Der 34-jährige Stephan Unger vom BV Hanseat ist deutscher Meister in einer Sportart, die nur wenig Beachtung findet: dem Bowling.

Hamburg. Diese Tage, in denen bei den meisten die Konten leer sind und die Bäuche voll, sind für Stephan Unger immer die erholsamsten. Es ist die einzige Zeit im Jahr, in der er den Bowlingball einmal liegen lassen kann, weil keine Wettbewerbe anstehen. In der mithin nicht die üblichen Kosten anfallen für Reisen, Bahngebühren, Turnierbeiträge.

Mitte Januar geht die Bundesliga wieder los. Ja, Bundesliga. "Viele sind überrascht, dass wir überhaupt eine organisierte Sportart sind", sagt der 34-Jährige vom BV Hanseat. Sogar einen deutschen Meister gibt es: ihn. Gern erklärt Unger auch, dass die Kegel Pins heißen und das Spielgerät keine Kugel, sondern ein Ball ist. Neun davon nimmt er zu jedem Wettkampf mit: Sieben schickt er per Paketdienst voraus, zwei behält er zur Sicherheit in seinem Gepäck. Mindestens 200 Euro kostet jeder Einzelne, und wenn er gut läuft, ist er unbezahlbar. Die Bohrung der drei Löcher ist jeweils exakt auf die Spanne und den Winkel der Finger angepasst.

Über seine Bälle kann Unger viel erzählen: den Härtegrad der Schale, die Beschaffenheit des Kerns und darüber, ob die Oberfläche ölabweisend ist oder nicht. Er sagt: "Man muss eine Bahn lesen wie ein Golfer das Grün." Der Vergleich mit dem Golf liegt nahe. Einmal treffen kann jeder. Die Kunst beim Bowling liegt darin, es immer und immer wieder zu tun. Eine nie endende Suche nach Perfektion.

"Das mentale Training ist deshalb unheimlich wichtig, um die Wettkampfhärte zu bekommen und sich auf die äußeren Bedingungen einzustellen." Unger hat irgendwann angefangen, sich auf die Couch zu legen und eine CD mit Atemübungen einzulegen. Seither kann er mit Stresssituationen besser umgehen. Dass es im vergangenen Jahr gleich zur deutschen Meisterschaft reichen würde, sei dann aber doch eine Überraschung gewesen. 150 Euro Preisgeld hat Unger für diesen Erfolg bekommen. Auch als Bester seines Landes gehört er zu denen, die nicht vom, sondern für seinen Sport leben. Einen beträchtlichen Teil seiner Einkünfte als Lohnbuchhalter zwackt er dafür ab. "Es ist grenzenloser Idealismus, sonst würde man es nicht machen", sagt Unger. Für jedes Trainingsspiel an der Hamburger Straße fallen zwei Euro Gebühr an.

In den USA sei das etwas anderes. Die Turniere der Profivereinigung PBA werden zur besten Sendezeit im Fernsehen übertragen, für die Zuschauer an der Bahn werden große Tribünen aufgebaut. Ein einziger Europäer hat die Aufnahmeprüfung bisher geschafft. Es ist eine andere Liga als in Deutschland, wo auf vielen Bahnen Leistungsbowler gar nicht willkommen seien: "Viele Betreiber sehen es nur als Möglichkeit, Profit zu machen. Es fehlt das Verständnis für den Sport." Seine Freundin versteht ihn. Auch sie spielt Bowling.

Unger war sieben, als ihn die Eltern zum ersten Mal mit zum Bowlen genommen haben. Mit 14 ging er dann allein trainieren. Sechs Jahre später spielte er in der Bundesliga. "Man kann in dem Sport relativ schnell recht erfolgreich werden", sagt Unger. Ein paar Mal vernünftig spielen, und man sei schon bei der deutschen Meisterschaft dabei. Sie zu gewinnen ist dann eine andere Sache. Der Titel kam einen Tick zu spät, um sich noch für die WM im September in Buenos Aires zu qualifizieren. Dafür darf Stephan Unger im Juni bei der Europameisterschaft in München starten. Und 2012 will er beim größten Bowlingturnier der Welt in Las Vegas mitspielen. Die Teilnahme kostet einige Hundert Dollar. Dafür bekommt jeder Teilnehmer einen Ball.