Die deutsche Mannschaft klammert sich an den letzten Strohhalm. Doch auch zwei Siege gegen Litauen und die Türkei könnten zu wenig sein.

Vilnius. Es könnten seine letzten zwei Spiele im Deutschland-Trikot sein. Dirk Nowitzkis Abschied aus der Nationalmannschaft rückt immer näher. Die Leistungskurve zeigte gegen Spanien trotz der Niederlage zuletzt zwar wieder nach oben. Doch der Aufschwung kommt wohl zu spät. Nur ein kleines Wunder kann die deutschen Riesen in Litauen noch vor dem Ausscheiden bewahren. Zu hoch ist das Niveau der Konkurrenz, zu schlecht die Ausgangsposition vor dem ersten von zwei Endspielen gegen Vize-Weltmeister Türkei an diesem Freitag (17.00 Uhr/Sport 1).

„Noch ist alles drin. Wir müssen ein Spiel nach dem anderen nehmen und zunächst einmal die Türkei schlagen“, sagte Nowitzki. Doch selbst wenn es dem Team von Bundestrainer Dirk Bauermann gelingt, die Partien gegen die Türkei und am Sonntag gegen Litauen zu gewinnen, droht das Aus. Der Sieg der Gastgeber zum Zwischenrunden-Auftakt gegen Vize-Europameister Serbien und vor allem die eindrucksvolle Art und Weise, mit der die Litauer am Mittwochabend beim 100:90 zu Werke gingen, haben die deutschen Chancen deutlich sinken lassen.

Nur wenn Serbien auch gegen Spanien und die Türkei verliert, reichen Deutschland zwei Erfolge. Ansonsten drohen komplizierte Zweier-, Dreier-, Vierer- oder gar Fünfer-Vergleiche. Und in denen würde die bis dato noch ohne Sieg dastehende Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) sehr wahrscheinlich den Kürzeren ziehen.

Mit solchen Rechenspielen will man sich im deutschen Lager nicht beschäftigen. „Vor der EM haben alle gedacht, wir werden hier mal eben Europameister. Nach der Vorrunde hat uns keiner mehr etwas zugetraut, obwohl wir drei Spiele gewonnen haben“, meinte Bauermann. „Das dürfen wir nicht an uns ranlassen.“

Aber auch wenn sich Spieler und Verantwortliche noch an den letzten Strohhalm klammern und zurecht die gute Leistung beim 68:77 gegen Titelverteidiger Spanien herausstreichen, intensivieren sich in der Öffentlichkeit die Diskussionen über die Zeit nach Nowitzki. Die Tage in Litauen haben gezeigt, dass die jungen Spieler im deutschen Team auf einem guten Weg sind, zur europäischen Spitze fehlt Robin Benzing, Tibor Pleiß und Co. aber noch ein Stück. Die Athletik der Konkurrenz ist größer, vor allem im Spielaufbau hinkt der deutsche Basketball der Spitze hinterher.

In der Vergangenheit konnten diese Defizite oft durch einen überragenden Nowitzki kompensiert werden. Nach der hammerharten NBA-Saison und der kurzen Pause ist der 33-Jährige zur Zeit aber verständlicherweise nicht in der Verfassung, Partien mit 35 bis 40 Punkten im Alleingang zu entscheiden. Nowitzki müht sich und rackert, ist zumeist auch bester Werfer. Um von der kommenden Woche an in Kaunas um die Olympia-Tickets zu spielen, bräuchte das deutsche Team jedoch einen Nowitzki in der Form, mit der er den Dallas Mavericks den Titel sicherte. Und in der kann er derzeit einfach nicht sein.

Stimmen, Nowitzkis Mitwirken sei vielleicht sogar hinderlich für die Mannschaft, werden jedoch energisch zurückgewiesen. „Diesen Menschen müsste man den Mund mit Seife auswaschen“, sagte Jan Pommer, Geschäftsführer der Basketball Bundesliga. „Dirk Nowitzki ist ein Weltstar und wir sind froh, dass wir ihn haben.“

Nowitzki selbst blickt nur auf das Türkei-Spiel. Spekulationen um die Zeit nach der EM blockt er ab. „Jetzt geht es voll drauf. Wir glauben an einen Big Win. Wir haben ein großes Ziel und wir werden alles geben für die Mannschaft und für unser Land.“ Mit müden Augen und einem Blick, als habe man ihm soeben den NBA-Titel aberkannt, versuchte der 2,13-Meter-Riese Zuversicht zu verbreiten. „Es fehlt nicht viel zur Spitze.“ Aber eben ein Stückchen und das kann auch der NBA-Champion derzeit nicht kaschieren.

(dpa/abendblatt.de)