Prozess in Kiel begann mit der Verlesung der Anklage. Es geht um Untreue und Betrug durch Ex-Manager Schwenker und Ex-Trainer Serdarusic.

Kiel. Zumindest ein wenig dürfte sich Uwe Schwenker wie einst in der Ostseehalle gefühlt haben. Grelles Blitzlichtgewitter, gespannte Erwartungen, ein paar Zuschauer beklatschten ihn sogar. Selbst sein alter Weggefährte Zvonimir Serdarusic saß nur wenige Meter von Schwenker entfernt. Doch das einstige Erfolgsduo des deutschen Handball-Rekordmeisters THW Kiel teilte sich am Mittwoch nicht wie früher die Trainer-, sondern dieses Mal die Anklagebank. Statt um Punkte oder Tore ging es zum Prozessauftakt am Mittwoch vor der 5. Großen Strafkammer des Kieler Landgerichts um Lüge oder Wahrheit.

2007 sollen Schwenker und Serdarusic vor dem Final-Rückspiel der Champions League die beiden polnischen Schiedsrichter bestochen und den bis dahin größten Erfolg der Kieler Vereinsgeschichte auf unrechtmäßige Weise sichergestellt haben. Alle Beteiligten bestreiten den Vorwurf, wie aus zahlreichen öffentlichen Aussagen der vergangenen Jahre hervorgeht. Zum Prozessauftakt schwiegen der ehemalige THW-Manager und sein früherer Trainer. Auf Anraten ihrer jeweiligen Anwälte verließ kein Wort ihre Lippen. Miteinander reden Schwenker (52) und Serdarusic (61) nach einem Streit ihrer Ehefrauen ebenfalls schon lange nicht mehr.

Statt aktueller Aussagen gab es am Mittwoch somit nur zweieinhalb Jahre alte Ausführungen Schwenkers zu hören, die er 2009 gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben hatte. Schwenker griff dabei unter anderem den ehemaligen Präsidenten des HSV Hamburg, Andreas Rudolph, scharf an: „Ich glaube, das Ganze war eine Kampagne gegen den THW. Herr Rudolph wollte den THW und mich schädigen.“ Rudolph hatte im März 2009 behauptet, Schwenker habe ihm gegenüber die Bestechung der Referees bereits im Juli 2007 auf Mallorca gestanden. Auf der Yacht des Hamburgers soll damals aber nicht nur geredet, sondern auch reichlich getrunken worden sein – dies bestreiten beide Seiten nicht.

Neben Rudolph hatte auch die Führung der Rhein-Neckar Löwen Schwenker der Spielmanipulation bezichtigt – nach Angaben des ehemaligen THW-Managers, um die Ablöse für die beiden damals von den Mannheimern umworbenen Kieler Profis Nikola Karabatic und Vid Kavticnik zu drücken. Und auch für den Verbleib der 152.000 Euro, die von einem Vereinskonto der Kieler verschwanden, gab Schwenker bei den Ausführungen 2009 seine inzwischen bekannte Version des Geschehens ab: 60.000 Euro habe Serdarusic als Darlehen erhalten, 92.000 Euro der Kroate Nenad Volarevic für die Arbeit als Talentsucher auf dem Balkan.

Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass Volarevic die Überweisungen zugegangen seien, um als Mittelsmann bei der Schiedsrichter-Bestechung 2007 zu fungieren. Stützen konnten die Ankläger ihre These am Mittwoch jedoch nicht. Stattdessen punktete die Verteidigung: Bei der Vernehmung der einzigen Zeugin, einer Kriminalbeamtin, monierte Schwenker-Anwalt Michael Gubitz Versäumnisse bei den Ermittlungen. „Die Verteidigung hat den Eindruck, dass nicht mit gleichem Aufwand nach Be- und Entlastendem gesucht wurde“, sagte der Jurist, der auch die Staatsanwaltschaft ein ums andere Mal attackierte.

„Wir glauben, dass der Auftakt gut für uns verlaufen ist und gehen weiter davon aus, dass der Prozess nicht so lange dauert, wie von manchen erwartet“, fuhr Gubitz fort und gab sich siegessicher. Bis alle Vermutungen, Aussagen, Spekulationen und Theorien eingeordnet sind, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen. Bis zum 8. Februar 2012 sind weitere 20 Verhandlungstage angesetzt. Die Fortsetzung findet am kommenden Mittwoch statt. Dann soll der dänische Gesellschafter der Rhein-Neckar Löwen, Jesper Nielsen, aussagen.

Bis November sind zudem THW-Gesellschafter Hubertus Grote, die beiden polnischen Endspiel-Schiedsrichter Miroslaw Baum und Marek Goralczyk und Löwen-Manager Thorsten Storm als Zeugen geladen. (dapd)