Nico Rosberg und Mercedes haben den erlösenden ersten Sieg gefeiert. Als Favoriten sehen sie sich noch nicht, an weitere Siege glauben sie schon. Und Rosberg wird weltweit gefeiert.

Shanghai. Alle Welt feiert den „Leonardo DiCaprio der Formel 1“: Am Samstagmorgen galt Nico Rosberg für viele noch als ewiges Talent. 27 Stunden, eine Pole Position und einen Sieg später war der Wiesbadener „Everbody's Darling“. Kollegen, Fans und Medien verneigen sich vor dem 26-Jährigen, der in China den Sieg holte, für den Mercedes eigentlich Rekordweltmeister Michael Schumacher aus dem Ruhestand geholt hatte - den ersten Grand-Prix-Erfolg in einem Silberpfeil seit dem legendären Juan Manuel Fangio vor fast 57 Jahren.

Für eine ausgelassene Party in Shanghai gab es allerdings keine Zeit. Noch am Abend saß Rosberg - strahlend und mit einem riesigen Blumenstrauß auf dem Schoß - in der Business Class seines Fliegers in die Heimat. Bejubelt wurde er aber von den Medien. „Nico, der Leonardo DiCaprio der Formel 1, ist einfach tadellos“, schrieb die italienische Zeitung La Repubblica. In der finnischen Heimat seines Vaters Keke vermeldete Helsingin Sanomat Nicos „Aufstieg in die Gewinner-Liga“. Das Boulevardblatt Österreich feierte Rosberg als „Shanghai-Noon“, die L'Equipe in Frankreich sah „das große Los für Rosberg“.

Im Jubel vereint Rosberg alle. Der Mercedes-Pilot, dem man eine gewisse Ähnlichkeit mit Hollywood-Star und Oscar-Gewinner DiCaprio tatsächlich nicht absprechen kann, ist nicht nur ein polyglotter Sonnyboy mit guten Manieren, Typ perfekter Schwiegersohn, sondern auch ein Europäer im besten Sinne. Als Sohn des finnischen Ex-Weltmeisters Keke Rosberg und einer Deutschen wurde er in Wiesbaden geboren. Er hat auch schwedische Vorjahren, wohnte zwischenzeitlich auf Ibiza und sonst seit Kindertagen in Monaco. An der Strecke gibt der Technik-Freak, der auch Raumfahrttechnik hätte studieren können, Interviews in fünf Sprachen - fließend.

So einer hat Star-Potenzial - und in China schöpfte Rosberg es endlich auch auf der Strecke voll aus. „Dieser Sieg geht um die Welt“, sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug: „Nico hatte nie ein Auto, mit dem er siegen konnte. Nun hat er es gehabt, und ich hoffe, dass es noch öfter klappt.“

Mit den Zweiflern und Spöttern vergangener Tage befasste Rosberg selbst sich nicht. Bei ihm herrschte einfach nur ausgelassene Freude. Den „Tag, den ich nie vergessen werde“ bezeichnete er als „gigantisch, sensationell, der absolute Hammer“. Sportlerkollegen freuten sich auch deshalb so sehr für ihn, weil er beim 111. Start alle Kritiker Lügen strafte.

Die deutsche Tennis-Ikone Boris Becker, selbst durch alle Höhen und Tiefen gegangen, saß in den frühen Morgenstunden vor dem Bildschirm und feuerte Rosberg via Twitter mit Beiträgen wie „Let's go“ oder „Nico, Nico, Nico“ an. Oliver Bierhoff, Manager der Fußball-Nationalmannschaft, schickte eine Glückwunsch-Mail mit einer Einladung ins EM-Trainingslager.

Formel-1-Kollege Adrian Sutil, trotz ordentlicher Leistung aktuell ohne Team, drückte als Sky-Experte die Genugtuung aus, die sich Rosberg selbst verkniff: „Jeder fing an zu sagen, Nico ist kein Siegfahrer. Das war eigentlich Blödsinn. Jetzt hat Nico das gezeigt, und jetzt ist Ruhe.“

Selbst der in China zweitplatzierte Jenson Button, der seinen ersten Triumph erst im 113. Rennen gefeiert hatte, freute sich ein wenig für den Mann, der ihn geschlagen hatte: „Jetzt hat er endlich seinen ersten Sieg. Jetzt wird er sicher noch einige folgen lassen.“ Das glaubt auch RTL-Experte Niki Lauda, selbst dreimaliger Weltmeister: „Wenn es einmal passiert ist, tut man sich leichter, weil man weiß, man kann's, man hat es allen bewiesen.“

Sind Rosberg und Mercedes, das ohne die Boxen-Panne bei Rekordweltmeister Michael Schumacher vielleicht sogar einen Doppelsieg hätte landen können, in dieser bisher verrückten Saison also plötzlich sogar Titelkandidat? Weltmeister Sebastian Vettel schwächelt, ist nach Rang fünf in China aktuell Fünfter im WM-Klassement. In drei Rennen gab es drei Sieger, und die WM führt einer der, der noch gar nicht gewann: McLaren-Pilot Lewis Hamilton.

Haug will „keine Ansagen machen. Das wäre zu früh. Aber ich hoffe, dass wir vorne dabei sind.“ Rosberg hofft „schon, dass noch einige Siege folgen werden. Wir können jetzt aber nicht erwarten, dass wir alle in Grund und Boden fahren. Wir müssen uns weiter steigern, aber wir sind auf dem richtigen Weg.“ Dies weiß jetzt auch der letzte Zweifler.

Formel 1, Großer Preis von China in Shanghai

1. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes 1:36:26,929 Stunden, 2. Jenson Button (Großbritannien) McLaren-Mercedes 0:20,626 Minuten zurück, 3. Lewis Hamilton (Großbritannien) McLaren-Mercedes 0:26,012, 4. Mark Webber (Australien) Red-Bull-Renault 0:27,924, 5. Sebastian Vettel (Heppenheim) Red-Bull-Renault 0:30,483, 6. Romain Grosjean (Frankreich) Lotus-Renault 0:31,491, 7. Bruno Senna (Brasilien) Williams-Renault 0:34,597, 8. Pastor Maldonado (Venezuela) Williams-Renault 0:35,643, 9. Fernando Alonso (Spanien) Ferrari 0:37,256, 10. Kamui Kobayashi (Japan) Sauber-Ferrari 0:38,720, 11. Sergio Perez (Mexiko) Sauber-Ferrari 0:41,066, 12. Paul di Resta (Großbritannien) Force-India-Mercedes 0:42,273, 13. Felipe Massa (Brasilien) Ferrari 0:42,779, 14. Kimi Räikkönen (Finnland) Lotus-Renault 0:50,573, 15. Nico Hülkenberg (Emmerich) Force-India-Mercedes 0:51,213, 16. Jean-Eric Vergne (Frankreich) Toro-Rosso-Ferrari 0:51,756, 17. Daniel Ricciardo (Australien) Toro-Rosso-Ferrari 1:03,156, eine Runde zurück: 18. Witali Petrow (Russland) Caterham-Renault, 19. Timo Glock (Wersau) Marussia-Cosworth, 20. Charles Pic (Frankreich) Marussia-Cosworth, 21. Pedro de la Rosa (Spanien) Hispania-Cosworth, zwei Runden zurück: 22. Narain Karthikeyan (Indien) Hispania-Cosorth, drei Runden zurück: 23. Heikki Kovalainen (Finnland) Caterham-Renault

Schnellste Rennrunde: Kamui Kobayashi 1:39,960 (40. Runde)

ausgeschieden: Michael Schumacher (Kerpen) Mercedes