. Vorsorglich hatte der Coach seinen Profi sogar angeschwindelt, als er meinte, die Fans würden das Team und ihn in dem wichtigen Spiel vorbehaltlos unterstützen. „Ich habe so getan, als sei ich mir da sicher“, gestand Klopp den kleinen Psychotrick.

Götze wirkte dennoch vor dem Spiel verunsichert. Er ließ den Kollegen den Vortritt, als es zum Aufwärmen raus aus den Katakomben ins Stadion ging. Doch die Partie gegen die „Königlichen“ stand auch bei den Anhängern im Vordergrund, so dass sie auf Pfiffe gänzlich verzichteten. Doch auch an seinen Mitspielern schien der Wechsel nicht spurlos vorüber gegangen zu sein. Götze drehte zunächst allein seine Runden auf dem Rasen, ehe sich Kumpel Marco Reus ihm annahm. Bei der Aufstellung, die Stadionsprecher Norbert Dickel lauthals verlas, skandierte ein Gros der BVB-Fans seinen Namen wie gewohnt lauthals, so dass vereinzelte Pfiffe untergingen. Ein Signal, dass im Spielertunnel anzukommen schien.

Denn schon kurz nach dem Anpfiff war klar, dass dem „Shitstorm“ im Internet keine großen Unmutsbekundungen folgen würden. Zur Sicherheit hatte der BVB vor Spielbeginn Klopps eindringlichen Dienstags-Appell an die Fans („Lasst alle negativen Gefühle zu Hause und uns gemeinsam einen ganz speziellen BVB-Abend erleben!“) nochmals über die Videowände flimmern lassen.

Die meisten Teamkollegen zeigten sich ohnehin unbeeindruckt. „Wir mussten uns allein auf dieses Spiel konzentrieren. Was mit Mario passiert, spielt keine Rolle“, betonte Vierfach-Torschütze Robert Lewandowski. Ihm hatte Götze mit einer brillianten Vorlage zum frühen 1:0 nach acht Minuten verholfen. Der Coach habe das Thema in der Mannschaftssitzung kurz angeschnitten, erzählte Sven Bender. Auch er hegt keinen Zweifel, dass Götze bis zur letzten Sekunde alles für den BVB gibt: „Mario ist jetzt noch bei uns und gibt Vollgas.“

Man habe es „ausblenden“ müssen, betonte Marcel Schmelzer. „Vielleicht bekommt man die Chance, ins Champions-League-Finale einzuziehen, nicht so schnell wieder. Warum sollten wir uns die kaputt machen lassen, nur weil jemand eine Information nicht für sich behalten konnte?“, meinte der Linksverteidiger.

Allein Mats Hummels ließ – nicht nur wegen seines haarsträubenden Fehlpasses vor dem 1:1-Ausgleich – erkennen, dass ihn der Wechsel von Götze zu den Bayern ziemlich mitgenommen hatte. „Wir waren alle nicht erfreut darüber, aber wir haben es akzeptiert“, sagte der Verteidiger. Und: „Wir hatten immer das Gefühl, dass Mario gerne bei uns spielt.“

Das bewies Götze an jenem denkwürdigen Abend in Dortmund am Mittwoch eindrucksvoll. Die Tür zu einem Finale gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber ist aufgestoßen. Dem BVB zum Abschied Europas Krone aufzusetzen - Mario Götze könnte nach der unglücklichen Einleitung noch einen glorreichen Abschied feiern.