Nach dem 3:0-Sieg im Halbfinale gegen England sind die deutschen Hockeyherren nur noch einen Schritt vom EM-Titel entfernt.

Mönchengladbach. Als Max Müller am Freitagabend das erste Mal zu spät kam, war das Halbfinalspiel der deutschen Hockeyherren gegen England zum Glück längst abgepfiffen. Bundestrainer Markus Weise hatte auf der Pressekonferenz im Anschluss an eine Partie, die vor allem wegen ihrer äußeren Umstände in Erinnerung bleiben wird, gerade einen schönen Rest-Abend gewünscht, als sein Kapitän den kleinen Presseraum betrat. Der Sonnabendmorgen war da nur noch wenige Minuten entfernt, und trotzdem blieb Müller noch so lange stehen, bis auch die letzte Journalistenfrage beantwortet war.

Es gab ja auch einiges zu erklären an diesem – rein wettertechnisch betrachtet – tristen Sommerabend in Mönchengladbach. Der 3:0-Sieg über den Titelverteidiger, der den Deutschen am Sonntag um 15.30 Uhr (ARD live) ihr Traumfinale gegen den Erzrivalen aus den Niederlanden bescherte, ging ein wenig unter in den Diskussionen darüber, ob er unter regulären Bedingungen entstanden war. Um 22.04 Uhr war die Partie nach 46:49 Minuten Spielzeit bei 1:0-Führung unterbrochen wor-den, weil der zunehmende Dauerregen den Kunstrasen in eine Seenlandschaft verwandelt hatte.

Nach rund 40 Minuten Pause, die die deutsche Mannschaft in ihrer Kabine mit gemeinschaftlichen Partyspielchen, aber selbstverständlich ohne den dazu sonst üblichen Alkoholgenuss überbrückte, wurde entschieden, den Spielbetrieb um 23.10 Uhr, nach dann 66 Minuten Pause, wieder aufzunehmen. 50 freiwillige Helfer hatten bis dahin unter Zuhilfenahme von Holztischen und Gummischiebern die Spielfläche unter den Anfeuerungsrufen der 7500 Fans im Warsteiner Hockey-Park von den Wassermassen befreit. „Es war die richtige Entscheidung, das Spiel zu unterbrechen, und ebenso richtig, es zu Ende zu bringen“, sagte Englands Nationalcoach Jason Lee, der sich als fairer Verlierer erwies.

Die deutsche Mannschaft hatte sich für eine Fortsetzung am selben Abend stark gemacht. „Wir wollten unbedingt weiterspielen, denn ein Abbruch hätte den Engländern in die Karten gespielt“, sagte Mittelfeldspieler Moritz Fürste vom Uhlenhorster HC. Im Falle eines Abbruchs wäre die Partie am Sonnabend um 18 Uhr fortgesetzt worden. „Da die Engländer in der ersten Hälfte sehr stark sind und viel Druck machen, wäre es hart geworden, weil sie sich für die restlichen 23 Minuten noch einmal hätten ausruhen und neu einstellen können“, sagte Fürste.

Er könne sich nicht erinnern, jemals zu derart fortgeschrittener Zeit ein Spiel beendet zu haben, sagte er weiter. Eine Spielunterbrechung ähnlicher Länge hatte er indes 2007 bei der Champions Trophy in Malaysia erlebt, als das Spiel gegen Pakistan wegen Monsunregens für mehr als zwei Stunden unterbrochen war. „Das war allerdings mittags, deshalb war es kein Problem. Heute wussten wir ja nicht, ob es überhaupt weitergeht.“ Die Stimmung in der Kabine sei aber sehr entspannt gewesen, was der Bundestrainer bestätigte. „Da gibt es nicht viel zu tun für mich. Ich habe den Jungs beim Spielen zugesehen, und als es dann weiterging, reichte eine kurze Ansprache.“

Die jedoch war wirkungsvoll, denn die deutsche Mannschaft nahm den Faden dort wieder auf, wo sie ihn notgedrungen hatte ablegen müssen. Bei schwierigen, aber keinesfalls irregulären Bedingungen wurde in der Defensive extrem hart manngedeckt, im Mittelfeld erarbeitete sich Weises Team durch Zweikampfstärke ein optisches Übergewicht, und vorne waren die Deutschen das entscheidende Stückchen kaltschnäuziger als der Gegner. Das 1:0 hatte der Kölner Philipp Zeller in der 16. Minute erzielt, als Iain Mackay wegen einer Grünen Karte eine Zweiminutenstrafe absaß. Das 2:0 gelang Oskar Deecke aus Krefeld neun Minuten vor dem Abpfiff, als er einen Abpraller mit Wucht in die kurze Torwartecke zimmerte. „Das war die Entscheidung, danach merkte man, dass den Briten etwas die Luft ausging“, sagte Kapitän Müller. Das 3:0 durch Oliver Korn vom Uhlenhorster HC war zwei Minuten vor Spielende die endgültige Entscheidung.

„Ich bin stolz auf die Jungs, wie sie die Belastung und den immensen Druck der Briten weggesteckt haben. Das Er-gebnis ist deutlich, das Spiel war viel enger. Ich bin froh, dass wir es zu Ende gebracht haben, denn so haben wir Sonnabend frei und können uns auf Holland vorbereiten“, sagte Weise. Man könne das bevorstehende Finalduell durchaus als Kampf der Hockey-Kulturen bezeichnen, da die Niederlande mit ihrem auf das Offensivspiel fokussierten System eine andere Philosophie verfolgen als Deutschland. „Wir sind der Überzeugung, dass man den meisten Erfolg hat, wenn die Defensive sicher steht, während die Holländer lieber ein, zwei Tore mehr schießen, als sie sich hinten fangen. Dennoch können wir nicht nur verteidigen, das haben wir in diesem Turnier mit je drei Toren gegen Topteams wie Belgien, Spanien und England bewiesen“, sagte Weise.

Müller prophezeite dem Erzrivalen, gegen den die deutschen Herren letztmals bei der EM 1999 im italienischen Padua ein Finale bei einem großen Turnier gespielt haben, einen unangenehmen Nachmittag. „Wenn es für uns gut läuft, dann werden die Holländer nicht viel Spaß haben. Die Manndeckung, die wir spielen, hassen alle unsere Gegner“, sagte der Nürnberger. Mit Deutschland und den Niederlanden stünden die beiden besten Teams im End-spiel. „Unser Wunsch war es, im Finale gegen die Besten zu spielen, damit wir uns den Titel auch wirklich verdienen.“ Eins ist klar: Zu spät wird Max Müller auch am Sonntag allerhöchstens nach dem Abpfiff kommen.