Unbeirrt vom Streik am Frankfurter Flughafen ist die deutsche Nationalmannschaft am Donnerstag zum ungewöhnlichsten Länderspiel-Trip des Jahres nach Kasachstan aufgebrochen.

Astana. Die groteske Zeitreise begann immerhin pünktlich. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft war vom großen Streik am Frankfurter Flughafen am Donnerstag nicht betroffen und nahm dank ihrer Sonderstellung auf dem Weg nach Kasachstan zumindest die erste Hürde sehr elegant. Während die meisten Flüge gestrichen wurden und vor den Schaltern das Chaos herrschte, wurde für die prominenten Gäste ein eigener „Counter“ eingerichtet. So konnte der Lufthansa-Airbus A340 mit der Flugnummer 342 wie geplant um 10.02 Uhr von der Startbahn West zum WM-Qualifikationsspiel ins 4300 Kilometer entfernte Astana abheben. Dort warteten vor dem Spiel zur „Geisterstunde“ Ortszeit am Freitag (19 Uhr MEZ/ZDF) viel größere Probleme auf Bundestrainer Joachim Löw und seine Spieler. Diese beziehen sich weniger auf den 139. der Weltrangliste oder das „spanische System“ ohne echten Angreifer, sondern auf den ungewohnten Kunstrasen und die Zeitverschiebung.

„Wir trainieren um 23 Uhr. Um zwei Uhr gibt es Abendessen, um vier ist Bettruhe und um zwölf gibt's Frühstück“, verkündete Löw bereits vor dem Abflug mit einem Schmunzeln. Für die kasachische Bevölkerung mögen die deutschen Nationalspieler auf den ersten Blick wie Außerirdische wirken. Doch der kuriose Tagesablauf beim ungewöhnlichsten Länderspiel-Trip des Jahres hat seinen Grund: Die Zeitumstellung von fünf Stunden ignoriert der DFB-Tross einfach. Für einen, maximal zwei Tage gehe das, versicherten Löw und DFB-Internist Tim Meyer. Aber keine Stunde länger. „Die Devise lautet: Die Bedingungen annehmen, gewinnen und so schnell wie möglich wieder zurückfliegen“, sagte Abwehrchef Per Mertesacker. Ihre Uhren werden die Spieler bei diesem nicht nur für Mertesacker „scheinbar grotesken“ 43-Stunden-Trip nicht umstellen. Für sie soll das Spiel gefühlt um 19 Uhr stattfinden, wie für die Zuschauer in Deutschland auch.

Die „kuriose Anstoßzeit“ (Löw) 0.00 Uhr soll und kann eher für die Gastgeber zur Belastung werden. „Herzlichen Dank ans Fernsehen“, richtete Mannschaftsarzt Meyer deshalb aus: „Die Anstoßzeit spielt uns in die Karten.“ Schon 2010 war das DFB-Team in Kasachstan im europäischen Zeitmodus geblieben. Der Gesamteindruck sei unabhängig vom damaligen 3:0-Erfolg positiv gewesen, berichtete Meyer, „auch wenn es bei 20 Spielern normal ist, dass es nicht jeder gleich gut hinkriegt“. Augenklappen, Ohrenstöpsel und dichte Vorhänge im Fünf-Sterne-Hotel „Rixos President“ sind für die Spieler wichtig, damit sie nicht mitten in der Nacht - nach innerer Uhr - von der aufgehenden Sonne geweckt werden. Deshalb werden die Vorhänge mit Tape in der Mitte zusammen und seitlich an die Wände geklebt. „Die Fenster müssen gut verrammelt sein und die Vorhänge absolut dicht“, sagte Mertesacker, der vor zweieinhalb Jahren schon dabei war: „Dann kann ich recht gut schlafen - wenn draußen nicht so viel gebaut wird.“ Genau das, eine Baustelle vor dem Teamhotel, war 2010 aber das Problem. „Der eine oder andere hat das schon gemerkt“, sagte Meyer. Dennoch war die späte Anreise für Löw „alternativlos“.

Er spricht aus Erfahrung. „2009 in China haben wir einen Fehler gemacht“, sagte er: „Damals sind wir zwei Tage vorher nach China und haben versucht, uns umzustellen. In der Nacht vor dem Spiel haben dann viele Spieler nicht geschlafen und die ganze Nacht wach gelegen. Das hat einige Energie gekostet.“ Am Ende stand ein müdes 1:1. An solche Probleme glaubt Löw diesmal nicht. „Wir werden es schaffen, uns darauf einzustellen, wie beim letzten Mal“, versicherte er. Und sowieso: „Die sechs Punkte sind fest eingeplant.“ Zwar seien die Kasachen seit den letzten Duellen „besser geworden, kompakter, strukturierter und intelligenter in der Zweikampfführung. Aber wir bestimmen das Ergebnis. Wenn wir unser Potenzial abrufen, werden wir gewinnen.“ Die Startelf für die Partie unter geschlossenem Dach bei geschätzten minus acht Grad Außentemperatur steht bis auf zwei kleine Fragezeichen. In der Innenverteidigung wird nach dem Ausfall von Mats Hummels und Holger Badstuber ein Partner für Mertesacker gesucht. „Die Entscheidung wird fallen zwischen Jerome Boateng und Benedikt Höwedes“, verriet Löw - wobei Boateng die besseren Karten besitzt.

Im Sturm stellt sich die System-Frage: Mit Mario Gomez als zentralem Keilstürmer? Oder mit Mario Götze als „falschem Neuner“, was wohl Lukas Podolski anstelle von Gomez ins Team bringen würde? „Wir werden in diesem Spiel beide brauchen“, sagte Löw. Wahrscheinlich wird er jedoch mit dem Dortmunder Götze (20) beginnen und versuchen, sein zuletzt in den Niederlanden (0:0) und Frankreich (2:1) getestetes „spanisches System“ zu verfeinern: Angriff ohne echten Stürmer lautet die Devise. Das mit dem Abflug hat zumindest schon einmal geklappt.

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung:

1 Neuer - 16 Lahm, 17 Mertesacker, 20 Boateng, 3 Schmelzer - 6 Khedira, 7 Schweinsteiger - 13 Müller, 8 Özil, 10 Podolski - 19 Götze. - Trainer: Löw