Auch im großen Zeitfahren wird Weltmeister Tony Martin durch einen Plattfuß gestoppt - Überragender Wiggins gewinnt Zeitfahren in Besancon.

Besancon. Tony Martin saß erschöpft im Zielbereich von Besancon und blickte konsterniert ins Leere: Ein Plattfuß hat den Weltmeister am Montag auch im zweiten Zeitfahren der Frankreich-Rundfahrt frühzeitig die Siegchance gekostet und seine Seuchen-Tour um ein weiteres bitteres Kapitel bereichert.

Während Tagessieger Bradley Wiggins (Großbritannien/Sky) dem australischen Titelverteidiger Cadel Evans (BMC) im Duell der Top-Favoriten eine bitterböse Lehrstunde erteilte und die Gesamtführung auf 1:53 Minuten ausbaute, wurde der seit acht Tagen mit verletzter Hand fahrende Martin für seinen Leidensweg der vergangenen Woche mit Platz zwölf nicht entschädigt. „Ich war so auf dieses Rennen fokussiert, wollte definitiv um den Sieg fahren. Und dann passiert wieder so etwas“, sagte ein sichtlich mitgenommener Martin, der nach einem Reifenplatzer bei Kilometer fünf auf das Ersatzrad wechseln musste: „Man fragt sich, warum man immer wieder so viel Pech hat. Ich verstehe es langsam nicht mehr.“

Schon beim Prolog hatte Martin ein Platten im Hinterreifen den Sieg und das erste Gelbe Trikot seiner Karriere gekostet. Einen Tag später stürzte der 27-Jährige auf die linke Seite, brach sich in der Hand das Kahnbein und fuhr bis zum Zeitfahren am Montag mit einer schützenden Spezialmanschette. „Wenigstens hatte ich dieses Mal Glück, dass ich nicht gestürzt bin“, sagte Martin.

Dennoch brachte den Cottbuser das Malheur merklich aus dem Rhythmus und sorgte nach schmerzhaften Tagen, die er aus Sicherheitsgründen hauptsächlich am Ende des Pelotons verbrachte, auch für einen weiteren mentalen Knick. „Ich habe versucht, weiter zu kämpfen. Aber der Zeitverlust war natürlich groß. Ich bin super enttäuscht.“

Um 11.57 Uhr war Martin als 67. Fahrer auf die 41,5 km von Arc-et-Senans nach Besancon gegangen und absolvierte die Strecke in 53:40 Minuten. Damit war er 19 Sekunden schneller als der bis dahin führende Niederländer Lieuwe Westra (Vacansoleil) und behielt die Führung, bis sein Schweizer Konkurrent Fabian Cancellara die Bestmarke pulverisierte.

79 Sekunden nahm der Prolog-Sieger Martin ab, Wiggins war anschließend nochmals 57 Sekunden schneller und ist spätestens seit Montag der heißeste Anwärter auf den Triumph in Paris. Schon bei der ersten Zeitmessung nach 16,5 km hatte der Sky-Kapitän 1:02 Minuten auf Evans herausgefahren und baute den Vorsprung bis zum Ziel auf 1:43 Minuten aus. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als könnte Wiggins den Vorjahressieger noch auf der Strecke einholen, doch die Höchststrafe blieb nach einer Steigerung von Evans aus.

„Es war fantastisch, wahrscheinlich das beste Zeitfahren meines Lebens“, sagte Wiggins, wollte von einer Vorentscheidung jedoch nichts wissen: „Es war ein wichtiger Schritt, aber es ist noch ein weiter Weg und lange nicht vorbei. Cadel ist ein absoluter Fighter und gibt niemals auf.“

Ob Martin am Montag ohne seine Beeinträchtigungen eine Chance gehabt hätte, ist fraglich. Für die Olympischen Spielen in London, wo am 1. August der Kampf gegen die Uhr ausgetragen wird, ist Wiggins' Vorstellung unabhängig davon aber eine Warnung - und dürfte Martin im Gedanken bestärkt haben, die Tour vorzeitig zu verlassen.

„Für Olympia ist es bis jetzt kein Problem. Es könnte aber zum Problem werden, wenn ich weitermache und die großen Berge mehr oder weniger nur im Sitzen fahre. Die Angst besteht, dass man muskulär etwas kaputt macht“, sagte Martin mit Blick auf seine lädierte Hand: „Für mich ist die Frage, ob man nicht wirklich sagt, es wäre vielleicht doch besser für Olympia auszusteigen.“ Ob er die Tour fortsetzen wird, wollte Martin erst am Ruhetag am Dienstag entscheiden. Es klang jedoch nach Abschied.

Am Mittwoch steht die erste schwere Alpenetappe an, auf der erstmals in der Tourgeschichte der Col du Grand Colombier bezwungen werden muss, der zu den schwersten Anstiegen Frankreichs zählt.