In der Affäre um den deutschen Handball-Rekordmeister ist jetzt das wichtigste Führungsgremium des THW Kiel in Erklärungsnot geraten. THW-Gesellschafter Georg Wegner, von Beruf Notar und Rechtsanwalt, gab erstmals zu, seit Juli 2008 von den Vorwürfen der Schiedsrichterbestechung gewusst zu haben.

Kiel/Hamburg - In der Affäre um den deutschen Handball-Rekordmeister ist jetzt das wichtigste Führungsgremium des THW Kiel in Erklärungsnot geraten. THW-Gesellschafter Georg Wegner, von Beruf Notar und Rechtsanwalt, gab erstmals zu, seit Juli 2008 von den Vorwürfen der Schiedsrichterbestechung gewusst zu haben. Damals habe Mirjana Serdarusic, die Ehefrau des ehemaligen Kieler Trainers Zvonimir Serdarusic, "erkennbar von Hass geprägt", in einem Gespräch "schwere Anschuldigungen" gegen den inzwischen zurückgetreten THW-Manager Uwe Schwenker erhoben, erklärte Wegner. "Uwe hat meinen Mann auf dem Gewissen", soll Frau Serdarusic gesagt haben.

Für Frank Bohmann, den Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), sind die neuen Erkenntnisse Grund genug, darüber heute in Kiel mit den Gesellschaftern zu reden. "Ich will das Gespräch abwarten, bevor ich das kommentiere", sagte Bohmann. Ihn störe allerdings "die Salamitaktik", mit denen der THW seinen Teil zur Aufklärung der Vorgänge beitrage. Die Kieler räumten immer nur das ein, was sich ohnehin nicht mehr unter dem Deckel halten ließe. Für das Image des Handballs sei es extrem schädlich, dass fast täglich neue Details der Affäre bekannt würden. Bohmanns Ärger ist verständlich. Die HBL handelt mit Sponsoren und Fernsehanstalten gerade neue Verträge für die nächsten Spielzeiten aus.

THW-Gesellschafter Wegner hatte sich in einer Pressemitteilung gerechtfertigt, er habe die Vorwürfe von Frau Serdarusic, die diese rund einen Monat nach der Freistellung ihres Mannes als THW-Trainer erhoben hatte, als "Racheakt" bewertet.

In Kiel hatte nach Ende der Saison 2007/2008 ein Machtkampf zwischen Schwenker und Serdarusic getobt. Die einst befreundeten Ehepaare zerstritten sich, nachdem Schwenker sich von seiner Ehefrau getrennt und im Kreis der THW-Sponsoren eine neue Lebensgefährtin gefunden hatte. Vor allem Mirjana Serdarusic missfiel dies. Sie zog über Schwenkers neue Partnerin öffentlich her und beschimpfte diese persönlich als "Schlampe". Doch es ging im Mai und Juni des vergangenen Jahres um weit mehr als private Differenzen. Der amtsmüde Serdarusic (58) wollte seinen Job als Trainer mittelfristig aufgeben und Schwenkers Nachfolge als Manager antreten.

Das Vorhaben scheiterte. Schwenker ("Er oder ich") ließ es in den Gremien des Vereins auf eine Kampfabstimmung ankommen - und gewann. Das Votum war einstimmig. Serdarusic wurde bei vollen Bezügen bis zum 30. Juni dieses Jahres beurlaubt. Seitdem hassen die Serdarusic' Schwenker. Die Abneigung geriet derart groß, dass Zvonimir Serdarusic den Rhein-Neckar Löwen, bei denen er zum 1. Juli anheuern wollte, Details der angeblichen Kieler Schiedsrichterbestechung in der Champions League preisgab. Die Rhein-Neckar Löwen lösten daraufhin den Vertrag mit Serdarusic und baten die HBL um Aufklärung der Anschuldigungen.

Wegner hatte im Juli 2008 nach dem Treffen mit Frau Serdarusic zwei Mitgesellschafter von dem Gespräch unterrichtet. "Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass die erhobenen Vorwürfe als bloße Verdächtigungen unbegründet und hassmotiviert zu bewerten waren", sagte Wegner. Gegen Schwenker ermittelt die Staatsanwaltschaft Kiel wegen des Verdachts der Untreue und gegen Zvonimir Serdarusic wegen des Verdachts der Beihilfe. Beide bestreiten die Vorwürfe.

Wegner teilte mit, er habe unmittelbar nach der Einleitung der staatsanwaltlichen Ermittlungen dem Beirat und am Tag darauf der Staatsanwaltschaft Bericht über das Gespräch mit Frau Serdarusic erstattet. Gleichzeitig erklärte er, dass kein Gesellschafter von Spielmanipulationen oder dubiosen Zahlungen vor den angeblich manipulierten Champions-League-Spielen oder vorgenommenen "Geldabflüssen" von insgesamt 152 000 Euro Kenntnis hatte.

Dafür will Mirjana Serdarusic über vieles Bescheid wissen. Laut Wegner belastet sie Schwenker schwer: "Sie beschuldigt ihn einer Schiedsrichterbestechung, und zwar anlässlich des Rückspiels der Champions League 2007 gegen die SG Flensburg in Kiel." Er und seine zwei Mitgesellschafter hielten eine Manipulation in diesem Finale "für ausgeschlossen", da die Schiedsrichter in der letzten Viertelstunde den THW eher benachteiligt als begünstigt hätten. Zudem habe Schwenker damals "die Vorwürfe überzeugend entkräftet". Heute schweigt er. (HA)

"Kein Gesellschafter wusste von Spielmanipulationen oder dubiosen Zahlungen vor den angeblich manipulierten Spielen des THW in der Champions League oder vorgenommenen Geldabflüssen."

Georg Wegner