Kasachstan ist nur Nummer 139 in der Fußball-Welt. Die Vorbereitung auf das erste Qualifikations-Duell läuft bei der DFB-Elf aber auf Top-Niveau. Ein Ausrutscher ist der Löw-Auswahl verboten.

Astana. Nach dem Langstreckenflug nach Astana war der Biorhythmus von Joachim Löw bestens intakt. „Es ist 17.15 Uhr“, beantwortete der Bundestrainer die Frage nach der Uhrzeit ohne zu zögern. Die Ortszeit von plus fünf Stunden wurde von Löw, wie von den Teamärzten der deutschen Nationalmannschaft dringend empfohlen, einfach ignoriert. Vor dem ungewöhnlichsten Fußball-Länderspiel des Jahres zur Geisterstunde in Kasachstan am Freitag (19 Uhr MEZ/im Liveticker auf abendblatt.de) ließ sich Löw im winterlichen Astana auch bei der Stürmer-Frage nicht auf's Glatteis führen.

Ob Wuselstürmer Mario Götze oder Stoßstürmer Mario Gomez in der Startelf steht und die Tore zum fest eingeplanten Sieg in der WM-Qualifikation schießen soll, wollte der DFB-Chefcoach erst in einer Nachtsitzung nach dem Abschlusstraining entscheiden. Alle Optionen ließ sich Löw offen. „Es könnte auch sein, dass Mario Götze links und Mario Gomez vorne spielt“, sagte er.

Die Partie hinter dem Ural wird geprägt von Sondermaßnahmen. Problemlos verlief immerhin die wohl längste Anreise zu einem WM-Qualifikationsspiel. Vom Streik-Chaos am Frankfurter Flughafen blieben Mesut Özil und Co. verschont. Als einer der wenigen Lufthansa-Flieger wurde die Sondermaschine LH 342 nach Astana am Donnerstag planmäßig abgefertigt. Die DFB-Stars wurden wie üblich mit dem Bus direkt auf das Rollfeld gefahren.

Minusgrade und Schnee empfingen die DFB-Reisegruppe dann in der kasachischen Hauptstadt. Beim Abschlusstraining kurz darauf in der überdachten und angenehm temperierten Astana Arena waren alle 20 Spieler auf dem Kunstrasen dabei. „Man hat es der Mannschaft angemerkt, dass Qualifikationsspiele anstehen. Sie war sehr fokussiert die letzten Tage“, berichtete Löw.

„Es liegt an uns, wie wir das Spiel gestalten“

Langstreckenflug und Plastikboden sind für den Bundestrainer bei der skurrilen Nachtschicht unliebsame Begleiterscheinungen. Als Ausrede für einen peinlichen Aussetzer auf dem Weg nach Brasilien 2014 dürfen sie aber nicht in Erwägung gezogen werden. „Es liegt an uns, wie wir das Spiel gestalten. Wenn wir unser Potenzial abrufen, werden wir als Sieger vom Platz gehen“, sagte Löw vor dem ersten von zwei Duellen gegen den großen Außenseiter innerhalb von vier Tagen.

In rund 4500 Flugkilometern Entfernung will der Bundestrainer bloß keine böse Überraschung erleben. Zweimal drei Punkte stehen fest in der Kalkulation. Das betonte auch Bayern-Profi Thomas Müller vor der Partie: „Wir haben alle Respekt vor Kasachstan, aber wenn wir als Deutschland da nicht mehr hinfahren um zu gewinnen, ist die Welt ein bisschen verdreht.“

Es geht nur gegen die Nummer 139 in der Fußball-Welt – eingerahmt in der Fifa-Rangliste von Tahiti und Turkmenistan. Die Vorbereitungen sind dennoch aufwendig. Als Blaupause dienten die Erfahrungen aus dem ersten Gastspiel in Astana beim 3:0 im Oktober 2010. „Eigentlich machen wir dasselbe wie damals“, sagte Teamarzt Tim Meyer. Nämlich: Der Zeitverschiebung trotzen und den Biorhythmus möglichst nicht umstellen. Sonst droht der lähmende Jetlag.

„Die Zeitumstellung ist schon heftig“

Im Teamhotel Rixos President werden für den gewollten Nachtschlaf zur Tageszeit extra die Fenster verdunkelt. Ob alle Spieler den Zeitbetrug am Körper gut verkraften, ist aber nicht garantiert. „Bei 20 Spielern ist es unwahrscheinlich, dass es alle gleich gut hinkriegen“, sagte Meyer. Immerhin der Bundestrainer ist schon ein Anti-Jetlag-Profi. „Mir persönlich ist das gelungen“, erinnerte sich Löw an die letzte Astana-Reise. Der DFB-Chef gestand aber auch: „Die Zeitumstellung ist schon heftig.“ Astana liegt auf einem Längengrad zwischen Kabul und Islamabad.

Der Kunstrasen macht den deutschen Ball-Zauberern um Özil und Götze keine Angst. „Ein Vorteil ist es nicht, schließlich sind wir es nicht gewohnt, auf diesem Belag zu spielen. Aber wir haben eine technisch starke Mannschaft, wir sollten in der Lage sein, auch auf Kunstrasen unsere Qualitäten zu zeigen“, sagte Özil. Und Götze stellte fest: „Natürlich gibt es ein paar Faktoren. Wir könnten auf Rasen spielen, das Wetter könnte besser sein, aber wir werden versuchen, unsere Pflicht zu erfüllen.“

„Die Mannschaft wird sich mit Händen und Füßen wehren“

Einiges spricht dafür, dass der Bundestrainer auf das spanische Modell ohne einen Stoßstürmer wie Gomez setzt und Götze wie schon beim 0:0 in den Niederlanden ganz nach vorn beordert. Das notwendige passgenaue Spiel auf Kunstrasen ist ein starkes Argument für diese Variante. Gomez sieht seinen Spielstil aber nicht als Auslaufmodell. „Mindestens 95 Prozent der Topteams im Weltfußball spielen immer noch mit einem richtigen Stürmer. Und 99 Prozent der Trainer sind froh, wenn sie einen richtigen Killer im Team haben“, sagte er in einem Interview mehreren Zeitungen. Gomez' Chancen gegen Kasachstan steigen sprunghaft, wenn Löw sich entscheidet, Götze auf die linke Außenbahn zu stellen.

„Wir dürfen Kasachstan auf keinen Fall unterschätzen. Diese Mannschaft wird sich mit Händen und Füßen wehren“, sagte Löw. Der Bundestrainer erinnerte daran, dass man 2010 beim 3:0-Sieg gegen die Kasachen mit einem 0:0 zur Pause in die Kabine gegangen sei. Den Qualitätssprung der Kasachen bekamen auch schon die Iren (2:1) und Schweden (2:0) zu spüren, die sich zu knappen Siegen mühten. Für Österreich reichte es in Astana sogar nur zu einem 0:0. Diese Peinlichkeit will sich Löw ersparen.