Mit der Bezeichnung “Wunderkind“ kann der zweitjüngste Weltmeister aller Zeiten im Windsurfen nicht viel anfangen. Er bleibt bescheiden.

Klitmöller/Hamburg. Zuerst hatte es so ausgesehen, als könne Philip Köster nicht mit dem Druck umgehen. Er wusste, dass er kurz davor war, Geschichte zu schreiben. Er konnte der erste deutsche Windsurf-Weltmeister werden. Und der jüngste seit dem legendären Robby Naish noch dazu. Doch der 17-Jährige wirkte wie gelähmt in der Vorrunde, kam nicht richtig in die Wellen und schaffte es nur mit Mühe ins Halbfinale. Und dann war das Windsurf-Wunderkind, wie der gebürtige Hamburger schon vor dem Weltcup im dänischen Klitmöller tituliert wurde, plötzlich wieder „on fire“.

Er wusste, dass sein Kontrahent, Vorjahressieger Fernandez Lopez aus Spanien, ihm den WM-Titel streitig machen könnte, wenn er das direkte Duell verlieren würde. Und dass ihm der Titel nicht mehr zu nehmen sein würde, wenn er gewänne. Köster raste durch die Wellen und wirbelte durch die Luft. Ein doppelter Vorwärtssalto, 360-Grad-Drehungen, Sprünge bis zu zehn Meter hoch. Lopez hatte keine Chance, und als Köster sein Surfbrett aus dem Wasser zog, hatte er es geschafft. Weltmeister! „Ich fühle mich unglaublich, ich kann es nicht glauben, ein Traum wird wahr“, stammelte er. „Ich kann mir keinen schöneren Tag vorstellen.“ Im Finale lieferte der Junge mit den wuscheligen Haaren die nächste Top-Leistung ab, ließ dem Brasilianer Ricardo Campello keine Chance und holte sich den dritten Weltcupsieg dieser Saison.

Köster ist erst seit drei Jahren auf der Weltcup-Tour dabei, 2009 gewann er erstmals auf Gran Canaria, 2010 wurde er zum „Surfer of the Year“ gewählt. Jetzt ist er Weltmeister, und im Moment weiß niemand so genau, wie sich das wieder ändern soll. Philip Köster surft seit knapp zehn Jahren und hat sich in seinem jungen Alter Tricks und Sprünge angeeignet, die niemand anderes in der Szene beherrscht. Wenn er den Push-Loop-Forward, eine Vorwärts- und eine Rückwärtsrotation in einem Sprung, steht, kann er kaum noch verlieren. „Ich denke sehr viel über Tricks nach und probiere alles aus“, sagt er. Das könne auch schon mal weh tun, aber es lohnt sich.

Aufgewachsen ist Köster auf Gran Canaria, direkt am schwarzen Sandstrand Playa Vargas im Südosten der Insel. Seine Eltern, die vor dreißig Jahren auswanderten, betrieben dort eine Surfschule, und der kleine Philip stieg im Alter von acht Jahren das erste Mal aufs Brett. Seitdem surft er jeden Tag vier bis fünf Stunden. Die Schule leidet manchmal darunter, gerade weil er jedes Jahr drei Monate in der Welt unterwegs ist, um zu surfen.

Zum Saisonfinale geht es nächste Woche wie jedes Jahr nach Westerland auf Sylt. Und obwohl er schon Weltmeister ist und drei der vier Weltcups gewonnen hat, fährt Köster nicht nur dorthin, um sich den WM-Pokal überreichen und von den 200000 erwarteten Zuschauern an den neun Eventtagen feiern zu lassen. Das kann er gar nicht. „Ich habe immer Bock auf Surfen“, sagt er. Was dabei herauskommt, hat er gerade erst gezeigt.

+++ Hamburger Wunderknabe in Wind und Welle +++