Aufarbeitung - Trainer und Olympiasieger diskutieren über die Bewerbungspleite.

Hamburg. "Es war eine Entscheidung gegen den Kommerz, für die Emotionen und den Sport. Die Bekenner des Leistungssports haben die Wahl entschieden. Deshalb sind die Stimmen im letzten Wahlgang von Düsseldorf nach Leipzig gewandert." Das sagt Dirk Lange, Trainer der Schwimm-Weltmeisterin Sandra Völker und seit Anfang an ein scharfer Kritiker der Hamburger Bewerbungskampagne. Langes Vorwurf: Es wurden falsche Schwerpunkte gesetzt. Nach der Wahl Leipzigs und des Segelstandortes Rostock/Warnemünde verdichten sich die Anzeichen, dass vor allem der Großteil der 32 olympischen Fachverbände ein Votum für den Evaluationssieger Hamburg auf jeden Fall hatte verhindern wollen. "Schon Anfang März hatte Sportbund-Präsident Manfred von Richthofen in Berlin in einer Gremiensitzung des Deutschen Hockey-Bundes auf eine starke Verärgerung in Nordrhein-Westfalen gegenüber Hamburg hingewiesen", berichtet Hamburgs Olympiabeauftragter und ehemaliger Bürgermeister Henning Voscherau. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück und Zeitungsverleger Erik Schumann (WAZ-Gruppe) hatten nach dem Städtetest, in dem Düsseldorf Vorletzter wurde, Hamburgs angebliche Medienmacht Mitte März frontal angegriffen ("Verschwörung der Hamburger Großverlage"). Daraufhin hatte von Richthofen bereits damals Leipzigs Erfolg vorausgesagt. Die einsetzenden Bemühungen der Führungsgremien des Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und des Deutschen Sportbundes (DSB), diese Tendenz noch zu drehen, misslang. Am Abend der Wahl standen auch sie als Verlierer da, weil sie nun ohne den international konkurrenzfähigsten deutschen Bewerber beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) antreten müssen. Voscheraus Attacke in der vergangenen Woche gegen den DSB-Vizepräsidenten Ulrich Feldhoff (Oberhausen), der Koalitionen gegen Hamburg geschmiedet haben soll, spielte bei der Entscheidung nur eine Nebenrolle. Sie wird aber jetzt in Hamburg als Feigenblatt für eigene Versäumnisse missbraucht. "Hamburg hat es nicht verstanden, und allein das war ausschlaggebend, den Verbänden eine positive Haltung zum Leistungssport überzeugend darzulegen", sagt Lange. "Großveranstaltungen mit ein bisschen Leistungssport sind keine glaubwürdigen Bekenntnisse zum Leistungssport." Hamburg, meint Lange, hätte sich in seiner Olympiabewerbung deutlicher für den Leistungssport engagieren müssen, beispielsweise mit der Verpflichtung von Spitzentrainern in olympischen Kernsportarten. Lange weiter: "Die Bewerbungsgesellschaft mit ihrem Vorsitzenden Horst Meyer hat mir von Beginn an deutlich gemacht, dass der Leistungssport unwichtig, dass ausschließlich das Standortkonzept international wichtig sei. Das stimmt auch, wenn man an die IOC-Kriterien denkt; es war aber ein arroganter Fehler und ein klassisches Eigentor im nationalen Kontext. Trotz mehrmaliger Kontaktaufnahme seitens des Spitzensportes wurde die Hamburger Sportfachkompetenz bei allen wichtigen Entscheidungen bewusst ausgegrenzt. Gelder wurden am Sport vorbeigeleitet und damit letztlich erfolglos herausgeworfen. Der Hamburger Bewerbung fehlte es dadurch an Glaubwürdigkeit und Zielgerichtetheit." Auch Christiane Krause-Todd, Olympiasiegerin 1972 mit der 4 x 100-Meter-Staffel und Vorsitzende der Hamburger Sektion der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG), klagt über die mangelnde Einbindung von Spitzensportlern und Olympiateilnehmern in die Bewerbungskampagne: "Ich hätte gern mehr dazu beigetragen - und das habe ich auch angeboten -, vor allem weil ich die Entscheidungsträger im deutschen Sport seit Jahrzehnten kenne und weiß wie sie denken und fühlen." Krause-Todds Rat war aber nur selten gefragt. In den inneren Zirkel des deutschen Olymps stieß daher kein Hamburger vor. Auch Hamburgs wenige sportliche Sympathieträger wie Uwe Seeler oder die Klitschko-Brüder wurden nur selten eingesetzt, Emotionen für Hamburg zu schüren. Die Stimmungslage draußen im Sportlande wurde offensichtlich falsch eingeschätzt. Rolf Danneberg, Diskus-Olympiasieger 1984, kritisiert darüber hinaus den verfehlten Einsatz der finanziellen Mittel: "Geld für riesige Werbeplakate und den Präsentationsfiln von Dieter Wedel war im Übermaß vorhanden, aber substanziell wurde für den Hamburger Spitzensport wenig getan. Mit Showmaßnahmen kann man die Verbände nicht überzeugen, besonders wenn dieses tiefe Misstrauen besteht; schließlich haben sich weder der Hamburger Sportbund noch die Stadt in den vergangenen 30 Jahren für den Leistungssport eingesetzt. Das wirkte bei der Olympia-Entscheidung nach." Für Lange gibt es jetzt nur eine Konsequenz: "Wir brauchen endlich leistungssportliche Fachkompetenz an den Schaltstellen der Macht."