Joseph S. Blatter bleibt trotz der Krise beim Fußball-Weltverband Fifa-Präsident und will den Korruptionssumpf mit einer Revolution bekämpfen. Der 75-Jährige wurde auf dem Kongress des Weltverbandes in Zürich mit 186 von 203 Delegierten-Stimmen für vier weitere Jahre wiedergewählt. Zudem wird der 88-jährige Henry Kissinger den neuen „Rat der Weisen“ anführen.

Zürich. „Engel Aloisius“ soll's richten: Als Fußball-Pate Joseph S. Blatter nach einer schmutzigen Schlammschlacht in Zürich triumphal seine Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten feierte, wünschte Kaiser Franz Beckenbauer dem Schweizer für die kommenden Wochen erstmal himmlischen Beistand. „Ich werde Ihnen den Engel Aloisius schicken, damit die FIFA in Zukunft weise Entscheidungen trifft. Bleiben Sie gesund“, sagte Beckenbauer im Züricher Hallenstadion und hatte wieder einmal die Lacher auf seiner Seite.

Dass der „Engel Aloisius“ vor allem dafür bekannt war, gerne einen über den Durst zu trinken, passte nach dem eindeutigen Votum für Blatter gar nicht so schlecht ins Bild. Wie benebelt waren die Delegierten, nachdem der FIFA-Boss in seiner Eröffnungsrede mit einem klugen Schachzug den entscheidenden Coup für eine geräuschlose Wahlzeremonie landete. Am Ende eines langen Kongresses stimmten 186 von 203 Delegierten für Blatter, eine Quote, mit der nach immer neuen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe an Katar (2022) noch vor wenigen Tagen niemand gerechnet hatte.

Doch am Ende war zunächst alles wie immer. Blatter war einmal mehr der strahlende Sieger, Widersacher Mohamed Bin Hammam wurde der Zutritt zum Kongress verwehrt und Erzfeind Jack Warner fiel sogar gleich ganz um und verlangte von den Vertretern seiner Karibischen Fußball-Union CBU, geschlossen für Blatter zu stimmen.

„Ich bin sehr bewegt, ich bin sehr geehrt. Das ist ein großes Zeichen der Solidarität. Wir werden das Schiff der FIFA in ruhigere und transparentere Gewässer führen, auch wenn das sicher einige Zeit dauert. Die FIFA-Pyramide bleibt solide“, sagte Blatter nach der Wahl.

Zuvor hatte der gewiefte Taktiker den Kongress auf seine Seite gezogen. „Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der FIFA beschlossen wird“, sagte Blatter und sorgte damit bei allen Beteiligten für eine große Überraschung.

Zum Abschluss des neun Stunden dauernden Kongresses wurde dann tatsächlich wie von Blatter gewünscht beschlossen, dass künftig die 208 Delegierten der Mitgliedsverbände über den Austragungsort der Weltmeisterschaften entscheiden - und nicht mehr das wegen der massiven Korruptionsvorwürfe umstrittene FIFA-Exekutivkomitee. Das FIFA-Exko, in dem nun auch DFB-Boss Theo Zwanziger sitzt, soll nur noch eine Vorauswahl treffen dürfen.

„Ich bin sehr froh, dass Sepp Blatter diese Entscheidung noch auf dem Kongress mit seiner ganzen Autorität durchgesetzt hat. Das war stark, das war konsequent. Und es war ein großer Schlag gegen die Korruption. Denn in einem kleinen Kreis wie dem FIFA-Exko, ist immer die latente Gefahr vorhanden, dass jemand den Versuchungen nicht widerstehen kann“, sagte Zwanziger, der am Mittwoch als Nachfolger von Beckenbauer in die Regierung des Weltfußballs einzog.

Weniger glücklich dürfte Zwanziger dagegen sein, dass Blatter beim Eröffnungsspiel der Frauen-WM gewiss in seiner Nähe sitzen wird. Blatter erwartet wie gewohnt ein gellendes Pfeifkonzert. „Das Blatter in Deutschland nicht mit offenen Armen empfangen wird, das ist klar. Das weiß Joseph Blatter auch selbst. Ich finde das sehr unfair. Denn er hat auch für den deutschen Fußball unheimlich viel getan“, sagte Zwanziger.

Blatter rief zudem eine „Lösungskommission“ ins Leben und will sich bei Bestechungsvorwürfen nun mit dem früheren US-Außenminister Henry Kissinger und Fußball-Legende Johan Cruyff in einem „Rat der Weisen“ zusammenschließen. Der 88-jährige Kissinger hat bereits zugestimmt.

„Wir wollen radikale Schritte machen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen vornehmen“, sagte Blatter, der seit 1998 „regiert“ und nun in seine vierte Amtszeit als FIFA-Präsident geht: „Unser Schiff ist in Schieflage geraten. Ich werde als Kapitän alles daransetzen, dass wir wieder auf Kurs kommen“, sagte Blatter.

Am Pranger steht insbesondere die Vergabe der WM an Katar, aber auch über Russland wird getuschelt. So forderte auch Zwanziger eine Überprüfung der skandalumwitterten Vergabe der WM im Wüstenstaat. Es bleibt indes fraglich, ob Blatter seine vierte Amtszeit wirklich bis ins Jahr 2015 übersteht. Bei der Vergabe der WM 2022 an Katar sollen Schmiergelder in Millionenhöhe gezahlt worden sein. Blatter weiß, dass noch immer der von Warner angekündigte „Tsunami“ droht.

Der Kongress hatte nach der Grundsatzrede des Präsidenten den Weg für die Wiederwahl Blatters freigemacht. Die Delegierten lehnten einen Antrag des englischen Verbandes FA auf eine Verlegung der Wahl mit 172:17 Stimmen deutlich ab. FA-Boss David Bernstein hatte die Verlegung der Wahl gefordert.

Interessanten Flankenschutz erhielt Bernstein vom Boulevardblatt The Sun. Auf dem blauen Teppich vor der Halle hatten sich drei Hostessen der Zeitung in Dollar-Scheine gehüllt - einige Delegierte posierten mit den Frauen, ehe sie in ihre Luxux-Limousinen stiegen.