Championsjockey Eduardo Pedroza im Gespräch über das Deutsche Galopp-Derby in Horn, Gagen und sein Verständnis von Pferden.

Hamburg. Wenn er an diesem Sonntag gegen 17.30 Uhr (Sport1 ab 17.45 Uhr) mit seinem Vollblüter in die enge Startbox rückt und um das Blaue Band des Derbysiegers galoppiert, ruhen die Hoffnungen der Hamburger auf ihm: Berufsrennreiter Eduardo "Eddie" Pedroza, 36, aus Panama sitzt im Sattel des Außenseiters Earl of Tinsdal. Der nach seinem Geburtsort benannte Hengst aus dem Gestüt des Züchters Hannes Gutschow gilt als chancenreicher Außenseiter. Vor dem Start zum Galopprennen des Jahres baten wir den Jockeychampion der Jahre 2007 bis 2010, der auch die Jahreswertung 2011 klar anführt, zum Gespräch auf die Terrasse des NH-Hotels auf der Rennbahn.

Hamburger Abendblatt:Herr Pedroza, Sie kommen gerade vom Joggen auf dem Grasgeläuf in Horn - im Schwitzanzug. Warum gehen Sie nicht in die Sauna im Waagegebäude, das wäre doch weit bequemer und entspannender?

Eduardo Pedroza:Manchmal mache ich es auch, wenn wegen des zulässigen Renngewichts noch rasch ein paar Gramm runter müssen. In der Sauna geht nur Flüssigkeit verloren. Laufen an frischer Luft ist besser und sorgt vor allem für einen freien Kopf. Den braucht man in meinem Job. Ein Rennen bedeutet schließlich zwei bis drei Minuten volle Konzentration. Ein Fehler kann nicht nur den Sieg kosten, sondern im schlimmsten Fall auch die Gesundheit.

Haben Sie Probleme, Ihre 55 Kilogramm Gewicht zu halten?

Pedroza: Das ist manchmal schon ein harter Kampf. Auch deswegen treibe ich viel Sport: Schwimmen, Fahrradfahren und täglich sechs bis acht Kilometer Laufen. Außer montags.

Dann gibt's Bratkartoffeln?

Pedroza: Nein, am Montag ist mein Bürotag. Dann wird das ganze Geschäftliche erledigt. Im Gegensatz zu unseren ausländischen Kollegen haben wir deutschen Berufsrennreiter keine Manager. Außerdem sind Speisen wie Bratkartoffeln, Labskaus oder Braten ohnehin nicht mein Ding. Ich esse lieber Salate. Ich leide aber schon ein wenig, wenn im Sommer gegrillt wird und ich großenteils zusehen muss.

Was haben Sie heute gegessen?

Pedroza: Eine Tasse Kaffee.

Wir meinen gegessen.

Pedroza: Gar nichts. Das folgt erst am späten Nachmittag nach den Rennen. Das ist alles eine Frage der Gewohnheit und des Willens.

Wir wechseln lieber das Thema. Wollten Sie immer Jockey werden?

Pedroza: Ursprünglich wollte ich Ingenieur werden, bin aber in Panama-City parallel in eine Rennschule gegangen. Beides war nicht zu leisten. Mit meinen Eltern haben wir dann entschieden, auf die Pferde zu setzen.

Ist Ihre Familie dem Turf verbunden?

Pedroza: Mein Vater arbeitet als Laborant im Krankenhaus, früher war er im Boxmanagement aktiv. Meine Mutter ist Hausfrau; wir sind fünf Kinder.

Wie kamen Sie dann aufs Pferd?

Pedroza: Das begann früh. Meine Großmutter hielt auf ihrer Koppel ein paar ausrangierte Galopper. Mit vier Jahren saß ich oben.

In Panama haben Sie später 95 Rennen bestritten. Als 20-Jähriger kamen Sie dann 1994 nach Deutschland. Warum?

Pedroza: Mein Onkel Jorge wohnte in Bremen und betrieb dort drei kleine Eiscafés. Er hatte Kontakt zur Rennbahn in der Vahr und hat mich vermittelt. Eigentlich wollte ich nur ein Jahr in Deutschland bleiben.

Es sind inzwischen 17 geworden. Was gefällt Ihnen so an Deutschland?

Pedroza: Die Ordnung, die klaren Strukturen, die Verlässlichkeit. Bei uns zu Hause lautet das Motto eher: Genieße den Tag. Das ist mir inzwischen manchmal zu chaotisch geworden. Ich habe gelernt, auch an morgen zu denken. Das gefällt mir. Meine Mutter sagt, ich sei sehr deutsch geworden.

