Drei Jahre nach dem rauschenden Fußballfest bei der WM soll Berlin wieder ein Sommermärchen erleben: Die Leichtathletik-WM naht.

Berlin. Der Countdown läuft: Gastgeber und WM- Macher an der Spree sind für das größte internationale Sportfest im nacholympischen Jahr gerüstet – am 15. August beginnt die neuntägige Leistungsschau der Sprinter, Läufer, Springer und Werfer. „Wir können dem Publikum schon jetzt sagen: Wir werden gute Gastgeber sein“, versicherte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor dem Start im technisch hochgerüsteten Olympiastadion. Braunbär „Berlino“, das tapsige WM-Maskottchen, grüßt schon vom 368 Meter hohen Fernsehturm.

„Have a good time“ – das Motto der WM dürfte jeder Gast als freundliche Einladung der 3,4 Millionen Hauptstädter verstehen. Doch für die fast 2000 Athleten aus rund 200 Ländern ist erst nach dem Wettkampf Party angesagt: Vor dem Spaß fließt Schweiß. Rund 56 000 Zuschauer werden am 16. August im Stadion den Atem anhalten, wenn die spannendste „Sonntagsfrage“ der Titelkämpfe beantwortet wird: Wer ist der schnellste Mann der Welt? Beim 100-Meter-Thriller mit den Sprintstars Usain Bolt, Tyson Gay und Asafa Powell fiebern Millionen Fans in 170 Ländern an den TV-Geräten live mit.

Fast symbolträchtig fällt die erste von 47 WM-Entscheidungen aber nicht auf der blauen Tartan-Bahn in der historischen Arena, sondern direkt am weltbekannten Brandenburger Tor. Dort starten am 15. August um 13.00 Uhr die Geher über 20 Kilometer. Und die Berliner können einen Berliner anfeuern: André Höhne will bei seinem Heimspiel alles geben und seine Fans nicht enttäuschen. Schließlich hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) bei der zweiten Heim-WM nach Stuttgart (1993) nicht allzu viele heiße Eisen im Feuer.

Vielleicht ein halbes Dutzend unter den DLV-Assen kann sich Medaillenhoffnungen machen: Allen voran Hochspringerin Ariane Friedrich (Frankfurt/Main), Speerwerferin Christina Obergföll (Offenburg) und Marathon-Frau Irina Mikitenko (Wattenscheid). Dieses Trio steht derzeit in den Weltjahresbestenlisten ganz oben – und nach dem Wettkampf am liebsten auf dem Siegerpodest. 74 Athleten haben das WM-Ticket bereits gebucht, etwa zehn dürften bis zum Meldeschluss am 3. August noch dazukommen.

„Diesmal hat uns der liebe Gott geholfen“, hatte DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow nach den deutschen Meisterschaften in Ulm gesagt. Der frühere Cheftrainer spielte damit auf das Leistungshoch und das gerade noch vorbeiziehende Sommergewitter an. „Ich hoffe, dass er uns auch in Berlin hilft.“ Für Medaillen müssen die Athleten aber irdische Kräfte mobilisieren. Und kaum ein Funktionär wagt noch Prognosen – das war in früheren Jahren oft anders.

Mit der Ausbeute von Stuttgart, als es vor 16 Jahren insgesamt acht Medaillen gab, gekrönt von zweimal WM-Gold durch Weitsprung- Queen Heike Drechsler und Diskus-Riese Lars Riedel, dürften die Gastgeber aber sehr zufrieden sein. „Ich hoffe, dass der Schub der deutschen Meisterschaften zu einem großen Mannschafterfolg in Berlin führt“, meinte Mallow. „Wir sind immerhin noch Team-Europameister. Ich hoffe, dass uns das für die nächsten Jahre trägt.“

Wenn Berlin für die Gastgeber sportlich ein Erfolg wird, kann Peking endgültig gestrichen werden – zumindest aus den Köpfen. Die bittere Wahrheit in der Statistik lässt sich nicht mehr tilgen: Bei den Olympischen Spielen holten die deutschen Leichtathleten im Vorjahr nur eine Medaille, Bronze durch „Speerspitze“ Christina Obergföll. Sieben Plaketten brachten die DLV-Starter 2007 aus dem Land der aufgehenden Sonne mit: Bei der WM im japanischen Osaka gab es zweimal Gold, zweimal Silber und dreimal Bronze.

Für saubere „Spiele“ soll diesmal nicht nur die Berliner Stadtreinigung sorgen. Der Weltverband IAAF plant für die 12. Weltmeisterschaften das bisher größte Anti-Doping-Programm. Fast 1500 Blut- und Urinkontrollen sind vorgesehen. In Peking seien es für die Leichtathletik ungefähr 700 Tests gewesen.

„Wir testen bei Trainingskontrollen intelligenter, verbessern die Tests während der WM und werden sie einfrieren für zukünftige Analysen mit im Nachhinein entwickelten Nachweisverfahren“, hat IAAF- Präsident Lamine Diack bereits angekündigt. Insgesamt 16 internationale Dopingkontrolleure werden nach Berlin kommen. Vor allem die Sprinter, die sich mit immer neuen Traumzeiten jagen, können dem Verdacht und den Spekulationen nicht davonlaufen.

Mit den Vorbereitungen, versichern die OK-Chefs Heinrich Clausen und Clemens Prokop, liege man im Plan. „Wir befinden uns in allen Bereichen der Organisation im Soll“, meinte DLV-Präsident Prokop. Kritik hatte es in den vergangenen Monaten vor allem am schleppenden Karten-Vorverkauf gegeben. Auch habe Berlin als „WM-Hauptstadt“ noch kein Gesicht. Die DLV-Kampagne „17 Gesichter der WM“ fand bisher allenfalls bei der Vorstellung im März Beachtung. Die Organisatoren setzen nun auf einen „Endspurt“ zu den Tageskassen. Mitte Juli war etwa die Hälfte der 500 000 Tickets verkauft, „Renner“ ist der vorletzte Wettkampftag (Samstag/22. August).

Zu WM-Form läuft auch das Fernsehen auf. Live is live: Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, die wie Eurosport fast 60 Stunden berichten, produzieren das internationale Sendesignal erstmals in der hochauflösenden HDTV-Technik. ARD/ZDF und ihre technischen Dienstleister beschäftigen 460 Personen, Eurosport ist mit 40 Mitarbeitern und 13 Kommentatorenteams dabei. Allein im Olympiastadion sind für das internationale Signal 80 Kameras im Einsatz. „Wir sind auch auf eventuelle Dopingfälle vorbereitet“, kündigte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz an.