Die Tschechin Julie Jasova organisiert bei den Volleyballerinnen des VT Aurubis die Defensive - auch heute im Heimspiel gegen Potsdam.

Hamburg. Wenn Sie glauben, dass Ihr Weihnachtsfest stressig war mit dem vielen Hin- und Herfahren, um alle Verwandten zufriedenzustellen, dann sollten Sie lesen, wie Julie Jasova die Feiertage verlebt hat. Am Freitagabend war die Bundesliga-Volleyballerin in Diensten des VT Aurubis Hamburg nach dem Gastspiel beim Dresdner SC (1:3) in ihre tschechische Heimat gereist. In Budweis verlebte sie mit ihrer Familie den Heiligen Abend. Am ersten Feiertag ging es weiter nach Prag, wo ihr Freund Petr Kovar wartete. Gemeinsam mit ihm flog die 24-Jährige am zweiten Feiertag nach Hamburg, wo nachmittags Training anstand. Schließlich geht es heute (20 Uhr, CU-Arena) gegen Potsdam wieder um Bundesligapunkte.

Julie Jasova hat sich arrangiert mit dem Rhythmus, der von Profisportlern abverlangt wird, auch weil ein Tag ohne Bewegung für sie ein verlorener Tag ist. Die 178 cm große Athletin entstammt einer Familie, in der Sport der Lebensmittelpunkt ist. Ihre Mutter Barbora Jasova war ebenfalls Volleyballprofi, die 14 Jahre alte Schwester spielt für Slavia Prag und Tschechiens Jugendauswahl Fußball, der zwölfjährige Bruder ist ebenfalls ein talentierter Kicker. Und Vater Kamil Jasa ist ein renommierter Sportreporter, der die Volleyballfrauen zu großen Turnieren begleitet. "Aber keine Sorge, ich komme deshalb nicht gut weg, wenn ich schlecht gespielt habe", sagt Julie Jasova, die für Interviews mit dem Vater nur in Ausnahmefällen bereitsteht. Dafür hilft sie aus, wenn er Zitate von Teamkolleginnen benötigt. "Manchmal spreche ich dann in deren Namen", sagt sie.

Verantwortung auch für andere zu übernehmen, das bringt schon die Position mit sich, die Jasova auf dem Feld bekleidet. Als Libera, zu erkennen am andersfarbigen Trikot, ist sie für die Organisation der Defensive zuständig. Sie nimmt Aufschläge an und verteilt die Bälle. Angriffsschläge sind einer Libera nicht gestattet, und diese Einschränkung hatte anfänglich für Verdruss gesorgt, als Jasova im Alter von 14 Jahren im tschechischen Juniorinnenteam vom Außenangriff abgezogen wurde. "Wegen meiner für Volleyball geringen Körpergröße hat der Trainer mich als Libera aufgestellt. Mich hat es sehr gestört, dass ich nicht mehr schmettern durfte", sagt sie. Mittlerweile genießt sie es, das gesamte Feld vor sich zu haben. "Ich kann ein Spiel gut lesen und im Ansatz erkennen, wohin die Gegnerin spielen wird", sagt sie. Und weil beim VT Aurubis alle auf sie hören, fällt ihr die Organisation des Defensivverbunds leicht. Ihre Ansagen macht die studierte Sportlehrerin auf Englisch, da einige der Mitspielerinnen des Deutschen noch weniger mächtig sind als sie selbst. Julie Jasova, die im Sommer 2010 aus Brünn nach Hamburg kam und noch bis 2013 an Aurubis gebunden ist, kann zwar Deutsch verstehen, mit dem Sprechen hapert es jedoch. "Ich lerne mit Büchern und CDs, aber leider ist Deutsch fast so kompliziert wie Tschechisch", sagt sie.

Dass sich Jasova, die in Harburg lebt, trotz der Sprachbarriere längst heimisch fühlt, liegt nicht nur an der positiven Grundstimmung im Team, sondern auch an der Professionalität in Verein und Liga. "In Tschechien schauen vielleicht 100 Leute bei Ligaspielen zu, und wenn etwas schiefgeht, schimpfen sie. Hier sind es 1000, die ständig anfeuern. Das gefällt mir sehr", sagt sie. Der Niveauanstieg in der Bundesliga sei für ihre Entwicklung genau der richtige Schritt gewesen. "Die besten drei Teams in Tschechien würden im Mittelfeld mithalten", sagt sie.

Andererseits ist auch die Belastung höher geworden, und weil im Sommer regelmäßig Turniere oder Lehrgänge mit dem Nationalteam anstehen, denkt Julie Jasova über ein Ende ihrer internationalen Karriere nach. "Ich habe seit fünf Jahren keine Sommerpause mehr gehabt, die Erfolge sind trotzdem ausgeblieben. Vielleicht wäre es deshalb wichtig, mal kürzerzutreten", sagt sie. Mehr Zeit für den Freund, der in Genf Volleyball spielt - natürlich als Libero -, wäre auch schön. Es reicht ja auch, wenn die Weihnachtstage stressig sind.