Ist das Kritik oder Anerkennung?

Pedroza: Respekt.

Wer an morgen denkt, muss sich gelegentlich auch Sorgen machen. Trübt das Ihr Lebensgefühl?

Pedroza: Es ist besser auf das, was kommt, vorbereitet zu sein. Dann kann man die Zukunft viel eher selbst bestimmen. Und das ist ein gutes Gefühl.

Haben Sie in Deutschland Probleme wegen Ihrer Hautfarbe bekommen?

Pedroza: Nein.

Wir haben Gegenteiliges gehört.

Pedroza: Ich wurde immer freundlich behandelt.

Auf der Rennbahn.

Pedroza: Auch sonst. Sonst wäre ich nicht mehr hier.

Sie sind zum vierten Mal in Folge deutscher Meister, haben mehr als 6000 Ritte bestritten und gut 1100 gewonnen. Sind Sie ein Pferdeflüsterer?

Pedroza: Nein, aber habe ich ein Gespür für Stimmung und Form eines Pferdes.

Reden Sie ihnen gut zu?

Pedroza: Auch nicht. Am Blick eines Pferdes kann man eine Menge ablesen. Ob es gut drauf oder schlecht gelaunt ist. Liegen die Ohren hinten, ist es genervt und hat keine Lust zum Laufen.

Wie gehen Sie damit um, wenn Ihnen kurz vor dem Start ein Galopper übergeben wird, den Sie noch nie zuvor gesehen haben? Und die Ohren hinten liegen ...

Pedroza: Ich höre genau hin, welche Order der Trainer im Führring gibt. Seine Erfahrung und mein erster Eindruck sind eine gute Kombination. Außerdem ist es mein Job, ein verkrampftes Pferd zu lockern. Letztlich macht den Tieren das Rennen ja Spaß, das ist ihr Naturell.

Wären Frauen nicht die besseren Jockeys? Die müssen nicht ständig Gewicht abkochen, und ihnen sagt man auch mehr Gespür im Umgang mit Pferden nach als den männlichen Kollegen.

Pedroza: Es stimmt, dass die Trainer bei schwierigen Pferden gern auf weibliche Jockeys zurückgreifen. Frauen entwickeln in der Tat ein sehr gutes Gefühl bei Pferden. Im Rennen kommt es aber auch auf Kraft an, dass man das Pferd im Finish hart pushen kann. Da sind männliche Reiter im Vorteil. Und sie sind im Endkampf vielleicht den entscheidenden Tick aggressiver.

Als Champion können Sie gut leben, aber nicht annähernd so reich werden wie Kollegen aus anderen Sportsparten.

Pedroza: Ich erhalte fünf Prozent des Rennpreises, im Ausland bis zu zehn. Hinzu kommen 50 Euro Startgage, die sich im Siegfall verdoppelt. Im Vergleich zu den Jockeys in England, Irland oder Frankreich sind das Peanuts. Hinzu kommt: Das Geld verliert durch die Inflation ständig an Wert, die Rennpreise in Deutschland aber stagnieren oder gehen zurück. Gegenüber von vor zehn Jahren verdienen wir alle weit weniger.

Für das Deutsche Derby am Sonntag wurden von den Besitzern wieder 14 ausländische Jockeys engagiert. Sind die deutschen zu schlecht?

Pedroza: Keineswegs. Die englischen Reiter haben nur weit mehr Siege bei höher dotierten sogenannten Gruppenrennen in ihren Statistiken. Das macht auf den ersten Blick Eindruck. Dazu muss man aber wissen, dass in England fast jeden Tag Grupperennen gelaufen werden, in Deutschland höchstens drei im Monat. Also gewinnen englische Jockeis auch mehr Grupperennen als wir, weil sie viel öfter in solchen reiten. Das ist keine Frage der Qualität, sondern eher eine der Wahrscheinlichkeit.

Welche Chancen hat Ihr Hamburger Derbypferd Earl of Tinsdale?

Pedroza: Er ist ein riesiger, nimmermüder Galopper mit erstklassiger Abstammung. Etwas weicher Boden wäre gut. Wenn wir einen guten Rennverlauf haben, können wir gewinnen.

Und wer sind die Favoriten?

Pedroza: Der Engländer Brown Panther von Michael Owen ist das zu schlagende Pferd. Aber auch der Schlenderhaner Ibicenco und der zuletzt unter Wert platzierte Gereon haben erste Chancen. Es wird richtig spannend.