Für das Prestigeprojekt Olympische Sommerspiele 2012 in London bekennt sich der Hamburger SV wieder zum Universalsportverein.

Hamburg. Die Planungen haben begonnen. Im nächsten Jahr will der Hamburger Sportverein Mitgliedern und Anhängern eine Fan-Reise nach London anbieten. Es ist für den Fußball-Bundesligaklub ein Trip der etwas anderen Art - ein Ausflug zu den Olympischen Sommerspielen. Dort, hofft Vorstand Oliver Scheel, könnte der HSV mit einigen Sportlern prominent vertreten sein, mit Leichtathleten und Beachvolleyballern. Weitspringer Sebastian Bayer, zweimaliger Halleneuropameister, und die Strandjungen David Klemperer und Eric Koreng , Olympiafünfte 2008 in Peking, gelten für 2012 als Medaillenkandidaten. Sie tragen die Raute auf ihren Shirts - und im Gegensatz zu den Fußballprofis diese im laufenden und im nächsten Jahr auch durch Europa und um die Welt.

Es sind die Erfolge der anderen, die den HSV derzeit sportlich auszeichnen.

Der HSV hat sich einer alten Tradition besonnen, besonders gepflegt in der Ära seines erfolgreichen Präsidenten Wolfgang Klein (1979-1987): die des Universalsportvereins. Der Klub öffnete Sportlern und Sportarten wieder die Tore, die er 1991 in höchster wirtschaftlicher Not verschlossen hatte; für immer, wie es lange Zeit schien. Rollstuhlbasketballer, Baseballer, Boxer, Triathleten, Beachvolleyballer kamen, zuletzt die Footballer der Blue Devils.

+++ Leichtathleten und Volleyballer schrieben HSV-Geschichte +++

1991 kämpfte der HSV um seine Existenz. Erst der Verkauf des Fußball-Nationalspielers Thomas Doll für 17 Millionen Mark an Lazio Rom verhinderte eine mögliche Insolvenz. Leichtathleten, Volleyballer und Eishockeyspieler und alle anderen HSV-Sparten, die Leistungssport treiben wollten, waren zu dieser Zeit bereits in den Hamburger Leistungssportverein (HLSV) ausgegliedert worden. Der wurde trotz einer Anschubfinanzierung von einer Million Mark nicht einmal ein Jahr alt, weil deren Vorsitzender Günter Seipp, zuvor Vizepräsident des HSV, zwar vor Ideen sprühte, aber ein überaus lausiger Geschäftsmann war. Die Bundesliga-Volleyballer gründeten den 1. VC Hamburg, die Zweitliga-Eishockeyspieler den 1. EHC Hamburg. Auch diese Vereine gingen alsbald pleite.

"Das Risiko, das wir jetzt eingehen, ist überschaubar, es herrscht strenge Ausgabendisziplin und -kontrolle", sagt HSV-Vorstand Scheel, der das Projekt anschob, weiterentwickelt und in den Vereinsgremien dafür kämpft. In den 1980er-Jahren gab der HSV jedes Jahr rund eine Million Mark für seine ambitionierten Amateurabteilungen aus, bis zu fünf Prozent des gesamten Klubbudgets. Das Geld hatten die Fußballer zu erwirtschaften. Das war Kleins Philosophie. Der Rechtsanwalt, ein erfolgreicher Weitspringer, nahm 1964 an den Olympischen Spielen in Tokio teil, wurde dort Zehnter. Erst im vergangenen Jahr verlor der heute 70-Jährige seinen Hamburger Rekord von 7,90 Meter - an HSV-Neueinkauf Bayer.

Heute muss jede Sparte des HSV mit ihren Mitglieds-, Sponsoren- und Spendeneinnahmen haushalten. Insgesamt unterstützt der HSV (aktueller Stand: 71 283 Mitglieder, davon 5600 Sporttreibende) die Leistungssportambitionen außerhalb des Fußballs zusätzlich mit etwas mehr als 100 000 Euro, weniger als ein Promille des Vereinsumsatzes von zuletzt 143 Millionen Euro. Monatlich bezahlt werden im Augenblick nur die Leichtathleten, allen voran Olympiahoffnung Bayer. "Er ist sogar preiswerter als mancher A-Jugend-Nationalspieler bei den Fußballern", frohlockte der einstige HSV-Vorstand Bernd Hoffmann bei der Vorstellung des Weitspringers im Stadion.

Die Beachvolleyballer um die Weltranglistenzehnten Klemperer/Koreng dagegen erfahren bislang nur ideellen Anschub. "Wir setzten auf die Strahlkraft des Namens HSV bei unserer Sponsorensuche", sagt Klemperer. Die Hoffnung aber, dass die Raute leichter Türen öffne, habe sich noch nicht im erhofften Umfang erfüllt. Dennoch sind Klemperer/Koreng überzeugte HSVer.

Zu einem Vereinswechsel waren auch Sara Goller und Laura Ludwig bereit. Die Beachvolleyball-Europameisterinnen und Weltranglistenfünften leben und trainieren seit dreieinhalb Jahren in Hamburg, starten jedoch für Hertha BSC Berlin. Die Verhandlungen mit dem HSV scheiterten Ende vergangenen Jahres an den Finanzen. "Was die beiden verständlicherweise wollten, konnten wir nicht leisten", sagt Scheel.

Die Rückkehr zum Universalsportverein ist für den HSV vorerst ein Experiment. Der neue Vorstand um den Vorsitzenden Carl-Edgar Jarchow will sich mit ihm in den nächsten vier Wochen befassen. Das Projekt ist momentan nur bis zum August 2012 geplant, bis zu den Spielen in London. Mit Anne Gnauk wurde Ende 2010 eine Marketing-Mitarbeiterin eingestellt, die Sponsoren für die Olympiasportler akquirieren soll. "Mittelfristiges Ziel bleibt es, dass sich der gesamte Bereich außerhalb des Fußballs finanziell selbst trägt", sagt Scheel. Die schwarze Null müsse nicht sofort geschrieben werden, sie sollte jedoch irgendwann in Sichtweite sein. "Jeder sportliche Erfolg hilft uns da weiter." Die Fußballer dürfen sich dabei angesprochen fühlen.