Teil drei der Abendblatt-Serie zum Klitschko-Kampf: Bertram Job über das Duell zwischen George Foreman und Axel Schulz

In einer gerechteren Welt wäre es keine große Sache, wenn man einen 47 Jahre alten Oldtimer aus Texas gegen einen unbesungenen Youngster aus Frankfurt an der Oder in einen Boxring pferchen würde. Aber es ging nun mal um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft, als ein gewisser Axel Schulz im April 1995 für ein wirklich seltsames Vergnügen in die Wüstenstadt Las Vegas eingeflogen wurde. Der 26-Jährige sollte einen passablen, aber nicht allzu gefährlichen Herausforderer für George Foreman abgeben, der durch einen Lucky Punch gegen Michael Moorer leider erneut an den Titel gekommen war. Weil ich es damals noch nicht besser wusste, hielt ich das genau wie Mr. Schulz für einen ziemlich fairen Deal.

Ich war von Schulz' Promoter Wilfried Sauerland eingeladen, um vor Ort etwas Pressearbeit und Übersetzungsdienste bei den PR-Terminen zu leisten. So bekam ich aus intimer Nähe mit, wie das seltsame Duell um den Gürtel der IBF zum Mega-Event aufgeblasen wurde. Die Rollen waren dabei klar verteilt: Hier stand "Ol' George" als lebende Boxlegende, der mit seinem dritten Wind für alle Senioren der Vereinigten Staaten zum Idol geworden war; und dort nahte der tumbe Teutone, der mit den kurzen, blonden Haaren unfreiwillig alle Hollywood-Fantasien vom aggressiven Deutschen bediente.

Sehr zur Enttäuschung mancher US-Reporter, die unserem Tross bei den PR-Terminen gelegentlich den Führergruß erwiesen, zeigte sich Mr. Schulz aber als äußerst sympathischer Zeitgenosse. Und es kam der Moment, wo Axel mich bremste, um sich selbst auf Englisch zu probieren. Natürlich wisse er, dass George eine "big population in sä US" habe, ließ er rund 300 Medienvertreter bei der Pressekonferenz vor dem Kampf wissen - doch dieser Umstand sei "ollright for me". Da grinsten die Zuhörer, weil Foreman zu dieser Zeit nicht nur populär war, sondern auch schon neun Kinder hatte.

Dann folgte dieser merkwürdige, eher aktionsarme Kampf, den Axel auf Anraten seines Trainers Manfred "Ruhig bleiben!" Wolke erst in Runde fünf richtig begann. Er mag von da an genug gezeigt haben, um am Ende ein Punkturteil zu seinen Gunsten zu erhalten. Doch in Vegas gibt es keine gerechte, sondern bloß eine spektakuläre Welt; in ihr wird befördert, wer die Zocker und Zaungäste an die Spieltische bringt. Dort ist einer wie Foreman ein Magnet und einer wie Schulz krasser Außenseiter. Das war die Botschaft hinter dem Urteil der Juroren, die dem alternden Titelverteidiger zu zwei Dritteln (ein Remis) den Sieg zuschanzten - und dafür sorgten, dass ein deutscher Boxer in seiner Umkleide in Tränen ausbrach. Am Tag danach sprach sogar mein Taxifahrer von einem Fehlurteil. "Hey, that guy Schulz was the better man", bellte er vergnügt in seinen Rückspiegel. "Ihr solltet ihn hierlassen. Dann könnte er noch in zwei, drei Talkshows auftreten."