Das Ausnahmetalent will als erster deutscher Weltmeister in die Fußstapfen von Legenden wie Robby Naish oder Björn Dunkerbeck treten.

Gran Canaria/Köln. Wenn Philip Köster morgens aus seinem Schlafzimmerfenster über den schwarzen Strand von Vargas schaut, hat er für die schroffe Schönheit der Landschaft keinen Blick. Ihn interessiert nur der Atlantik, „wie Wind und Welle aussehen“. Und dann, sagt er, „gehe ich surfen“.

Am Wochenende ist der 17-Jährige deutscher Meister im Waveriding geworden. Er lebt seinen Traum, konsequent und kompromisslos, und er ist auf dem besten Weg, Surf-Geschichte zu schreiben. Köster hat zuletzt in der Königsklasse des Windsurfen auch zwei Weltcups in Folge gewonnen, was noch keinem Deutschen vor ihm gelungen war. In der WM-Gesamtwertung ist sein Vorsprung komfortabel, und spätestens im September vor Sylt will er sich einen Traum erfüllen: der erste deutsche Weltmeister zu werden und in die Fußstapfen von Legenden wie Robby Naish und Björn Dunkerbeck zu treten.

Köster blendet das alles aus. Eigentlich interessiert ihn kaum etwas, das nicht unmittelbar mit Brett, Segel, Wind und Welle zu tun hat. „Wenn man draußen ist, dann ist man irgendwie frei“, sagt er: „Man kann einfach alles mit dem Brett machen, was man möchte.“ Das gilt besonders für ihn.

Nicht selten schütteln selbst Konkurrenten fassungslos den Kopf, wenn Köster in Wahnsinnstempo die Welle reitet und die spektakulärsten Flugeinlagen bietet. Wohl niemand in der Szene springt den Doppel-Loop, einen zweifachen Salto vorwärts, so waghalsig wie er. 20 Meter hoch, fünf Sekunden in der Luft - das sind die Randdaten eines Rekordsprungs, den er in Pozo, dem Mekka der Windsurfer in Gran Canaria, einmal gestanden hat.

„Ich hatte eine starke Böe und eine tolle Welle. Ich habe sie voll erwischt. Dann ging es halt immer höher und höher.“ Köster ist kein Freund großer Worte.

Seine Eltern verließen Hamburg 1980 in Richtung Gran Canaria und leiteten zunächst eine Surfschule in Playa del Ingles. Später kauften sie das einzige Haus am riesigen, kargen, meist windumtosten Vulkanstrand von Vargas an der Ostküste Gran Canarias. Das Fleckchen Erde, das eher an eine Mondlandschaft erinnert, besuchten im Laufe der Zeit auch dank der surfverrückten Bewohner immer mehr Brettartisten.

Der kleine Philip stand zum ersten Mal mit acht Jahren auf dem Board. Seine Mutter Linda wollte ihm und seiner Schwester Kyra damals immer rote Badekappen aufsetzen, damit sie die Kinder in den Wellenbergen besser sehen konnte. Philip war ein Naturtalent. Den Front-Loop, so sagte er mal, „hatte ich nach fünf Versuchen drauf“.

Tipps bekam er unter anderem von Björn Dunkerbeck. Der nach Naish wohl berühmteste aller Windsurfer lernte unter anderem bei Philips Eltern. Dass Köster das Wort Wunderkind nicht gerne hört, hat wohl auch mit Naish zu tun. Auf den heute 48-Jährigen passte die Beschreibung besser. Der Kalifornier, der auf Hawaii aufwuchs, war erst 13, als er den ersten seiner insgesamt 24 WM-Titel gewann. Köster ist 17, er wäre der zweitjüngste Titelträger. Naish sehe er ab und zu auf Maui. „Ich sag' hallo, und wir surfen ein bisschen.“

Mit dem steigenden Interesse an seiner Person tut er sich etwas schwer. Die Sponsoren - unter anderem Red Bull - erleichtern ihm zwar das nicht gerade preiswerte Surferleben, doch mit den Medien hat er noch so seine Probleme. Er habe schon dazugelernt, sagt er: „Vor zwei Jahren, beim Weltcup auf Sylt, war es echt krass. Da kamen nach jedem Heat (ein Durchgang im Wettkampf, d. Red.) immer mehr Leute auf mich zu. Da habe ich mich einfach umgedreht und bin gegangen.“

Er will surfen, sonst nichts. Fünf Stunden im Schnitt ist er täglich auf dem Wasser. An den letzten Tag, an dem er an Land blieb, kann er sich angeblich nicht erinnern. Weht nicht genügend Wind, geht er klassisch Wellenreiten, ohne Segel. Freundin? „Nein. Hab' ich nicht. Surfen geht vor.“

Bevor er mit 14 Jahren Profi wurde, war er ein hoffnungsvolles Schwimmtalent. Das ist passe, ebenso die Schule. Nach dem Realschulabschluss brach er ab. Nun sei er entspannter auf dem Brett, „ohne den ganzen Schulstress“.

Dass der Adrenalin-Fluss nach einem ersten WM-Titel abebben könnte, schließt Köster aus: „Dann gibt es doch auch noch einen zweiten, oder?“