Das Abendblatt-Gespräch mit der neuen Führungsriege des Deutschen Tennis Bundes um den Präsidenten Karl-Georg Altenburg.

Hamburg. Bei der Frage, welche Bonitätsnote er dem Deutschen Tennis Bund (DTB) geben würde, muss der Investmentbanker Karl-Georg Altenburg dann doch einen Moment lang nachdenken. Dann sagt er: "Triple-B. Für ein Investment durchaus noch interessant." Triple-B ist in der Finanzwelt aktuell die Note für Länder wie Bulgarien, Litauen und Zypern.

Altenburg, 48, promovierter Maschinenbau-Ingenieur, Vater von fünf Kindern, ist seit dem vergangenen Sonntag Präsident des DTB, mit rund 1,5 Millionen Mitgliedern der größte Tennisverband der Welt. Mit dem dreimaligen Davispokalsieger Carl-Uwe Steeb, dem neuen Vizepräsidenten Leistungssport, ist er Donnerstagmorgen nach Hamburg gekommen. Stephan Brune, der neue hauptamtliche Geschäftsführer des DTB, wirkt bereits seit vier Tagen auf der Geschäftsstelle im ersten Stock des Tennisstadions am Rothenbaum. Noch wohnt Brune im Hotel. Das könnte sich demnächst ändern. "Der Rothenbaum bleibt unsere erste Adresse", sagt Altenburg, "es gibt keinen Grund, gewachsene und bewährte Strukturen zu zerschlagen." Gerüchte über einen Umzug nach Frankfurt am Main zum Sitz anderer deutscher Spitzensportverbände, die sich seit Tagen hartnäckig in der Tennisszene halten, dementiert er - glaubwürdig: "Da ist nichts dran. Wir haben wichtigere Probleme zu lösen."

Altenburg, Brune und Steeb - beim Termin mit dem Abendblatt, dem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt der Troika, geben sich die drei Macher zurückhaltend, wenn das Gespräch auf die Zukunft des DTB kommt. "Wir sind mitten in der Bestandsaufnahme. Wir müssen den Verband und seine Strukturen erst verstehen lernen, erkennen, wo die Risiken liegen, wo die Chancen sind. Danach können wir unsere Ziele formulieren." Geben Sie uns dafür bitte 100 Tage Zeit, sagt Brune. Und natürlich hänge alles vom Kassensturz ab. Die finanziellen Verhältnisse seien beim ersten Durchblick der Konten eher bescheiden, große Aktionen wohl erst einmal nicht möglich. Immerhin scheint der Verband schuldenfrei.

Tennisstandort am Hamburger Rothenbaum in Gefahr

Michael Stich wird nicht Präsident des Tennis-Bundes

Altenburg, Chef der deutschen Dependance der US-Bank JP Morgan, meint, der DTB müsse wieder dynamisch zu neuen Ufern aufbrechen. "Dabei sollte selbstverständlich auch die deutsche Wirtschaft eine Rolle spielen." Er sagt aber auch: "Die Kontakte sind das eine, die habe ich, wichtiger ist jedoch das schlüssige Konzept, das wir unseren künftigen Partnern präsentieren. An dem arbeiten wir. Wer Geld gibt, will wissen, wofür, wie nachhaltig sein Investment ist, wie die Rückzahlung aussehen könnte. Wir werden deshalb nicht aus der Hüfte schießen." Zumindest die Eckpfeiler der künftigen Ausrichtung stehen. Breiten- und Leistungssport sollen gleichermaßen gefördert, die Basis wie die Spitze verbreitert werden. "Tennis", sagt Altenburg, "ist ein Sport, der vom Kindes- bis ins hohe Alter gespielt werden kann. Um neue Mitglieder zu gewinnen, müssen wir bei den Jugendlichen ansetzen, aber ebenfalls Angebote entwickeln, die für Senioren attraktiv sind. Denn gefühlt bleibt Tennis der Sport, den die Deutschen am liebsten aktiv betreiben."

Je mehr Kinder und Jugendliche Tennis spielen, ergänzt Steeb, desto größer sei die Chance, dass jemandem der Sprung in höhere Regionen der Weltrangliste gelinge. Unumstößlich sei dabei der Grundsatz, dass der DTB - im Gegensatz zu Tennisverbänden anderer Länder - auf das duale System setze, auf die Verbindung von Schule und Karriere. Den Tennisprofi mit elf oder zwölf Jahren soll es auch künftig in Deutschland nicht geben. "Das sind wir schon den Eltern schuldig", sagt Altenburg. Tennis und Schule zu verbinden, sagt Steeb, sei allerdings eine Herausforderung, logistisch wie finanziell. "Da müssen wir zusätzlich zu den bestehenden Möglichkeiten in den Landesleistungszentren vor allem für die 13- bis 18-Jährigen individuelle Lösungen finden, gerade in ländlichen Gebieten."

Auf der Suche nach neuen Mitgliedern, besonders bei Jugendlichen, sagt Altenburg, "werden wir verstärkt auch an Migranten herantreten". Integration sei nicht nur ein wichtiger gesellschaftlicher Auftrag, Integration öffne für einen großen Sportverband auch neue Reservoire an Talenten. "Der Deutsche Fußball-Bund hat es uns vorgemacht. Ohne seine Spieler mit Migrationshintergrund würde die Nationalelf nicht die Klasse haben, die sie heute hat. Der DFB muss in dieser Beziehung ein Vorbild für den Deutschen Tennis Bund werden", sagt Altenburg.

Altenburg, Brune und Steeb - sie wollen beim DTB den Neuanfang. "Wir müssen dafür zum Glück nicht bei null anfangen", sagt Altenburg, das Fundament des DTB sei schließlich solide. Auf dem soll weiter das Hamburger Herrenturnier stehen. "Von unserer Seite gibt es ein klares Bekenntnis zu dieser Veranstaltung", sagt Altenburg. Das Turnier sei für den DTB nach wie vor das wichtigste, weil das größte, "ein Aushängeschild". Mit Turnierdirektor Michael Stich sei man sich bei der ersten Kontaktaufnahme, die schon vor Altenburgs Wahl am vergangenen Sonntag stattfand, jedoch einig gewesen, dass dieses Event weiterentwickelt werden müsse, sportlich und gesellschaftlich. Dazu gehöre für ihn, sagt Altenburg, die Beziehungen zur Herrentennis-Organisation ATP wieder zu verbessern. Seit dreieinhalb Jahren belastet ein Gerichtsstreit in den USA das Verhältnis zwischen DTB und ATP.

Am Ende des Gesprächs verbreitet Altenburg Aufbruchstimmung: "Unsere vordringlichste Aufgabe ist jetzt Motivation. Uns muss es gelingen, so viele Menschen wie möglich zu aktivieren, um den Tennissport in Deutschland voranzubringen." Die Angst, dass er den DTB wie ein Unternehmen, ausgerichtet auf Profitinteressen, führen wolle, müsse niemand haben, sagt Altenburg: "Ein Verband bleibt ein Verband. Aber Professionalität schadet nicht. Mein wichtigstes Kriterium bleibt Kompetenz. Und die tut auch dem DTB gut."