210 deutsche Athleten genießen Fahrt mit der MS “Deutschland“ nach Hamburg. Heute legt das Schiff um 10 Uhr am Cruise Center in der HafenCity an.

Ärmelkanal. Um 10.30 Uhr ist die viel zu kurze Nacht vorüber. Alarmsignale bohren sich durch die zehn Decks der "Deutschland". Die Außenseiten des Luxusliners füllen sich mit Menschen. Einige von ihnen sind erst vier Stunden zuvor in ihre Betten gesunken und sehen aus, als hätten sie die Zeitverschiebung nicht bedacht. Sie tragen eine orange Schwimmweste. Seenotrettungsübung. "Nach internationalem Seerecht ist die Teilnahme obligatorisch", sagt die erste Offizierin über Lautsprecher. Fünf Minuten später wissen alle, wo ihr Rettungsboot ist, dass sie im Notfall kein Gepäck mitnehmen dürfen und wie es klingt, wenn man von Bord muss: eine Abfolge von kurzen und langen Signalen.

Es ist die letzte Pflichtübung, die die deutschen Athleten im Rahmen ihrer Londoner Olympiamission zu erledigen haben. Heute legt die "Deutschland" um 10 Uhr am Cruise Center in der HafenCity an. Tausende Hamburger werden erwartet, um die Sportler zu empfangen. "Darauf freuen wir uns alle schon sehr", sagt Kapitän Andreas Greulich am Mittag, bevor er das Kommando an den Staffkapitän übergibt und ein wenig Schlaf nachholt.

Den Abschied aus der Olympiastadt läuten am Montag kuschelige Klänge ein. Zur Titelmelodie des ZDF-"Traumschiffs" werden die Leinen in den West India Docks losgemacht, wo das Schiff seit dem 25. August gelegen hat. Das schwimmende Fünfsternehotel war als offizielles "Deutsches Schiff London 2012" Anlaufpunkt vieler Sportler, um mit Sponsoren und Medien ins Gespräch zu kommen. Oder sich, wie Diskuswerfer Robert Harting und die deutschen Hockeyherren, schlicht an ihrem Erfolg zu berauschen. Dass die Hockeyspieler dabei auch Inventar zu Bruch gehen ließen, hat Greulich längst verziehen: "Wir waren doch alle mal jung und haben über die Stränge geschlagen." Außerdem habe er "eine tolle Entschuldigung" erhalten. Auch für den Kapitän ist es keine Kreuzfahrt wie jede andere. In den Hamburger Hafen sei er bestimmt schon hundertmal eingelaufen. Aber einen solchen Empfang habe MS "Deutschland" noch nicht erlebt.

+++ Traum Schiff +++

+++ Um 10.30 Uhr gehen die Olympioniken von Bord +++

+++ Athleten lassen es an Bord der MS "Deutschland" krachen +++

210 Athleten sind am Montag an Bord gegangen, mehr als die Hälfte des 391 Mitglieder großen Teams. Die Nachfrage hat die Erwartungen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) weit übertroffen. Alle Aktiven dürfen Partner mitnehmen. Die Kanuten Sebastian Brendel und Katrin Wagner-Augustin haben ihre Kinder dabei.

Kristina Hillmann und Jana Teschke erscheinen in einem Zebra- und einem Kuhkostüm. Eine teaminterne Vereinbarung: Die beiden Hockeyspielerinnen des Uhlenhorster HC haben die meisten Einträge in der "Pannenstatistik" des Teams gesammelt.

22 der 23 Sportarten sind an Bord (nur die Tennisprofis sind wieder auf Tour), und insgesamt 25 Goldmedaillengewinner. Der Deutschland-Achter ist fast in voller Stärke dabei, außerdem Ruderer des Doppelvierers, Vielseitigkeitsreiter Peter Thomsen und die Hockeyherren. Diskus-Olympiasieger Robert Harting ist nicht seetüchtig. Auch die Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann mussten absagen.

Die anderen werden ihnen einiges zu erzählen haben. Schon die Abfahrt ist spektakulär: Im Schritttempo schiebt sich der weiße Koloss durch die engen Kanalschluchten der erleuchteten Bürohäuser in Londons Docklands. Später auf der Themse verlagert sich das Geschehen an Bord allmählich in Richtung Heck. Auf Deck 9 füllt Discomusik die Tanzfläche. Zwei Etagen tiefer geht es Schlager auf Schlager: Im Außenbereich der Bar "Zum Alten Fritz" gibt Pianist Joachim Kuipers Klassiker zum Besten. So dankbare Zuhörer, besser: Mitsänger hat er wohl selten, wobei Hamburgs Hockeygemeinde den Ton angibt. Sie bereitet sich bereits gesanglich auf die Ankunft vor: "Hamburg, meine Perle!"

Der DOSB lässt sich von der Stimmung anstecken. Generaldirektor Michael Vesper nimmt neben Kuipers am Piano Platz, Präsident Thomas Bach bittet seine Frau zum Tanz, Leistungssportchef Bernhard Schwank singt mit. Später sieht man die Funktionäre eine Polonaise mit den Athleten tanzen. Die gewöhnlichen Passagiere, darunter die Abendblatt-Gewinner Eva-Maria und Frank Linke, mischen sich darunter.

+++ Tausende Schaulustige zur Ankunft der Olympiateilnehmer erwartet +++

"Hier mitfahren zu dürfen ist einfach toll", sagt Ruder-Olympiasieger Maximilian Reinelt, der sich auch am Klavier als Könner zeigt. Erst um 6 Uhr in der Früh ziehen sich die Letzten in ihre Kabinen zurück. Die Überfahrt sei "ein Stück Belohnung" für die Athleten, sagt Vesper. Sie greift zwei Traditionen auf. Bis 1952 haben deutsche Olympiateilnehmer die An- und Abreise mit dem Schiff bewältigt. Und nach den Winterspielen in Vancouver 2010 wurde der deutschen Mannschaft in München ein begeisterter Empfang bereitet.

Heike Drechsler weiß von einer weiteren Kreuzfahrt zu erzählen. 1984 entschädigte die DDR ihre verhinderten Olympioniken für den Boykott der Spiele von Los Angeles mit einer Rundfahrt um Kuba. Auch damals durften die Athleten Partner mitnehmen - aber nur, wer verheiratet war. "Wir und einige andere haben das dann schnell noch gemacht", erzählt die zweimalige Weitsprung-Olympiasiegerin. Die Hochzeit habe sich in jedem Fall gelohnt.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Hamburg Tourismus GmbH.