Sportpsychologe Heiko Hansen sieht David Haye vor dem WM-Boxkampf mental in einer besseren Position als Wladimir Klitschko.

Hamburg. In seiner Eigenschaft als Sportpsychologe und Mentalcoach hat Heiko Hansen, Leiter des in Bad Bramstedt ansässigen Deutschen Sport- und Business-Instituts, vielfältige Erfahrungen mit Profiboxern aus dem Hamburger Universum-Stall gesammelt. Der 46-Jährige fiebert deshalb auf das Schwergewichtsduell zwischen Wladimir Klitschko, Weltmeister von WBO und IBF, und WBA-Champion David Haye am Sonnabend (21.45 Uhr/RTL) in der Imtech-Arena hin. "Ich erwarte einen hoch spannenden Kampf, ähnlich wie 1974 beim Rumble in the Jungle zwischen Muhammad Ali und George Foreman", sagt Hansen. "Es treffen zwei völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander, die aber von hoher Leidenschaft getrieben werden."

Gerade in Vollkontakt-Sportarten wie dem Boxen, wo ein Athlet dem anderen im direkten Zweikampf begegnet, ist das psychologische Element von enormer Bedeutung. "Im Boxen muss man eine natürliche Grenze überwinden, nämlich die, einen anderen Menschen körperlich anzugreifen. Dieser archaische Kampf, im übertragenen Sinne um Leben und Tod, ist in jedem veranlagt", sagt Hansen. Dass Haye mit dem Tod als Symbol spiele, indem er Klitschko mit blutrünstigen T-Shirts oder Videospielen zu provozieren versuchte, sei bildhaft zu verstehen als ebendieses Ausreizen von Grenzen.

Den Psycho-Spielchen vor dem Kampf misst er jedoch keine große Bedeutung bei. "Das bringt nur etwas, wenn man den Gegner so genau analysiert hat, dass man seine Schwäche perfekt kennt", sagt er. Die Klitschko-Brüder seien es beispielsweise gewohnt, von ihren Gegnern vor den Kämpfen verbal martialisch bedroht zu werden. "Und dann schauen Sie sich die Kämpfe der vergangenen Jahre an. Die Klitschkos waren immer dominant. Martialische Ansagen bringen also nur etwas, wenn man dann im Ring auch danach handelt", sagt Hansen.

Allerdings traut er Haye zu, seinen Worten Taten folgen zu lassen. "Haye ist Engländer, und die Engländer haben kein Problem mit Großmäulern. Wenn Haye verliert, aber alles gegeben hat, nimmt ihm kein Fan das Ballyhoo im Vorfeld übel", glaubt Hansen, der den größeren Druck vielmehr bei Klitschko sieht. "Er ist derjenige, der etwas zu verlieren hat. Deutschland ist sein großer Markt, und er hat zu selten gegen wirklich starke Gegner gekämpft. Verliert er, werden die Fans sagen: Er kann nur gegen Schwache gewinnen. Gewinnt er, war der Gegner ein weiterer Schwacher. Diesem Druck muss er sich stellen."

Zudem träfen ein Mutboxer (Haye) und ein Angstboxer (Klitschko) aufeinander. "Bei Wladimir sieht man immer noch, dass er unter Druck anfällig ist. Er ist in der Rückwärtsbewegung hilflos und scheint dann oft seine Linie zu verlieren." Haye hingegen strahle Mut und Entschlossenheit aus und dürfte, glaubt Hansen, mit der neuen Erfahrung, erstmals in einem Stadion zu boxen, problemlos klarkommen. Sein Fazit: "Wladimir muss die Ringmitte dominieren, Haye unter Druck setzen und ihn ständig an den Seilen stellen und verprügeln. Das beeindruckt Mutboxer."

Der Streit um den Ringrichter des Kampfes ist beigelegt. Es bleibt bei Genaro Rodriguez (USA)