Trotz des sportlichen Aufschwungs sinken die Zuschauerzahlen beim HSV. BVB-Anhänger wollen Rückspielauftakt boykottieren.

Hamburg. Der HSV und sein neues Stadion: eine einzige Erfolgsgeschichte. Seit der Fertigstellung 2000 konnte der Klub anfangs stets neue Zuschauerrekorde vermelden. Doch in dieser Hinrunde strömten "nur" noch 414.859 Fans zu den acht Heimspielen, was einem Schnitt von 51.857 entspricht. Neben der Tatsache, dass keine Partie ausverkauft war, ist auffällig, dass in den Spielen gegen Hoffenheim (46.237) und Nürnberg (45.473) der Zuschauerzuspruch deutlich unter die 50.000er-Marke sank - obwohl die Aufwärtstendenz unter Trainer Thorsten Fink mehr als deutlich war.

In Serie weniger als 50.000 Fans, das gab es zuletzt im August/September 2005, als der HSV gegen Nürnberg (41.877), Hannover (48.900) und Frankfurt (48.000) spielte. Ob der Klub beim letzten Heimspiel 2011 gegen Augsburg die 50.000 knackt, ist offen, aber möglich, da neben den 30.700 Dauerkarten bereits 11.300 Tickets im Einzelverkauf abgesetzt wurden.

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+++ Die Unbesiegbaren arbeiten sich nach oben +++

Bekommt der HSV also nun die Quittung für die in den vergangenen beiden Jahren schwache Entwicklung? "Ich gehe davon aus, dass dies keine endgültige Tendenz ist", widerspricht Vorstand Oliver Scheel, der nicht nur auf den Fehlstart in die Saison, sondern auch auf die vielen Ansetzungen am Sonntag oder späten Sonnabend hinweist: "Dies hatte auch Auswirkungen auf das Gästekontingent." Eine Einschätzung, die Kai Voerste, Leiter Ticketing beim HSV, teilt: "Sonntagsspiele kosten uns definitiv Zuschauer." In der Hinrunde jedoch dürfen die Hamburger nur viermal am von den Fans stark bevorzugten 15.30-Termin am Sonnabend antreten.

Was den derzeit im Vergleich enttäuschenden Zuschauerschnitt wieder nach oben treiben dürfte, sind die attraktiven Gegner, die in der Rückrunde in der Imtech-Arena antreten: Borussia Dortmund, Bayern München und Werder Bremen sind Mannschaften, die für volle Stadien bürgen. Doch ob die Partie gegen den deutschen Meister am 22. Januar - übrigens wieder ein Sonntagstermin - ausverkauft sein wird, ist fraglich. Denn das Bündnis "Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein" ruft alle Borussia-Fans zum Boykott des Spiels in Hamburg auf. Die Initiative war bereits 2010 aktiv geworden, als zum Bestreiken des Derbys zwischen Schalke und dem BVB aufgerufen wurde.

19 Euro kostet ein Stehplatz gegen Dortmund, Sitzplätze zwischen 36 und 84 Euro. "Es geht uns darum, mit günstigen Einstiegspreisen für Tickets die Durchlässigkeit und die Zukunftsfähigkeit des Sports zu erhalten", kritisiert Sprecher Marc Quambusch, "wer mit 18 Jahren nicht ins Stadion geht, fängt nicht mit 45 damit an." Die Bemühungen des HSV gehen dem Bündnis, das auch Ultragruppierungen wie Chosen Few unterstützen, nicht weit genug. So hatte der Vorstand nach einem Treffen beschlossen, die Kategorie A+ (Stehplätze 22 Euro) abzuschaffen. "Die Liga boomt, aber gerade in solchen Phasen neigt man zu Fehlern. Das gilt es zu verhindern", so Quambusch.

Wie teuer ein Fußballspiel heute sein darf, das ist eine Frage, die auch die Klubführung des HSV intensiv beschäftigt. "Wir sind sensibilisiert und müssen die Entwicklung ganz genau beobachten", kündigt Scheel an. "Wir müssen aufpassen, dass wir bei den Preisen nicht überdrehen. Der Grat zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und bezahlbaren Karten ist schmal." Ticketchef Voerste ergänzt aber: "Ein Preis ist nicht das entscheidende Merkmal, wovon der Zuschauer sein Kommen abhängig macht. Wichtiger ist die Attraktivität des Gegners." Heißt: Wer bei einem Spitzenspiel live dabei sein will, zahlt eben auch mehr für sein Ticket.