Spanien will nach dem EM-Triumph jetzt auch den Weltpokal, die Niederlande die Erfahrung von zwei verlorenen Endspielen auslöschen.

Durban/Johannesburg. Spanische Sehnsucht gegen niederländische Trauma-Bewältigung: Zwei ewige Schönspieler wollen sich dank neuer Effizienz zum achten Weltmeister küren. Erstmals seit 1978 ringen am Sonntag wieder zwei Teams um den größten Preis im Fußball, die zuvor noch nie den Cup gewonnen haben. „Wir haben so lange auf Erfolge gewartet“, sagte Spaniens Trainer Vicente del Bosque vor dem Showdown am Sonntag in Johannesburg. Zwei Jahre nach ihrem EM-Triumph gibt die „Furia Roja“ (Rote Furie) ihre Premiere im WM-Finale. „Das wichtigste Spiel kommt erst noch. Wir wollen das Maximum erreichen“, forderte del Bosque. Die bereits in zwei Endspielen unterlegenen Niederländer greifen erstmals seit 32 Jahren wieder nach den Sternen. Damals war Oranje im bislang letzten Final-Duell zweier potenzieller Titel-Novizen an Argentinien gescheitert. 25 Spiele ohne Niederlage und sechs WM-Siege in Serie sorgen nun für reichlich Rückenwind. „Komm nur, Spanien“, titelte „De Telegraaf“ am Donnerstag voller Zuversicht.

„Elftal“-Coach Bert van Marwijk gab sich zurückhaltender: „Spanien ist seit Jahren das beste Team der Welt. Wir haben großen Respekt, aber keine Angst. Das wird eine schwere Aufgabe.“ Anders als beim Kräftemessen mit der eher biederen Elf aus Uruguay im Halbfinale steht dem Oranje-Team im Endspiel eine echte Herkulesaufgabe bevor. Den Fußball der Spanier um das kongeniale Strategen-Duo Xavi und Andrés Iniesta hält van Marwijk für stilprägend: „Sie spielen offensiv und attraktiv. In der Hälfte des Gegners und bei Ballverlust üben sie direkt mit der ganzen Mannschaft wieder Druck auf den Gegner aus“, schwärmte der Fußball-Lehrer, „Spanien und der FC Barcelona sind für mich auch das Vorbild dafür, wie ich die niederländische Mannschaft gerne spielen sehe.“

Nach dem verdienten 1:0-Sieg gegen Deutschland geht die „selección“ selbst ihre größte WM-Prüfung konzentriert, zurückhaltend, aber auch selbstbewusst an. „Die Niederlande spielen traditionell einen guten Fußball“, würdigte del Bosque den kommenden Kontrahenten. „Sie haben auch ein gutes Turnier gespielt.“ Xavi sagte, die Niederlande seien ein großes Team und in großer Form. „Aber wenn wir so spielen wie gegen Deutschland, haben wir gute Chancen. Wir wollen es genießen, im Finale zu stehen - und gewinnen“, kündigte er den Coup an. Sein Mittelfeld- und Vereinskollege Andrés Iniesta warnte vor verfrühter Euphorie: „Wir müssen noch den letzten Schritt machen, um den Traum zu erfüllen.“

Vom erstmaligen WM-Triumph sind die ausgelassenen feiernden Fußballfans in der Heimat und die spanischen Medien allerdings längst überzeugt. „Wir sind die Besten der Welt (und am Sonntag Weltmeister)“, titelte das Fachblatt „Marca“ ohne einen Hauch von Zweifel. „El Mundo“ urteilte: „Spanien zieht die Welt in seinen Bann. Das Land hat ein Ticket in die Ewigkeit gelöst.“ „El Periódico de Catalunya“ schwärmte: „Rote Herrlichkeit in Südafrika.“

Bei aller Vorfreude auf Spanien wurde in den Niederlanden jedoch hier und dort das Bedauern laut, im Endspiel nicht auf Deutschland zu treffen. Nach dem hart erkämpften Halbfinalsieg über Uruguay hatte Henk Kesler, Präsident des niederländischen Fußball-Verbandes, im ersten Überschwang augenzwinkernd schon Pläne für ein mögliches Duell mit dem Erzrivalen geschmiedet: „Dann können wir endlich Revanche für 1974 nehmen. Ich hänge ein großes Plakat an der Grenze auf: Jetzt fahren sie in das Land der Weltmeister.“ Gut möglich, dass Kesler sein Vorhaben auch nach dem Aus für Deutschland nicht ganz verworfen hat.