Im Wimbledon-Finale war Nadal ohne Chance - Kvitova siegt gegen Scharapowa

London. Der beeindruckendste Spieler dieser Saison war er schon vor diesem Finale in Wimbledons Theater der Träume. Die neue Nummer eins auch. Doch seinem großartigen Marsch an die Spitze der Tenniswelt hat Novak Djokovic erst an diesem 3. Juli 2011 die Krone aufgesetzt und die nötige Legitimation verliehen: Auf dem berühmtesten Centre-Court der Welt, auf dem seit 2003 die Sieger nur Roger Federer oder Rafael Nadal geheißen hatten, stürmte der kühle Serbe zu einem 6:4, 6:1, 1:6, 6:3-Sieg über den stolzen Titelverteidiger Nadal und beendete damit endgültig die Aufteilung der Macht im Profizirkus zwischen den alten Großmeistern. "Das ist der schönste Tag meines Lebens. Ein Tag, den ich nie, nie, nie vergessen werde", sagte der gerührte Serbe, der um genau 16.43 Uhr Ortszeit die Tür in sein persönliches Tennisparadies aufschloss - hier im Garten Eden des Wanderzirkus. Rücklings lag er nach seinem Triumph auf dem Boden, starrte in den blauen Himmel über dem Centre-Court und fragte sich, wie er später sagte: "Schlafe ich noch, ist das ein Traum?"

Dass er erstmals in seiner Karriere nun auch den Goldpokal stolz in die Höhe recken konnte, hatte der 24-Jährige einer gelassenen Souveränität und bemerkenswerten Entschlusskraft zu verdanken: Djokovic zeigte keine Anzeichen von Nervosität, keine Flatterhaftigkeit, kein Zaudern und Zögern. Er war der Mann, der Nadal umherscheuchte. Schon nach einer Stunde führte Djokovic 6:4 und 6:1, und selbst nach Nadals einziger stärkerer Matchphase, die zum 1:2-Satzanschluss führte, blieb der Belgrader unbeeindruckt. "Er war die beherrschende Kraft des Spiels, er suchte die Entscheidung und zeigte Nadal die Stirn", stellte Altmeister John McEnroe fest. Schneller als erwartet, nach zwei Stunden und 23 Minuten, machte Djokovic dann schon alles klar - und als ob er sich Wimbledon nicht schon ausreichend einverleibt hätte, schluckte er im Rausch des Sieges schnell auch noch ein paar Grashalme hinunter und kaute genüsslich an der schweren Kost. Ein Mann, dem alles gelang. Und der irgendwie alles vertrug.

Der erste Wimbledon-Titel war der spektakuläre Höhepunkt einer Karriere, die in den letzten sieben Monaten im Formel-eins-Tempo eine staunenswerte Beschleunigung erfahren hatte. Seit Djokovic mit seinem serbischen Davis-Cup-Team 2010 die "hässlichste Salatschüssel der Welt" gewonnen hatte, spielte er auf einmal wie im Rausch an jedem seiner Einsatzorte rund um die Welt, holte sich gleich zu Saisonbeginn den Titel bei den Australian Open. Erst beim Pariser Grand-Slam-Turnier kassierte der Belgrader, der einst in der Tennisakademie von Niki Pilic in München ausgebildet worden war, die erste Niederlage überhaupt in diesem Sensationsjahr, im Halbfinale gegen Federer. Doch auch dieser einzige Ausrutscher, der erste Fehlschlag nach 41 Siegen, irritierte ihn nicht weiter, in Wimbledon setzte er ungerührt seine Kampagne fort, die zwei große Ziele hatte: Hier, beim Turnier der Turniere, zu gewinnen. Und Platz eins der Weltrangliste zu erklimmen. Beides Träume seit frühester Kindheit, seit den Tagen, als er in Belgrad im Bombenhagel zu seinen Trainingseinheiten gehetzt war.

In diesen vergangenen sechs Monaten hatte er, der "Djoker", sich auch endgültig als Profi verwandelt, hatte zu neuer Härte und Durchsetzungskraft gefunden, ohne den Spaß an seinen Aufgaben auf den großen Bühnen zu verlieren. In den Anfangszeiten seiner Karriere, als er höchstens auf Tuchfühlung zu den Superstars war, brillierte Djokovic noch als Faxenmacher, als Ulknudel und Spaßvogel - bei den US Open imitierte er auf dem Centre-Court gar einmal in einer unvergessenen Show Branchengrößen wie Federer, Nadal oder Scharapowa. Doch seine Paraderolle hat er nun zum Glück nicht als trauriger Klassenclown gefunden, sondern als unbeugsamer Kämpfer, der zu den schnellsten und kreativsten Spielern gehört, die jemals auf einem Tennisplatz umhergeflitzt sind.

Überraschende Siegerin beim Damen-Finale am Sonnabend war die 21-jährige Tschechin Petra Kvitova, die Topfavoritin Maria Scharapowa mit 6:4, 6:3 und verblüffender nervlicher Kühle, harten Punchs und spielerischer Reife düpierte. "Sie ist keine Zufallsgewinnerin", sagte die große alte Dame Martina Navratilova, Kinder- und Jugendidol Kvitovas, "sie hat das Zeug, die Architektur in diesem Sport zu verändern."

Sabine Lisicki hat dagegen nach ihrer Halbfinal-Niederlage im Einzel auch im Doppelfinale einen Titelgewinn verpasst. Die Berlinerin verlor mit ihrer australischen Partnerin Samantha Stosur das Endspiel gegen die Tschechin Kveta Peschke und die Slowenin Katarina Srebotnik mit 3:6, 1:6.